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21.03.2016, Dominic Johnson
Der Internationale Strafgerichtshof sieht den Kongolesen verantwortlich für Morde und Vergewaltigungen, die seine Soldaten in Zentralafrika begingen.
BERLIN taz | Von den Verbrechen, die Richterin Sylvia Steiner auflistet, ist eines grausiger als das andere. Äußerlich ungerührt liest die Vorsitzende der Dritten Verfahrenskammer am Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag am Montagnachmittag vom Blatt, was Soldaten der „Kongolesischen Befreiungsbewegung“ (MLC) vor über dreizehn Jahren in der Zentralafrikanischen Republik angerichtet haben.
Zeugin P79 wurde von einem Soldaten mit vorgehaltenem Gewehr festgehalten, während zwei andere sie vergewaltigten und ein anderer sich über ihre Tochter hermachte, wobei weitere Kinder zuschauen mussten. Ein Opfer hatte gleich zwölf Vergewaltiger hintereinander. Als Zeuge P69 sich der Plünderung seines Hauses in Bangui widersetzte, nahmen die MLC-Soldaten seine Schwester und schossen ihr in den Kopf.
Knapp fünf Monate lang waren Truppen der MLC in den Jahren 2002 und 2003 in der Zentralafrikanischen Republik im Einsatz. Sie sollten der Regierung gegen rebellierende Soldaten helfen, aber sie erklärten die Zentralafrikanische Republik zum Selbstbedienungsladen. MLC-Führer Jean-Pierre Bemba wusste Bescheid und verhinderte das nicht.
„Die MLC-Täter nahmen sich die Zivilbevölkerung zum Ziel, um sich selbst für unzureichende Bezahlung und Rationen der MLC zu entschädigen“, so die Richterin. Die Zivilisten waren „primäres Objekt“ ihrer Angriffe. Es gab dafür keine formalisierte Politik, aber „das Versagen der MLC, dagegen einzuschreiten, ermutigte die Angriffe“.
Damit seien die Straftatbestände von Mord und Vergewaltigung als Verbrechen gegen die Menschlichkeit – das sind laut Rom-Statut des Internationalen Strafgerichtshofs Straftaten im Rahmen eines „ausgedehnten oder systematischen Angriffs auf eine Zivilbevölkerung“ – erfüllt. Ebenso Mord und Vergewaltigung sowie Plünderung als Kriegsverbrechen.
Bemba ist als „militärischer Befehlshaber“ dieser Verbrechen schuldig, sagt die Richterin. Der 53-jährige Kongolese hört diesem Urteil, das er in französischer Simultanübersetzung durch Kopfhörer wahrnimmt, genauso äußerlich unbewegt zu, wie es die 63-jährige Brasilianerin auf Englisch verkündet.
„Herr Bemba handelte effektiv als militärischer Befehlshaber, er hatte effektive Autorität und Kontrolle über die MLC-Streitkräfte, die die Verbrechen begangen“, so die Richterin. Die Linie der Verteidigung, laut der die MLC-Truppen dem zentralafrikanischen Präsidenten Ange-Félix Patassé unterstanden hätten – dieser stand nicht vor Gericht und ist inzwischen tot – ließ das Gericht nicht gelten. Befehle und Berichte seien per Satellitentelefon und Funksprüche zwischen der MLC-Hauptstadt Gbadolite im Kongo und der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui hin- und hergegangen. Geplünderte Güter aus Bangui kamen in den kongolesischen Urwald.
Bembas Reaktion auf Berichte über Übergriffe habe sich auf „allgemeine öffentliche Aufrufe“ beschränkt, zwei Untersuchungen von Plünderungen, einen Militärprozess gegen sieben einfache Soldaten wegen Plünderung; eine weitere Untersuchung blieb ohne Folgen.
Bemba, so das Urteil, hatte die im deutschen Recht „Tatverhinderungsmacht“ genannte Möglichkeit, seine Untergebenen an Verbrechen zu hindern. Er hätte echte Untersuchungen anstellen und beschuldigte Soldaten abziehen können. Er hätte den Soldaten klare Befehle erteilen können, sich von Zivilisten fernzuhalten. Dass Bemba all das nicht tat, „trug direkt dazu bei, dass Verbrechen verübt wurden“, so die Richterin am Ende.
Das Urteil erging einstimmig. Es ist ein schwerer Schlag für die mehreren hundert Kongolesen, die nach Den Haag gekommen sind, um Bemba zu feiern. Viele Oppositionelle im Kongo hatten gehofft, ihren Helden als freien Mann begrüßen und als Heilsbringer nach Hause mitnehmen zu können. Nun droht ihm eine lange Haftstrafe. Das Strafmaß wird zu einem späteren Zeitpunkt verkündet.