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Laurent Désiré Kabila, Präsident der DRKongo, ist am 17.1.2001, auf den Tag genau 40 Jahre nach der Ermordung Lumumbas, den Verletzungen erlegen, die er am Vortag bei einem Attentat erlitten hat.
Einigen Quellen zufolge wurde Präs. Kabila von einem seiner Leibwächter getötet, während andere den Vizeminister für Verteidigung, den er vor einigen Tagen entlassen hatte, als Attentäter nennen. Anwesend soll außerdem die gesamte Armeeführung gewesen sein, aus deren Reihen einige Mitglieder entlassen werden sollten. Handelt es sich hier um eine Palastrevolution? Dies ist die Frage, auf die die nächsten Tage eine Antwort bringen werden.
Ein in der Wochenzeitung "Die Zeit" (v. 28.3.1997) publiziertes Interview beendete Präs. Kabila mit der folgenden Bemerkung: "Details über mein Privatleben tragen nichts zur Befreiung meines Volkes bei". Dies werden wir berücksichtigen. Insbesondere deshalb, weil seit dem Sturz Mobutus und der Machtübernahme durch die AFDL in Bezug auf die Person Präs. Kabilas zu beobachten ist, daß Stammesklischees zu oft an die Stelle der Reflexion treten, als ob beispielsweise die möglichst häufige Erwähnung der 1965 von Ché Guevara geäußerte Meinung über Präs. Kabila den Anschein verleihen könnte, gut informiert zu sein. Daß die Verlockung des "Sensationellen" hier eine große Rolle spielt, braucht nicht besonders erwähnt zu werden.
Geboren wurde Laurent-Désiré Kabila am 27.11.1939 im Norden der Provinz Süd-Katanga, in der Hafenstadt Moba (am Tanganjikasee). In den 50er Jahren wurde er Mitglied der Jugendorganisation der Partei Balubakat, einer Lumumba nahestehenden Partei, die für die Interessen des Balubavolkes von Katanga ("mo" für den Singular, "ba" für den Plural) eintrat.
Kurz nach der Entlassung Kongos in die Unabhängigkeit erklärte sich die Provinz Katanga unter Moïse Tshombe unabhängig - unterstützt vom Westen, der darin ein Bollwerk gegen den irrtümlicherweise als Kommunisten geltenden und bald ermordeten Premierminister Lumumba sah. Es erfolgte ein Aufstand der Balubakat gegen Tshombe, ein Aufstand, an dem L.-D. Kabila als "Militärführer" teilnahm. Das Vorbild L.-D. Kabilas war damals der kongolesische Nationalist Lumumba, der nach seiner Ermordung 1961 zum Märtyrer und revolutionären Mythos wurde.
L.-D. Kabila war wieder mit von der Partie, als Pierre Mulele, Lumumba-Anhänger und Bildungsminister im ephemerischen Kabinett Lumumbas, einen neuen Aufstand in der Provinz Bandundu anzettelte. Vom Nationalen Befreiungsrat (Conseil National de la Libération), geführt von Christophe Gbenye (Stellvertretende Vorsitzender der Partei Lumumbas, MNC), bekam L.-D. Kabila den Auftrag, die ost-kongolesischen Bevölkerungen im Süden der heutigen Provinz Süd-Kivu und im Nordosten Katangas zum Aufstand anzustacheln.
In seiner Eigenschaft als Führer der Süd-Kivu- und Nordost-Katanga-Front bot der Lumumbist L.-D. Kabila 1965 einem anderen legendären Revolutionär ein dreiviertel Jahr lang Unterschlupf. Wir meinen: Ernesto Ché Guevara. Ché versuchte, die bereits zusammenbrechende kongolesische Revolution zu restabilisieren, um somit an der nach Ansicht Guevaras wichtigsten Front des trikontinentalen, antiimperialistischen Kampfes wieder in die Offensive zu gelangen und damit auch die vietnamesische und lateinamerikanische Guerilla zu entlasten bzw. zu unterstützen.
