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12.1.2006 taz Ausland 146 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 10
UNO bittet um europäische Elitetruppen für die Demokratische Republik Kongo, um rechtzeitig zu den geplanten Wahlen "Störer abzuschrecken". Denn die Sorge wächst, dass die Wahlen zu Krieg führen. Deutsch-französische Brigade im Gespräch
von DOMINIC JOHNSON
Europäische Eingreiftruppen sollen der UNO in der Demokratischen Republik Kongo helfen, die geplanten freien Wahlen abzusichern. Über eine entsprechende Bitte der UN-Abteilung für Blauhelmeinsätze berieten Vertreter der UN-Mission im Kongo (Monuc) gestern in Brüssel mit der EU. Eine prinzipielle Entscheidung soll bis Anfang nächster Woche fallen.
Hintergrund ist die wachsende Sorge, dass Wahlen im Kongo zu einem neuen Bürgerkrieg führen könnten. Dazu kommen die anhaltenden Milizenübergriffe im Osten des Landes. Am 21. Dezember hatte der UN-Sicherheitsrat die Monuc aufgefordert, bis 15. März ein Konzept zur Entwaffnung ausländischer Milizen im Ostkongo vorzulegen. Ende Dezember erfolgte eine schriftliche Bitte des für Blauhelmeinsätze zuständigen UN-Untergeneralsekretärs Jean-Marie Guéhenno an die britische EU-Ratspräsidentschaft, Truppen zur Verfügung zu stellen, "um Störer abzuschrecken". Bei einem positiven Bescheid könnte die Stationierung im März beginnen, heißt es in UN-Kreisen in Kongos Hauptstadt Kinshasa.
Im Kongo war 2003 ein mehrjähriger Bürgerkrieg, dessen Folgen über drei Millionen Menschenleben gekostet hatten, per Friedensabkommen offiziell zu Ende gegangen. Die bisherigen Kriegsparteien regieren seither gemeinsam. Derzeit sind freie Wahlen für April geplant. Doch weil die einstigen Warlords die meisten ihrer Kämpfer nicht wie vorgesehen in Kongos neue Armee FARDC entsandt haben, sondern sie als Reserve behalten, wird sich eine neue gewählte Regierung kaum ohne äußere Hilfe militärisch halten können. Die bestehenden FARDC-Einheiten treten außerdem immer undisziplinierter auf. Instabilität ist auch deshalb zu erwarten, weil mit einem eindeutigen Wahlsieger nicht zu rechnen ist: Der amtierende Präsident Joseph Kabila konnte bisher keine breite Koalition hinter sich scharen, der beliebteste Oppositionsführer Etienne Tshisekedi hat die Wählerregistrierung boykottiert und darf nicht kandidieren.
Die 16.193 Soldaten und Militärbeobachter der UN-Blauhelmmission sind alle in ihren Stationierungsorten gebunden. So verfügt die Monuc über keine Truppenreserve. So kursiert in Kinshasa die Überlegung, 800 Soldaten der deutsch-französischen Brigade zu entsenden, um im Krisenfall kurzfristig eingreifen zu können. Als bevorzugter Stationierungsort wird das direkt gegenüber Kinshasa am Kongo-Fluss liegende Brazzaville gehandelt, Hauptstadt des Nachbarlandes Kongo-Brazzaville.
Die Monuc hofft damit auf einen Abschreckungseffekt vor allem gegenüber der 15.000 Mann starken kongolesischen Präsidialgarde GSSP, die direkt Kabila unterstellt ist, außerhalb der offiziellen Armeestrukturen. "Es geht darum, klar zu machen, dass Legionäre, vielleicht auch deutsche Fallschirmjäger, in der Nähe des Kongo stehen und dass die GSSP in den Kasernen bleiben soll", sagte ein hochrangiger UN-Mitarbeiter der taz.
Vorbild für das EU-Eingreifen wäre die französisch geführte EU-Militärintervention in Bunia im Nordosten des Kongo zwischen Juni und August 2003, die dort kurz vor dem Amtsantritt der kongolesischen Allparteienregierung Kämpfe zwischen Milizen eindämmte. Aus dieser "Operation Artemis" entwickelte die EU im Jahr 2004 im Rahmen ihrer gemeinsamen Sicherheitspolitik unter Führung Frankreichs und Großbritanniens das Konzept von EU-"Einsatzgruppen" (Battle Groups), von denen 15 geplant sind, jeweils mit 1.500 Soldaten zum Einsatz in Krisengebieten weltweit. Sie sollen innerhalb von 15 Tagen nach einem EU-Ministerratsbeschluss vor Ort sein.
Eine der geplanten Battle Groups ist die bestehende deutsch-französische Brigade, und um diese geht es jetzt auch im Kongo. Da Deutschland sich gegen die Entsendung seiner Soldaten sperren könnte, müsste sich der Einsatz eventuell auf die französische Hälfte der Brigade beschränken. Eine Entscheidung über eine Beteiligung deutscher Soldaten ist noch nicht gefallen. Der afrikapolitische Experte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hartwig Fischer, begrüßte gegenüber der taz die EU-Eingreifsüberlegungen. "Wenn man den Wahlprozess im Kongo absichern will, braucht die Monuc dringende Unterstützung durch die EU", sagte er.