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12.10.2012 taz Nr. 9928 Ausland 142 Zeilen, FRANÇOIS MISSER S. 11
In Kongos Hauptstadt Kinshasa treffen sich die frankophonen Staaten der Welt. Trotz massiver Kritik kommt auch Frankreichs Präsident Hollande. Er wiederum kritisiert seine Gastgeber
VON FRANÇOIS MISSER
BRÜSSEL taz | Wer vom neuen französischen Präsidenten Francois Hollande eine neue französische Afrikapolitik erhofft hätte, dürfte jetzt enttäuscht sein. Hollande kommt zum Gipfel der Internationalen Organisation der Frankophonie (OIF) vom 12. bis 14. Oktober in Kongos Hauptstadt Kinshasa – trotz Kritik kongolesischer und französischer Menschenrechtler. Denn aus Sicht der kongolesischen Opposition war die Wiederwahl des Präsidenten Joseph Kabila im November 2011 gefälscht. Dass jetzt die größte Gipfelgala in Kinshasa seit Jahrzehnten stattfindet, kritisieren Oppositionelle als falsches Signal.
Es gibt viele Gründe, die Regierung Kabila nicht zu beehren. Noch immer ist die Ermordung des bekannten Menschenrechtlers Floribert Chebeya durch Polizisten im Jahr 2010 nicht restlos aufgeklärt. Seit drei Monaten ist der Führer der oppositionellen Christdemokraten, Eugène Diomi Ndongala, verschwunden. Im September floh ein anderer Oppositionsführer, Roger Lumbala, nach Frankeich. Der ostkongolesische Oppositionsabgeordnete Dieudonné Bakungu Mitondeke sitzt ohne Aufhebung seiner Immunität in Kinshasa in Haft. Seit September sitzen drei Aktivisten der größten Oppositionspartei UDPS (Union für Demokratie und Sozialen Fortschritt), dessen Führer Etienne Tshisekedi sich für den wahren Sieger der Wahl von 2011 hält, in einem Verlies der Luftwaffe am Flughafen von Kinshasa. Im Ostkongo sind Teile der Armee im Aufstand.
Frankreichs Ministerin für Frankophonie, Yamina Benguigui, erhielt im Sommer von Kongos Präsident Kabila die Zusage, die Menschenrechtslage zu verbessern und die umstrittene Wahlkommission zu reformieren. Aber nun beginnt der Gipfel, ohne dass in diesen Bereichen Fortschritte zu erkennen sind.
Warum reist Hollande also? Seine Abwesenheit wäre ein „Affront“, sagt Benguigui – gegen die Präsidenten von Kamerun und Gabun, zwei Säulen des „Francafrique“. Die Demokratische Republik Kongo soll gedroht haben, aus der OIF auszutreten, sollte der Gipfel verlegt werden. Und drei französische Multis haben Lobbyarbeit gemacht: das Nuklearunternehmen Areva, das einen Exklusivvertrag zur Uranprospektion im Kongo unterzeichnet hat; die Telefonfirma Orange, die die Lizenz des Mobilfunkanbieters Congo-Chine erworben hat; und die Ölfirma Total, die einen Prospektionsblock im ostkongolesischen Virunga-Nationalpark hält. Totals Geschäftsführer Christophe de Margerie und sein Sicherheitschef Jérôme Ferrier waren auf der Botschafterkonferenz in Paris Ende August, bei der Hollande seine Gipfelteilnahme ankündigte.
Die kongolesische Organisation „Convergence pour l’émergence du Congo“ reichte daraufhin gegen die OIF Klage in Frankreich ein. Es gehe, sagt der Anwalt der Gruppe, Norbert Tricaud, um die Nichteinhaltung der OIF-Grundsätze: Die „Erklärung von Bamako“ aus dem Jahr 2000 hält fest, dass die OIF keine Veranstaltungen in Ländern abhält, in denen demokratische Grundsätze verletzt werden. So wurde der Frankophonie-Gipfel von 2009 aus Madagaskar wegen eines Militärputsches dort in die Schweiz verlegt. Aber die Klage jetzt wurde nicht angenommen.
Die Stimmung in Kinshasa ist angespannt. Kabilas Präsidialgarde ist massiv auf den Straßen präsent. Die UDPS ruft unter dem Motto „Ngonga Ebeti!“ (Jetzt oder nie) zu Protesten auf. Hollande selbst wird angeblich aus Sicherheitsgründen gar nicht in Kinshasa übernachten. Aber er soll am Samstag in der französischen Botschaft UDPS-Führer Etienne Tshisekedi treffen. Dessen Anhänger möchten ihn mit einem Großaufmarsch zum Botschaftsgebäude „begleiten“.
Im Vorfeld kam Hollande seinen Kritikern entgegen. Am Dienstag sagte er, die Lage im Kongo sei „komplett inakzeptabel, was Menschenrechte, Demokratie und die Anerkennung der Opposition angeht“. Das wiederum ärgert Kongos Regierung.
Unterwegs macht Hollande in Senegal Station. 2007 hatte dort sein Vorgänger Nicolas Sarkozy in einer Rede für Empörung gesorgt mit dem Satz, der „afrikanische Mensch“ sei „noch nicht in die Geschichte eingetreten“. Zumindest hier dürfte Hollande neue Akzente setzen.