archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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Anfang der Woche (14. 8. 2000) haben sich alle Augen nach Lusaka gewandt, wo sich die Staatspräsidenten der am "Kongo-Krieg" beteiligten Länder sowie die Vertreter der bewaffneten Opposition zusammengefunden haben, um den Friedensprozeß in der Demokratischen Republik Kongo zum x-ten Mal neu zu beleben.
Die Einberufung dieses Treffens wurde erforderlich, nachdem die Zusammenkunft der SADC-Länder (Entwicklungsgemeinschaft im südlichen Afrika) der letzten Woche (7. - 8. 8. 2000) in Windhuk (Namibia), bei der die "Kongo-Krise" das Hauptthema war, ohne Beteiligung von Präsident Kabila stattfand.
In einem lakonischen am Ende des Treffens am Dienstag, den 15. 8. 2000, in Lusaka publizierten Kommuniqué wurde der Wille aller Beteiligten zur "Aufrechterhaltung der Waffenruhe" bekräftigt und Präsident Kabila ermahnt, "Flexibilität gegenüber dem Friedensprozeß im Kongo" zu zeigen, mit der "UNO-Mission im Kongo (MONUC) zusammenzuarbeiten" und seine Entscheidung betreffend die "Ablehnung Ket Masires als Vermittler beim innerkongolesischen Dialog neu zu überdenken".
Im Klartext heißt das, die Verhandlungen sind nach 18stündigen Gesprächen gescheitert. Eine Frau, die anonym bleiben wollte, meint, wie Associatet Press aus Lusaka meldet, "das Treffen war nur ein Schauspiel".
Der einzige positive Punkt, wenn man in diesem Zusammenhang überhaupt von einem "positiven Punkt" sprechen kann, ist die auf Initiative des südafrikanischen Staatspräsidenten, Thabo Mbeki, erzwungene "Aufrechterhaltung der Waffenruhe". Aber diese "Waffenruhe" bleibt wackelig. Die MONUC meldet immer wieder die Wiederaufnahme der Kampfhandlungen an allen Fronten, insbesondere in der Äquator-Provinz, wo einige Städte von den Regierungsstreitkräften bombardiert werden. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die Tatsache, daß Präsident Kabila zum ersten Mal seit Beginn des "2. Befreiungskrieges" an einem Tisch mit Ilunga von der RCD-Goma und Bemba von der MLC in Anwesenheit ihrer Unterstützer aus Ruanda und Uganda gesessen hat. Vielleicht werden wir in Zukunft mehr über den Inhalt dieses "Tête-à-tête" erfahren!
Seit Monaten verlangt die Regierung in Kinshasa die Ablösung des von der OAU im Einklang mit dem Abkommen von Lusaka (Juli 1999) nominierten und von allen Kriegsparteien akzeptierten Vermittlers, Ket Masire. Indes lehnt sie kategorisch die Stationierung der UNO-Truppen in den von ihr kontrollierten Territorien ab. Und dies sind in der Tat die Punkte, die zum Scheitern des "Treffens der letzten Chance", so nennt die Presse in Kinshasa das letzte Treffen in Lusaka, geführt haben.
Zur Erinnerung: Das im Juli 1999 in Lusaka (Hauptstadt Sambias) abgeschlossene Abkommen zum Frieden in der Demokratischen Republik Kongo wurde bisher von den Konfliktparteien nur partiell eingehalten. Hier und da wurde immer wieder dessen Verletzung von den beiden Seiten gemeldet. Die Folgen davon sind bekannt: über 1 Million Tote, massive Zunahme der Flüchtlinge, Entmenschlichung der Lebensumstände der Bevölkerung - in den Gebieten, wo Kämpfe stattfinden, aber auch im gesamten Land -, und fortlaufende Zerstörung der übriggebliebenen Infrastrukturen.
Das Kabila-Regime ist seit seiner Machtübernahme vor über 3 Jahren durch Improvisation und Dilettantismus gekennzeichnet. Der von der Regierung in Kinshasa initiierte und nicht zustande gekommene nationale Dialog, die ohne konkrete Ergebnisse gebliebenen nationalen Konsultationen und die per Dekret ernannte Verfassungs- und Gesetzgebende Versammlung, deren Eröffnung schon zweimal verschoben wurde, sprechen für sich. Man kann ein Land nicht mittels improvisierter und dilettantischer Entscheidungen regieren - vor allem, wenn es sich um ein Land handelt wie die Demokratische Republik Kongo, deren Ökonomie über 3 Jahrzehnte durch eine korrupte Oligarchie skrupellos malträtiert wurde. Dies hat einen Beobachter der kongolesischen Szene zu der Aussage veranlaßt, daß Präsident Kabila innerhalb 3 Jahren dem Kongo mehr Schaden zugefügt habe als Mobutu in 32 Jahren. Obwohl wir diese Meinung nicht teilen, befindet sich die Wirklichkeit wahrscheinlich in der Mitte...
Die hartnäckige Haltung von Präsident Kabila, die zum Scheitern der Konferenz vom letzten Montag in Lusaka geführt hat, ist Wasser auf die Mühlen der Kritik der internationalen Gemeinschaft, die dem kongolesischen Staatspräsidenten vorwirft, die Friedensbemühungen im Kongo zu torpedieren und das Abkommen von Lusaka zu untergraben.
Was wird nun nach diesem Scheitern? Zwei Szenerien lassen sich ins Auge fassen: Entweder die Kämpfe werden trotz der wackeligen "Waffenruhe" und der Tatsache, daß keine der Parteien gewinnen kann, flächenhaft zunehmen. Dies bedeutet: die gesamte Region der Großen Seen in Afrika in Brand zu setzen. Oder Präsident Kabila revidiert seine Position und läßt die Vereinbarungen (d.h den interkongolesischen Dialog unter Vermittlung von Ket Masire und die gesicherte Stationierung der MONUC) gemäß der vom Abkommen von Lusaka festgelegten Agenda ablaufen. Die Zeit ist knapp, denn Ende dieses Monats wird der Sicherheitsrat der UNO zusammentreffen, um über das Schicksal der MONUC im Kongo zu entscheiden. Bleibt es beim Status quo, so besteht die Gefahr, daß die UNO zum ersten Mal in ihrer Geschichte einen Einsatz abbricht, bevor er begonnen hat. In diesem Fall: "Bonjour, le chaos...".
Unsere Hoffnung bleibt, daß sich Präsident Kabila rechtzeitig zusammenreißt und in Zusammenarbeit mit anderen kongolesischen politischen Akteuren dem kongolesischen Volk eine Alternative zum Krieg und zur Sprache der Waffen vorlegt. Eine Alternative, die zur nationalen Versöhnung und zu einer neuen politischen Ordnung führt, die den Erwartungen der Bevölkerung hinsichtlich der Freiheit, der Demokratie und des Wiederaufbaus des Landes entspricht.
Berlin, 17.8.2000