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19.3.2005 taz Ausland 91 Zeilen, FRANÇOIS MISSER S. 10
EU-Entwicklungskommissar Louis Michel will die ständigen Verzögerungen in Kongos Friedensprozess nicht länger hinnehmen: "Wer damit spielt, bedroht die Stabilität"
taz: Herr Michel, der Friedensprozess in der Demokratischen Republik Kongo kommt nicht voran: Der Termin zur Machtübergabe an eine gewählte Regierung am 30. Juni 2005 wird wohl mangels Wahlvorbereitung um mindestens sechs Monate verschoben, und sogar eine zweite Verlängerung bis Juni 2006 reicht eventuell nicht aus. Wie soll die internationale Gemeinschaft, die den Friedensprozess überwacht und finanziert, damit umgehen?
Louis Michel: Man muss die Reformen und die Wahlvorbereitung beschleunigen. Eine kleine Verzögerung ist kein Grund für eine lange Verschiebung der Wahlen. Der Zeitplan muss wieder eingeengt werden. Ich werde im Mai nach Kinshasa fahren und die Parteien auffordern, einen neuen Zeitplan vorzuschlagen. Und ich will von ihnen wissen, wie weit sie sind.
Zeitpläne gibt es ja. Wie wollen Sie die Parteien in der Übergangsregierung davon überzeugen, sie diesmal einzuhalten?
Ich glaube nicht, dass die internationale Gemeinschaft endlos wartet. Unsere Geduld hat Grenzen. Dinge, die zugesagt worden sind, müssen auch umgesetzt werden. Also muss es im Parlament Fortschritte geben bei den ausstehenden Gesetzen wie Amnestiegesetz, Wahlgesetz und so weiter, bei der Annahme der neuen Verfassung, bei der Wählerregistrierung. Das alles hätte schon längst passieren müssen, und es muss endlich passieren! Ich kann verstehen, dass einiges ein bisschen länger dauert als geplant, aber die Gründe, die es am Anfang dafür gab, darf es heute nicht mehr geben.
Und wenn die Zeitpläne trotzdem nicht eingehalten werden?
Wenn die Bevölkerung denkt, dass die Politiker die Wahlen weit in die Zukunft verschieben wollen, und darüber sehr enttäuscht ist, ist der gesamte Friedensprozess in Gefahr. Aber er ist der einzige schnelle Weg zu Stabilität. Wer damit spielt, bedroht die Stabilität. Es hat Jahre gedauert, so weit zu kommen, seit dem ersten Friedensabkommen 1999. Damals waren wir in Belgien die Einzigen, die die internationale Gemeinschaft dafür mobilisieren wollten. Heute steht die internationale Gemeinschaft geeint hinter dem Prozess. Daran will ich Kongos Führer erinnern und sie auffordern, jetzt ihren Teil zu tun, damit die Wahlen innerhalb einer, sagen wir, akzeptablen Frist stattfinden.
Machen Sie sich Sorgen, als Pate des Friedensprozesses?
Ich mache mir keine Sorgen, aber ich denke, in dieser Schlüsselphase muss man daran erinnern, dass wir uns nicht an endlose Verzögerungen gewöhnen werden und dass die internationale Gemeinschaft, die viel in den Kongo investiert hat, ihre Erwartungen deutlich macht. Und das werde ich tun.
INTERVIEW: FRANÇOIS MISSER
19.3.2005 taz Ausland 13 Zeilen, S. 10
LOUIS MICHEL (57) ist seit 2004 EU-Entwicklungskommissar. Von 1999 bis 2004 war er Außenminister Belgiens, der einstigen Kolonialmacht der Demokratischen Republik Kongo, und damit der am meisten mit dem Kongo-Konflikt und der Krise im Afrika der Großen Seen befasste europäische Politiker.
19.3.2005 taz Ausland 28 Zeilen, S. 10
Die Folgen des Krieges in der Demokratischen Republik Kongo sind nach Meinung des UN-Koordinators für humanitäre Hilfe, Jan Egeland, die "schlimmste humanitäre Krise der Welt", noch vor der im sudanesischen Darfur. Seit 1998 gebe es täglich 1.000 Tote aufgrund des Konfliktes, sagte er in Genf.
Der Kongokrieg, an dem zahlreiche afrikanische Länder beteiligt waren, ging offiziell 2003 mit der Einsetzung einer gemeinsamen Regierung der einstigen Kriegsparteien zu Ende. Aber diese schafft es nicht, die bis Juni 2005 geplanten freien Wahlen zu organisieren, und im Osten des Landes dauern bewaffnete Konflikte an. Am Mittwoch leiten UN-Truppen im nordöstlichen Distrikt Ituri ihre dritte große Militäroperation dieses Monats gegen ethnische Milizen ein.