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Wir bedanken uns bei Herrn François Misser, freiberuflicher Journalist aus Belgien und bekannt bei den Lesern der "Tageszeitung", wo er über Kongo und die Region der großen Seen publiziert, daß er uns den folgenden Text zur Veröffentlichung auf unseren Internetseiten zur Verfügung gestellt hat. Dieser ursprünglich in Französisch verfaßte und von uns übersetzte Text diente als Basis für seinen Vortrag am 6. März im Rahmen des "Jour fixe" bei der Heinrich Böll Stiftung in Berlin.
Gibt es nach dem Tod Laurent-Désiré Kabilas einen neuen Sachverhalt, der auf einen nahen Frieden hinweist? Mehrere Elemente legen dies nahe.
Präsident L.-D. Kabila wurde ermordet in einem Kontext der Blockierung des Friedensabkommens von Lusaka, dessen Revision er immer wieder verlangt hatte. Aus seinem Standpunkt heraus wäre dies verständlich: Das Abkommen sieht die Entwaffnung der sogenannten "negativen Kräfte" vor, die zu ihrem Großteil innerhalb oder auf der Seite der Regierungstruppen kämpfen. Es handelt sich um die "ex-Forces Armées Rwandaises" (FAR) und ehemalige Mitglieder der "Interhamwe-Milizen" der Partei des verstorbenen ruandischen Präsidenten Habyarimana, die 1994 den Genozid verübt haben. Hinzu kommen die burundischen "Forces pour la Défense de la Démocratie" (FDD), deren Chef, Jean-Bosco Ndayikengurukiyi, sich in Lubumbashi befinden soll. Ein erster Entwurf des Abkommens zählt auch die Kämpfer der "Mai-Mai" zu den oben genannten "negativen Kräften". Als Gegenleistung verleiht das Abkommen den kongolesischen Rebellen eine offizielle Anerkennung: der "Rassemblement Congolais pour la Démocratie" (RCD), aufgespalten in von Ruanda und von Uganda unterstützte Flügel, und der "Mouvement pour la Libération du Congo" (MLC) von Jean-Pierre Bemba, die vor kurzem mit zwei der drei pro-ugandischen Flügeln der RCD fusioniert und die "Front de Libération du Congo" (FLC) gebildet hat.
Zum interkongolesischen Dialog sollen nach dem Abkommen von Lusaka eingeladen werden die Regierung, die bewaffnete Opposition, die demokratische Opposition und die Zivilgesellschaft. Dieser Dialog muß 45 Tage nach dem Waffenstillstand beginnen und 90 Tage später beendet sein. Ab dem Tag des Waffenstillstands sollen in 180 Tagen die Entwaffnung und Demobilisierung der "negativen Kräfte" stattfinden. Erst danach soll das, was das Abkommen von Lusaka "geordneten Rückzug aller fremden Truppen aus der DRKongo" nennt, stattfinden.
Man muß auch hervorheben, daß es keinen Vorrang für diesen Dialog gibt, dessen Ziel der Übergang zur Demokratie und die Vorbereitung der institutionellen Zukunft des Landes ist. Das Abkommen präzisiert nicht, ob der Staatschef der DRKongo während der Übergangsperiode im Amt bleiben muß. Und falls er im Amt bestätigt würde, kann man sich vorstellen, daß die Transitionsregierung eine Koalition sein wird, in der die Vertreter der jetzigen Regierung einer Mehrheit von Oppositionspolitikern und Vertretern der Zivilgesellschaft gegenüberstehen.
Abgesehen von der Ablehnung des Abkommens von Lusaka seitens L.-D. Kabilas ist sein Tod im Kontext einer schweren ökonomischen und humanitären Krise eingetreten, deren wichtigste Elemente der Mangel an Lebensmitteln und Benzin in Kinshasa sind. Mangelernährung, sogar Hunger und Krankheiten haben in allen Teilen des Landes einen nie dagewesenen Rekord erreicht.