Wie wir oben erwähnt haben, berichten einige Quellen darüber, daß diese Begegnung mit L-.D. Kabila bei Ché Guevara geringen Eindruck hinterlassen hatte. An einigen Stellen ist sogar die Rede von der Bemerkung Chés, derzufolge L.-D. Kabila ein Lebemann, aber kein Revolutionär sei. Zu seiner Ehrenrettung gegenüber dieser Darstellung muß hinzugefügt werden, daß L.-D. Kabila einer der wenigen war, die nach dem Ende der kongolesischen "Revolution" und dem Abzug ihrer ausländischen Unterstützung, sich nicht von Kinshasa kaufen ließen. In diesem Sinne setzte seine 1967 gegründete Partei - Parti de la Révolution Populaire (PRP) - den Kampf gegen das zaïrische Kleptokraten-Regime noch bis in die 80er Jahre fort, und zwar ziemlich genau in dem Gebiet, in dem sich auch die Kubaner aufgehalten hatten (Süd-Kivu und Nord-Katanga).
Es hat sich gezeigt, daß Organisationen bestrebt sind, sich gemäß unveränderten Normen und Schemata zu entwickeln. Wenn aber die von ihnen verfolgten Ziele den inneren Umweltkraftlinien nicht mehr entsprechen, werden sie vor eine Alternative gestellt: entweder ihre Optionen zu bewahren und sich von da an binnen einer mehr oder weniger kurzen Zeit aufzulösen oder eine Selbstkritik vorzunehmen und sich für notwendige Veränderungen zu öffnen - wohlgemerkt: Veränderungen, die es ihnen ermöglichen, sich den neuen Gegebenheiten anzupassen.
Der zweiten Möglichkeit folgend, unternahm L.-D. Kabila nach der Gründung der PRP, die auch über einen bewaffneten Arm verfügte (FAP), eine Autokritik, die in "sieben Irrtümer der vorherigen Aufstandsversuche" zusammengefaßt wurden: mangelnde politische Bildung, übermäßige Abhängigkeit vom Ausland, Vernachlässigung der Bauern, Tribalismus, Mangel an Disziplin und Selbstverleugnung, fehlende Zusammenarbeit zwischen Kämpfern und Volk, Fehlen einer revolutionären Partei.
Nach einer Niederlage gegenüber der zaïrischen Armee 1977 sah sich die Partei L.-D. Kabilas gezwungen, ihre Taktik zu ändern. So baute sie zur Tarnung die sogenannten "Konstellationen", also normale Häuser, und rief eine Art Mini-Staat aus Kollektivfarmen mit Gesundheitsstationen und Schulen und einer Hauptstadt namens "Hewa Bora (befreites Land)" aus. Finanzielle Probleme kannte die PRP nicht: das befreite Gebiet besaß Gold, Diamanten und Kaffee im Überfluß. Das Überleben sicherten der Handel dieser Rohstoffe mit dem Rest der Welt und die Subsistenzwirtschaft.
1984 eroberte die PRP die Stadt Moba am Tanganjikasee, die kurze Zeit später von den Truppen Mobutus zurückerobert wurde. Ein erneuter Versuch zur Besetzung Mobas im Jahre 1985 schlug fehl. Dieser Erfolg der zaïrischen Armee veranlaßte Mobutu zum Erlaß einer Amnestie, die dazu führte, daß die PRP einige ihrer Mitglieder, aber auch die Unterstützung durch das Ausland verlor. L.-D. Kabila verließ vorerst Zaïre und seine Spur verlor sich bis Oktober 1996, als er, von seinen politischen Freunden in Kampala (Uganda) und Kigali (Ruanda) auf Vorschlag der Amerikaner unterstützt, an die Spitze der neugegründeten "Alliance des Forces Démocratiques pour la Libération du Congo (AFDL)" trat.
