archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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Die seit Juli 2000 mit Spannung erwartete Regierungsumbildung in der Demokratischen Republik Kongo hat sich als mediale Seifenblase erwiesen. Die Bekanntgabe der Liste der Regierungsmitglieder hat die Bevölkerung, die auf eine Verbesserung der allgemeinen Situation im Land gehofft hatte, aus vielerlei Gründen enttäuscht.
Aus der immer wieder in Erwägung gezogenen Einführung des Postens eines Premierministers - besetzt von einem der nahen Umgebung des Staatspräsidenten nicht angehörenden Politiker, der als Regierungskoordinator zur Entlastung des Staatschefs fungieren sollte -, ist nichts geworden. Unter denjenigen, die als Inhaber dieses Postens vorgesehen waren, wurde nur der letzte Premierminister Mobutus, Herr Likulia Bolongo, zum "Staatsvermögens"-Minister (Ministre de Portefeuilles) ernannt.
Die Abschaffung der "Ministre d'Etat"-Funktion - nicht zu verwechseln mit dem Posten eines Staatsministers in der Bundesrepublik Deutschland - ist auf der Strecke geblieben, obwohl die Inhaber dieser Posten in der kongolesischen Regierung bis jetzt durch Untätigkeit und Improvisation brilliert haben.
Der in Belgien unter Anklage stehende Außenminister, Herr Abdoulaye Yerodia Ndombasi, fordert seit einigen Monaten die Revision des Abkommens von Lusaka mit der Begründung, daß dieses eine Benachteiligung der kongolesischen Regierung zu Gunsten der bewaffneten Opposition darstellt. Zur Erinnerung: der kongolesische "Ministre d'Etat", zuständig für Außenpolitik und internationale Beziehungen, war Leiter der kongolesischen Delegation zur Verhandlung des Abkommens von Lusaka. In dieser Eigenschaft hat er das Abkommen von Lusaka paraphiert. Ist es nicht erstaunlich und dilletantisch, daß er ein Jahr später dieses Abkommen mit der oben genannten Begründung ablehnt? Im Klartext hat sich Herr Yerodia dadurch als unfähig erwiesen. Anderswo ist die Antwort darauf die Entlassung bzw. der Rücktritt des Verantwortlichen, sprich des "Ministre d'Etat", Herrn Abdoulaye Yerodia Ndombasi. Der Name seines Kabinettskollegen, Herrn Victor Mpoyo, "Ministre d'Etat", zuständig für Erdöl, wurde in den letzten Monaten im Zusammenhang mit verschiedenen dunklen Geschäften genannt. Zu diesen zählen der künstlich erzeugte Mangel an Öl und Benzin in Kinshasa und das Verschwinden von Erdöl im Wert von 6 Millionen US $ für die Zentralafrikanische Republik, das im Transitverkehr über den Hafen von Matadi transportiert werden sollte. Er wurde sogar zweimal von der Staatssicherheit vorübergehend festgenommen und diesbezüglich verhört. Seine Mitarbeiter, darunter der Kanzleichef, sind in diesem Zusammenhang noch immer in Haft. Seine Freiheit und sein politisches Überleben verdankt er dem Staatspräsidenten, mit dem er seit Jahren politisch liiert ist. Der dritte "Ministre d'Etat", zuständig für das Innere, Herr Gaëtan Kakudji, stellt den manifesten Ausdruck des Nepotismus dar. Er ist der Cousin des Staatspräsidenten. Dies erklärt seine ununterbrochene Präsenz in der Regierung. Denn: die Bilanz seiner Aktion als Leiter des Innenressorts ist gleich null.
Das Vorhergehende gilt bis auf einige Ausnahmen - z.B. im Falle des Ministers für Menschenrechte - für alle Mitglieder der Regierung, die in ihrer vorherigen Position bestätigt oder in eine neue berufen wurden.
Als Gipfel der Ironie erweist sich die Ernennung von Herrn Sakombi Inongo zum Kommunikationsminister, also Informationsminister. Erfinder des Konzepts "Mobutismus" galt Sakombi zur Zeit Mobutus aufgrund seiner demagogischen politischen Agitationen als "zaïrischer Göbbels...". Die Präsenz Sakombis neben Kabila, vorher als Sonderberater für die Öffentlichkeitsarbeit und jetzt als Regierungssprecher, bestätigt die vielerorts geäußerte Meinung, daß Kabila die Politik Mobutus fortsetzt.
Daß die jetzige Regierung, die sich aufgrund ihrer Morphologie kaum von der vorhergehenden unterscheidet, zum Scheitern verurteilt ist, braucht nicht besonders erwähnt zu werden. Die sozioökonomische Lage der Bevölkerung wird sich kaum verbessern. Die Staatskasse bleibt leer, da die Kriegswirtschaft die ohnehin wenigen Einnahmen beansprucht. Zudem stellt die von Präsident Kabila berufene neue Regierung ein Hindernis für die Umsetztung des Abkommens von Lusaka dar, das einen interkongolesischen Dialog vorsieht, mit dem Ziel zu einer neuen politischen Ordnung in der Demokratischen Republik Kongo zu kommen, d.h. die Bildung einer aus dem Präsidenten nahestehenden Politikern, Mitgliedern der bewaffneten und nichtbewaffneten Opposition, sowie Mitgliedern der Zivilgesellschaft bestehenden Übergangsregierung, die zu freien, transparenten und demokratischen Wahlen führt.
Immer dringender stellt sich die Frage, ob Kabila sich nicht zu Tode regiert. Solange die bewaffnete und die unbewaffnete Opposition sowie die Zivilgesellschaft nicht am Regieren beteiligt sind, wird sich der Frieden immer weiter entfernen.
Wie wir in einer unserer vorherigen Meinungsseiten geschrieben hatten: "Die einzige Stetigkeit der Geschichte ist der Wandel, und die Ereignisse in ihrer Turbulenz bestehen immer aus beweglichen Szenen". Diese Erinnerung erweist sich als dringlicher und aktueller denn je.
Berlin, 4.9.2000