Ich werde dies nicht weiter vertiefen. Ich möchte nur darauf aufmerksam machen, daß die kongolesischen ökonomischen Akteure und die Geldgeber überzeugt sind, daß der Krieg nicht der einzige Grund dieser Krise ist. Sie ist vielmehr zu einem großen Teil auf eine selbstmörderische Geldpolitik zurückzuführen, die unrealistische Umtauschkurse vorschreibt, mit der Folge, daß der kongolesische Franc erheblich überbewertet wird. Überdies sind die Importeure gezwungen, mit Verlust zu verkaufen, wenn sie die Gesetze einhalten wollen.
Dieses System, das sich offenbar als absurd erwiesen hat, hat trotz allem einigen Individuen in der Umgebung der Macht genutzt. Zum Zeitpunkt des Todes L.-D. Kabilas war es aber dabei, die Wirtschaft abzuwürgen. Folglich hat das Regime keine materielle Basis für seine Unnachgiebigkeit. Es hängt auf allen Ebenen immer mehr von seinen Alliierten ab.
Im Gegensatz zu dieser Entwicklung haben die Antrittsrede J. Kabilas, dann seine Äußerungen während seiner Reise nach Paris, in die USA, zur UNO und nach Brüssel und während des Treffens von Lusaka am 15. Februar plötzlich einen Hoffnungsschimmer geweckt. In allen Bereichen beobachtet man eine Richtungsänderung. Auf dem ökonomischen Sektor zeigt sich der "Sohn" bereit, eine Liberalisierung einzuleiten. Im Gegensatz zu seinem Vater hat sich Kabila jun. zum Abkommen von Lusaka bekannt und ist auch bereit, den "Facilitateur" des interkongolesischen Dialogs, Ketumile Masire, zu treffen. Und dies hat er am letzten Samstag in Libyen getan. Am 5. März hat Masire in Brüssel angekündigt, daß der Dialog im März beginnen könnte und aus 4 Kommissionen bestehen würde:
Die FLC, die das Abkommen zum Truppenrückzug um 15 km von den Frontlinien nicht unterschrieben hatte, hat dies jetzt getan.
Einige bemerkenswerte Resultate sind zu verzeichnen: Zuerst beobachtete man eine Beruhigung an allen Fronten. Zwei Wochen nach dem letzten Treffen von Lusaka hat Ruanda seine Truppen aus der im Dezember eroberten Stadt Pweto, die sich im Norden Katangas, an der Grenze zu Sambia befindet, zurückgezogen. Diese Eroberung ging aus einer Offensive der Regierungstruppen in der Stadt Pepa hervor. Uganda kündigt ebenfalls den Rückzug von 1500 Mann an, die in der Provinz Equateur stationiert sind. Schließlich beginnt die MONUC mit der Stationierung ihrer Truppen.
So ist die Lage, in der wir uns Anfang März befinden. Kann man daraus schlußfolgern, daß die DRKongo sich auf dem Weg zum Frieden und zur Wiedervereinigung befindet, Frieden und Wiedervereinigung, die zweifellos von der Mehrheit der Bürger gewünscht wird?
In diesem Punkt möchte ich vorsichtig sein, da zahlreiche Hindernisse bleiben: In Kinshasa ist die Macht noch nicht stabilisiert. Viele Indizien belegen dies: Die belgische Tageszeitung "La Libre Belgique" erwähnt in ihrer Ausgabe vom 14. Februar, daß Gaëtan Kakudji, Cousin des ermordeten Präsidenten und Innenminister, heftige Diskussionen mit J. Kabila hatte in Bezug auf die vorgesehene Umbildung der Regierung, die er ablehnt. Und diese ablehnende Position gilt auch für den Friedensprozeß. Man weiß, daß Kakudji wie seinerzeit Kabila sen. für die Revision des Abkommens von Lusaka und gegen die politische Öffnung ist. Übrigens sind bis zum heutigen Tag die politischen Aktivitäten, die am 17. Mai 1997 verboten wurden, immer noch nicht liberalisiert. Die Presse in Kinshasa wird von falschen Listen der Regierungsmitglieder überschwemmt, die ihr von Superministern, auch Meinungsmacher genannt, die sich gegenseitig verleumden, zugespielt werden.
