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10.2.2006 taz Meinung und Diskussion 46 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 11
Die Debatte um einen EU-Militäreinsatz in der Demokratischen Republik Kongo zur Absicherung freier Wahlen wird in Deutschland zum Teil reichlich absurd geführt. Wenn Bundestagsabgeordnete sich in erster Linie darum sorgen, ob Bundeswehrsoldaten die Impfungen gegen Tropenkrankheiten verkraften oder psychisch einen Kampfeinsatz gegen Kindersoldaten überstehen, verwechseln sie Militäreinsätze mit Abenteuerurlaub.
Die größte Gefahr für einen reibungslosen Wahlverlauf im Kongo, da sind sich Experten einig, geht von Präsident Joseph Kabilas Präsidialgarde GSSP aus, die eine halb legale Reservearmee mit Störpotenzial mitten in Kinshasa darstellt. Das sind keine Kindersoldaten, sondern Elitetruppen, und ihre Neutralisierung erfordert vor allem diplomatisches und politisches Geschick, in dem der Einsatz von Interventionstruppen zunächst einmal Teil einer Drohkulisse ist oder gezielt zum Schutz demokratischer Institutionen erfolgt. Über solche Dinge, nicht über Impfungen, sollte man sich in Berlin Gedanken machen, bevor ein Bundestagsbeschluss zur Truppenentsendung erfolgt. Es wäre um die Bundeswehr schlecht bestellt, wenn die Gesundheit der Soldaten nicht sowieso in kompetenten Händen läge, um die sich Politiker keine Sorgen machen müssen.
Nicht minder gefährlich ist auch die sich abzeichnende Entwicklung, dass Kongos Wahlen nicht rechtzeitig zum vereinbarten Ende der Amtszeit der Warlord-Allparteienregierung am 30. Juni stattfinden. An sich ist dies nicht schlimm - die technischen Schwierigkeiten einer Wahl im Kongo sind immens, und es wäre besser, sie in Ruhe zu bewältigen, statt einen chaotischen Schnelldurchgang durchzupeitschen, bloß um den Buchstaben des Friedensvertrags nicht zu verletzen. Doch in Kongos Bevölkerung ist die Geduld mit der Regierung der Warlords am Ende. Jede Verzögerung birgt das Risiko breiten Protests einer sich verraten fühlenden Opposition, die endlich die Kriegsverbrecher aus dem Sattel heben will. Auch damit wird eine wie auch immer geartete EU-Intervention umgehen müssen.
DOMINIC JOHNSON