Die AFDL, gegründet am 18.10. 1996 durch 4 politische Parteien, war ein Zweckbündnis zwischen verschiedenen Gegnern Mobutus, dessen unmittelbare Entstehung zurückging auf "den bewaffneten Aufstand der Banyamulenge-Tutsi in Süd-Kivu gegen das zaïrische Regime, das sie als Ausländer betrachtete und ab Sommer 96 aus dem Land jagen wollte - genauso wie in den Jahren davor Banyamasisi-Tutsi in Nord-Kivu Opfer der Vertreibungen nach Ruanda geworden waren" (TAZ vom 9.4.1997). Denn die AFDL und ihre Führer hatten nie daran geglaubt, daß sich eine Diktatur freiwillig in eine Demokratie wandele. Damit erklärt sich die Nicht-Teilnahme L.-D. Kabilas an der zwischen 1991 und 1992 in Kinshasa stattgefundenen Nationalkonferenz zur Einleitung eines demokratischen Systems in Zaïre.
Nach einem achtmonatigen Triumphzug durch das Land setzte die AFDL am 16.5.1997 dem diktatorischen Regime Mobutus ein Ende. Das Land bekam den Namen Demokratische Republik Kongo zurück, und am 17. 5. 1997 autoproklamierte sich L.-D. Kabila zum Präsidenten.
Präs. Kabila, der bei seinem Einzug in Kinshasa als Retter und Befreier gefeiert wurde, verspielte durch eine Politik, die sich durch Improvisation und Dilettantismus auszeichnete - seine Popularität. Ein Jahr nach der Machtübernahme verbot er die politischen Parteien und jegliche politische Betätigung mit der Folge der Blockierung des durch die Souveräne Nationalkonferenz eingeleiteten Demokratisierungsprozesses. Am 2.8.1998 brach, nachdem Präs. Kabila die Vereinbarungen mit seinen ehemaligen Alliierten, Ruanda und Uganda, aufgekündigt hatte, im Osten des Landes eine bewaffnete Rebellion aus, die sich bis in den Norden ausbreitete. Während diese Rebellion von Ruanda und Uganda unterstützt wird, stehen dem Regime in Kinshasa Angola, Simbabwe und Namibia militärisch zur Seite. Seitdem ist die DRKongo in 4 Machtzentren geteilt (siehe auch unter "Karten"). Das im Juli und August 1999 unterzeichnete Friedensabkommen von Lusaka ist aufgrund des fehlenden Willens der Konfliktparteien und wegen des mangelnden Interesses der internationalen Gemeinschaft bis heute unumgesetzt geblieben. Die Verschlechterung der sozio-ökonomischen Situation der Bevölkerung nimmt stetig zu. Chaos, galoppierende Inflation, Auflösung des Staates, Korruption, illegale Bereicherung, Nepotismus und willkürliche Verhaftungen der Oppositionellen sind die Bilanz der über dreijährigen Politik Präs. Kabilas. Dies alles könnte zur Erklärung der letzten Ereignisse in Kinshasa beitragen.
Es stellt sich in Anbetracht des Vorhergehenden die Frage nach der Zukunft der Demokratischen Republik Kongo. Denn die Ermordung Präs. Kabilas könnte die fremden Truppen zwecks verstärkter illegaler Ausbeutung der Ressourcen Kongos ermutigen, weiter im Land zu bleiben. Was die geopolitischen Bestrebungen Ugandas und Ruandas, sprich "Balkanisierung" Kongos, anbetrifft, sind einige Beobachter der Meinung, daß das kongolesische Volk dies nicht zulassen wird. Dies ist die Hoffnung für das Land. Aber vorher müssen die kongolesischen Politiker ihre macht- und parteipolitischen Querelen überwinden und sich gemeinsam und konkret der Lösung der Krise im Land widmen.
Berlin, den 17.01.2001