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Während die UN-Blauhelmmission im Ostkongo die Armee gegen Tutsi-Rebellen unterstützt, wächst in der Provinzhauptstadt Goma der Ärger über den Staat.
VON DOMINIC JOHNSON
In der Demokratischen Republik Kongo hat diese Woche das neue Schuljahr begonnen. Aber im Osten des Landes sind manche Schulgebäude voll von Flüchtlingen. Zehntausende Menschen fliehen vor dem neuen Krieg zwischen der Regierungsarmee und den Rebellen des Tutsi-Generals Laurent Nkunda in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu, ganze Dörfer leben voller Angst im Busch. Die wenigen Nachrichten, die aus dem von der Armee abgeriegelten Kampfgebiet nach außen dringen, geben nur einen Bruchteil der humanitären Katastrophe wieder.
Nord-Kivus neuer Krieg ist ein Krieg der Gerüchte. Man hört, 12.000 Soldaten aus Ruanda seien einmarschiert, um Nkunda zu unterstützen; und 16.000 Milizionäre aus dem Norden seien unterwegs, um "die Tutsi" zu verjagen. Beide Armeen existieren wohl nur in der Fantasie ihrer Erfinder. Der reale Krieg ist heftig genug. Aber auch die Kriegsparteien nehmen es mit der Wahrheit nicht so genau. Wo die Regierung 97 tote Rebellen meldet, sprechen die Rebellen von 67 toten Regierungssoldaten. Die Regierung verkündet, mit Luftangriffen 60 Rebellen getötet zu haben; die Rebellen sagen, es waren 37 Zivilisten.
In diesen Tagen nähert sich der Krieg einer entscheidenden Phase. Nkunda wirft alles in die Schlacht, um nicht in seiner Hochburg in den Masisi-Bergen westlich der Provinzhauptstadt Goma umzingelt zu werden. Seit Dienstagabend toben Kämpfe um die Kleinstadt Sake am Fuße der Berge, deren Einnahme den Rebellen den Weg in das 500.000 Einwohner zählende Goma öffnen würde. Nördlich von Goma, im Distrikt Rutshuru, haben die Rebellen die Stromversorgung sabotiert und belagern die größte Armeebasis Rumangabo. Nkundas Vertraute sagen, dass die Rebellen per Guerillataktik Goma einkesseln und so die Regierung an den Verhandlungstisch zwingen wollen. In Goma selbst, am Fuße der Vulkane, ist davon noch wenig zu spüren, außer dass es aus den Bergen am Horizont zuweilen auch dann donnert, wenn es kein Gewitter gibt. Doch es mehren sich Verschleppungen mutmaßlicher Nkunda-Sympathisanten und Überfälle auf Tutsi. Eine Journalistin des Staatsfernsehens wurde beim Einsteigen in einen UN-Hubschrauber festgenommen, weil sie einst mit Nkunda zusammen studiert hat. In den Armenvierteln der Stadt gehen Warnungen an die Bevölkerung um, sich nicht mit Tutsi einzulassen. "Es ist wie unter Mobutu, als Geheimdienstler Misstrauen unter den Menschen verbreiteten", erzählt ein lokaler Journalist.
Die UN-Blauhelmmission im Kongo (Monuc) ergreift Partei, während sie öffentlich das Ende der Kämpfe fordert. Sie hat eine 2.200 Mann starke Regierungsbrigade in die Masisi-Berge geflogen, damit diese Nkunda angreifen kann.
"Nkunda hat schließlich angefangen", rechtfertigt die lokale Monuc-Sprecherin Sylvie van den Wildenberg dieses Vorgehen. Das ist Ansichtssache. Die Regierung hält Nkunda für einen Banditen, den man eliminieren muss - wobei sie erst zu Jahresanfang mit ihm ein Friedensabkommen schloss, von dem sie heute nichts mehr wissen will. Nkunda sagt, er müsse Ostkongos Tutsi schützen, weil die Regierung sich mit den ruandischen Hutu-Milizen FDLR (Demokratische Kräfte zur Befreiung Ruandas) und damit mit Parteigängern eines Völkermordes an den Tutsi verbündet hat. In einer Provinz wie Nord-Kivu, wo seit 15 Jahren ethnische Vertreibungskriege wüten und wo von 5 Millionen Einwohnern rund 650.000 Kriegsvertriebene sind, ist ein solcher Konflikt nur politisch zu lösen. Aber davon ist keine Rede. Kongos Regierung schließt Verhandlungen aus. Nord-Kivus Provinzregierung hält sich heraus. "Für das Militär sind wir nicht zuständig", sagt Finanzminister Bushoki. Bestehende zarte Versöhnungsbemühungen seitens der Zivilgesellschaft dürften dadurch zunichte gemacht werden. Die traditionellen Führer aller zehn Volksgruppen Nord-Kivus riefen am Montag die Bevölkerung gemeinsam auf, sich nicht zur ethnischen Hetze manipulieren zu lassen. Aber je mehr Menschen fliehen, desto folgenloser werden solche Initiativen bleiben.
Der Schulunterricht fällt im Übrigen nicht nur in den Kriegsgebieten aus. Landesweit streiken die Lehrer, weil ihre Gehälter dieses Jahr von umgerechnet 75 auf unter 60 Euro im Monat sinken. Dies ist eine perverse Folge des Regierungsbeschlusses, Lehrergehälter selbst zu zahlen statt das den Schulen zu überlassen wie bisher. Zugleich aber müssen die Eltern die Schulgebühren weiter zahlen - rund 20 Dollar pro Kind, fällig in diesen schweren Tagen. Wenn dann Kongos Bildungsminister im Fernsehen behauptet, er habe die Gebühren abgeschafft, steigert das nicht gerade das Vertrauen der Menschen in den Staat. Der Krieg macht ihnen Angst. Der Schulstreit regt sie auf.