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4.6.2010 taz Nr. 9204 Ausland 112 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 10
Floribert Chebeya, der bekannteste Menschenrechtler der Demokratischen Republik Kongo, wird tot aufgefunden. Zuvor war er in Kinshasa einer Polizeivorladung gefolgt
VON DOMINIC JOHNSON
Der bekannteste Vorkämpfer für die Menschenrechte in der Demokratischen Republik Kongo ist tot. Floribert Chebeya, Präsident der Menschenrechtsorganisation "Voix de Sans-Voix" (VSV), wurde nach Polizeiangaben am Mittwoch leblos in seinem Auto am Rand der Hauptstadt Kinshasa gefunden. Freunde Chebeyas gehen davon aus, dass er erschossen wurde, möglicherweise von der Polizei, und verlangen eine unabhängige Untersuchung.
Mit Chebeya verliert die Demokratische Republik Kongo eine der wenigen Stimmen, die beharrlich auf staatliche Gewalt und Missachtung der Menschenrechte aufmerksam machen und dabei ihre Unabhängigkeit wahren. Seit nahezu 20 Jahren geißelt VSV aus ihrem Büro in Kinshasas Stadtteil Kintambo regelmäßig politische Morde und Verfolgung von Regierungsgegnern im Kongo. Chebeyas Tod sei "ein enormer Verlust für das kongolesische Volk", sagte Amigo Ngonde, Präsident des Afrikanischen Menschenrechtsverbandes (Asadho) in Kinshasa, der taz.
Wie Amigo Ngonde im Einklang mit anderen Quellen berichtet, folgte Chebeya am Dienstagabend einer Vorladung von Kongos Polizeichef, Generalinspektor John Numbi. Er hielt, wie immer bei heiklen Terminen, ständig Kontakt zu seiner Frau. Per SMS teilte er ihr gegen 19 Uhr mit, General Numbi habe nun doch keine Zeit und er fahre wieder nach Hause. Eine halbe Stunde später erhielt Chebeyas Frau eine zweite SMS, wonach er noch bei der Universität vorbeifahren wolle. Dies war Chebeyas letztes Lebenszeichen. Die Echtheit der zweiten SMS wird von Ngonde bezweifelt, da Chebeya sie nicht wie üblich mit seinem Namen unterzeichnet habe. Am Mittwochmorgen schlug VSV Alarm. Am Nachmittag bestätigte Polizeigeneral Jean de Dieu Oleko den Tod Chebeyas. Das Auto sei am Morgen gefunden worden, Chebeyas Körper "leblos auf dem Rücksitz des Wagens, offenbar ohne sichtbare Zeichen von Gewalteinwirkung". Der Fahrer sei verschwunden. Eine Untersuchung sei eingeleitet worden. Kongos Regierung erklärte, sie bedauere Chebeyas Tod.
Seine Leiche allerdings hält die Polizei zurück. Chebeyas Kollegen durften zwar zur Leichenhalle des städtischen Krankenhauses, dort aber verwehrten Polizisten ihnen den Zutritt. "Die Polizisten betrachten die Leiche als ihr Privateigentum", sagte ein Menschenrechtsaktivist. Genauere Angaben über Ursache und Hergang von Chebeyas Tod waren daher nicht möglich.
Der 47-Jährige wurde schon oft bedroht. Zuletzt verbrachte er im März 2009 knapp eine Woche in Haft. Heute ist die Stimmung in Kinshasa auch wieder angespannt, seit Rebellen vor zwei Monaten kurz die Provinzhauptstadt Mbandaka 500 Kilometer flussaufwärts von Kinshasa besetzten. Auch vor den pompösen Feiern zum 50. Jahrestag der kongolesischen Unabhängigkeit am 30. Juni wolle der Staat kritische Stimmen mundtot machen, heißt es. Am 11. Mai schossen Soldaten in Kinshasa auf einen kirchlichen Protestmarsch, es gab einen Toten und VSV sprach von "blutiger Repression". Zuletzt soll sich Floribert Chebeya mit inhumanen Haftbedingungen in Kinshasas Gefängnissen beschäftigt haben.