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Der unter den allseits bekannten Bedingungen designierte kongolesische Staatspräsident, Joseph Kabila, hat kurz nach seiner Vereidigung sein Programm dargelegt. Das, was sofort auffällt, ist die Aufgeblasenheit des Stils seiner Ansprache. Präs. Kabila unterbreitet bestimmte Projekte und schneidet diverse Probleme an, ohne genau zu erläutern, wie er die in seiner Rede aufgeworfenen politischen Vorgaben in die Praxis umsetzten will.
Das, was nicht in der Presse kommentiert wurde, aber auf den ersten Blick verwirrt, ist die Gedächtnisschwäche und die Leichtgläubigkeit, die er dem kongolesischen Volk - zugleich Zeuge und Opfer einer bestimmten Politik, die die Herrschaft des ermordeten Präsidenten charakterisiert -, zuschreibt. Wir beziehen uns hier auf den Teil seiner Antrittsrede, in der die Rede von dem Willen des ermordeten Präsidenten ist, "die Mitglieder seiner Familie nicht an den Regierungsgeschäften zu beteiligen". An dieser Stelle ist an einen Minister, sogar einen Staatsminister, zu erinnern, der aus seiner Verwandtschaft mit dem erschossenen Präsidenten kein Geheimnis macht, um seine Präsenz neben ihm deutlich zu machen und seine Rolle in der sogenannten "Regierung der öffentlichen Rettung" der des Nordamerikaners Bob Kennedy in der von seinem Bruder, J. F. Kennedy, geleiteten Regierung gleichzusetzen - mit dem Unterschied, daß er über die Ausbildung eines "Restaurantfachmannes" verfügt, während B. Kennedy gelernter Jurist war. Und wie soll man den blitzschnellen Aufstieg dieses anderen "Würdenträger des Regimes" erklären, der ohne jemals Feldwebel, Oberleutnant oder Oberst gewesen zu sein, nach einem kurzen Aufenthalt im Ausland zwecks Weiterbildung zum "Generalmajor" ernannt wurde. Dies gilt auch für zahlreiche "Katangesen" (aus der Heimatprovinz Kabilas, Katanga, stammend), die der erschossene Präsident ohne objektive Kriterien zu hohen Offizieren der kongolesischen Armee befördert hat. Und diese Liste läßt sich beliebig fortsetzten...
Über die Wiederbelebung des Abkommens von Lusaka zu sprechen - indem im gleichen Atemzug die Revision desselben verlangt wird - und die Dynamisierung des interkongolesischen Dialogs zu erwähnen, ohne auf den von der OAU ernannten und von allen Konfliktparteien akzeptierten, aber später von der Regierung in Kinshasa abgelehnten "Facilitateur" anzuspielen, trägt nicht zur Lösung der politischen und institutionellen Krise in der DRKongo bei. Offen bleibt die Frage, um welchen interkongolesischen Dialog es sich in der Ansprache des neu ernannten kongolesischen Präsidenten handelt: den, der sich dem Abkommen von Lusaka zurechnen läßt, oder den, der dem vom Abkommen von Lusaka vorgesehenen interkongolesischen Dialog entgegensteht?
Das Abkommen von Lusaka bleibt unserer Meinung nach mittels einer seiner Vorkehrungen, sprich den interkongolesischen Dialog, die sine qua non Voraussetzung zur Beendigung des Krieges in der DRKongo, da es zu einer neuen politischen und institutionellen Ordnung führt. Indem Präs. J. Kabila im Gegensatz zu seinem ermordeten Vater darauf verzichtet, die Revision des Abkommens von Lusaka zu verlangen, und den interkongolesischen Dialog gemäß dem Arrangement von Lusaka ohne Ausschluß einiger kongolesischer politischer Kräfte sowie der bewaffneten Opposition stattfinden läßt, wird er an Respektabilität und Glaubwürdigkeit sowohl auf der nationalen als auch internationalen Bühne gewinnen. Und falls der kongolesische Staatspräsident, seiner Botschaft an die Nation folgend, die Macht am Ende des Prozesses von Lusaka an Zivilisten übergibt, wird er wie Amani Toumani Touré aus Mali mit Würde aus der Politik gehen und in die Geschichte eingehen.
Den Prozeß von Libreville (Gabun) zu reaktivieren, wie der kongolesischen Präsident in seiner Rede angekündigt hat, ist nicht ohne Probleme. Denn: Das Scheitern des Treffens von Libreville im letzten Dezember geht auf die Tatsache zurück, daß viele kongolesische politische Akteure der Meinung waren, daß das Ziel Kabilas sen. bei der Initiierung dieses "Rendezvous" war, den interkongolesischen Dialog zu entstellen und auf Umwegen aus dem Transitionsprozeß für eine neue politische und institutionelle Ordnung in der DRKongo Vorteil zu ziehen (siehe unten: "Die Hintergründe des Scheiterns des Treffens von Libreville" vom 7.1.2001). Wäre man nicht gut beraten, wenn man direkt zum interkongolesischen Dialog mit K. Masire als "Facilitateur" übergehen würde, anstatt sich aufzuhalten bei der Suche nach Mitteln und Wegen zu den Modalitäten der Einberufung dessen, was man unter dem Etikett der "Vorgespräche zum interkongolesischen Dialog" verkaufen will?
Die Liberalisierung der politischen Aktivitäten in der DRKongo wurde ebenfalls in der Ansprache des kongolesischen Präsidenten erörtert. Die sich folglich stellende Frage ist die nach dem juristischen Rahmen, der dieser liberalisierenden Aktion zugrunde liegt. Mit anderen Worten, ohne die sofortige Annullierung des Dekrets Nr. 194, das das Funktionieren der politischen Parteien und Organisationen in der DRKongo regelt, gibt es keine echte Aktivitätsfreiheit der letzteren. Das gilt auch für die Freilassung der politischen Gefangenen und für die Gewährleistung der Pressefreiheit, Freilassung und Gewährleistung, die vor der Eröffnung des interkongolesischen Dialogs stattfinden müssen, um das politische Klima im Land zu entkrampfen.
Das, was das kongolesische Volk zur Zeit erwartet, ist der sofortige Rücktritt der gesamten Regierung, um dem neuen Staatspräsidenten die Erneuerung des Staatsapparates zu ermöglichen. Damit meinen wir auch
Gefragt ist die Erneuerung der kongolesischen politischen Klasse, wobei hinzuzufügen ist, daß diese Erneuerung in einem Sinn verstanden werden muß, der nicht ausschließlich dem Faktor Alter in seinem biologischen, sondern in seiner übertragenen Bedeutung Rechnung trägt. Es geht hier um die Substitution politischer Akteure ohne Gesellschaftsprojekt durch diejenigen, die Träger neuer, dynamischer und fortschrittlicher Ideen sind.
Berlin, den 05.02.2001