Es zeigt sich eine erhebliche Agitation im Zentrum der Macht und innerhalb der Armee, wie die Verhaftung, am 22. Februar, von Oberst Edy Kapend, Adjutant von Kabila sen., belegt, der nach der Ermordung des Staatsoberhauptes für die Ernennung J. Kabilas zum Staatspräsidenten, zuungunsten Kakudjis, plädiert hatte. Zwei Bemerkungen dazu: einerseits gilt Kapend als pro-angolanisch und soll laut der Tageszeitung "Le Potentiel" in einer Kaserne, die von simbabwischen Truppen kontrolliert wird, in der Nähe des Flughafens Ndjili, inhaftiert sein. Nun haben die Angolaner, die in der kongolesischen Krise weniger unnachgiebig zu sein scheinen als Simbabwe, Kontakt mit ugandischen und ruandischen Militärs aufgenommen. In diesem Sinn könnte Kapend als derjenige betrachtet werden, der offener für die Reformideen ist.
Andererseits gehört sowohl Kapend als auch andere verhaftete Offiziere, unter denen sich General Yav, Kommandant der 7. Militärregion, befindet, der Ethnie der Lunda an, während Kakudji und der als pro-simbabwisch geltende Justizminister Mwenze Kongolo der Ethnie der Balubakat angehören. Kurzum: Es gibt hier nicht nur Probleme unter Katangesen, sondern auch ein starkes gegenseitiges Mißtrauen in Bezug auf die Verwicklung Kapends in die Ermordung Kabilas. In der Tat wurde Kapend im Rahmen der Ermittlung zur Aufklärung der Ermordung L.-D. Kabilas, durchgeführt von einer aus militärischen Verantwortlichen aus der DRKongo, Namibia, Simbabwe und Angola bestehenden Kommission, verhaftet.
Es gibt andere Anzeichen, die die politische Auseinandersetzung zwischen Reformisten und Ideologen belegen. So wurde am 28.2. den Mitgliedern der "ACL-PT" der Zutritt zum Parlamentsgebäude verwehrt, als sie sich dorthin begeben hatten, um die Auszahlung ihrer "Diäten" zu verlangen. Dieser Zwischenfall wurde interpretiert als eine Auseinandersetzung zwischen der Macht und einer Institution, deren Mitglieder in der Tat von zwei "Wählern" ernannt wurden: dem ermordeten Präsidenten Kabila und seinem Cousin Gaëtan Kakudji. Die jetzigen Spannungen lassen vermuten, daß entweder Kakudji in seiner Funktion als Innenminister gezwungen wurde, eine vom Präsidenten getroffene Entscheidung umzusetzen oder er nicht mehr über die Aufsichtsbefugnis über die Polizei verfügt hat. Die neue Verhaftung des Chefs des Sicherheitsdienstes (ANR), Leta Mangasa (ehemaliger Mobutist), und des Oberst Mulimbi, Leiter des Militärischen Abschirmdienstes (DEMIAP), erhöht die schon existierende allgemeine Verwirrung.
Auf jeden Fall, eines ist sicher: die von Laurent-Désiré Kabila gegründeten Massenorganisationen - wie das Komitee der Volksmacht (CPP), das sich als Keimzelle einer Einheitspartei darstellt -, haben keinen Rückenwind mehr.
Die Frage, die immer noch offen bleibt, ist, wer aus den aktuellen Machtkämpfen als Sieger hervorgehen wird: die Reformisten oder die Konservativen. Die Entscheidung ist noch nicht gefallen. In der Tat sind einige der von Präsident J. Kabila angekündigten Maßnahmen, beispielsweise im ökonomischen Bereich, immer noch nicht umgesetzt. Dies ist der Fall für die Liberalisierung des Diamantenhandels. Es geht hier um eine wichtige Entscheidung, wenn man bedenkt, daß der Verkauf dieses Rohstoffes die Hälfte der Exporteinnahmen Kongos darstellt.
Die Maßnahme über die Liberalisierung des Diamantenhandels wurde von Präs. J. Kabila während seines Aufenthalts in Washington bekanntgegeben und seitdem von Vertretern des Bergbauministeriums mehrmals bestätigt. Sowohl die einen als auch die anderen haben sich verpflichtet, daß die die Bergbaurohstoffe betreffenden Verträge auf der Basis der Transparenz abgeschlossen werden und zwar, indem dem freien Wettbewerb Rechnung getragen wird, damit die DRKongo Nutzen aus diesen Verträgen ziehen kann. Aber 2 Monate nach der Ermordung L.-D. Kabilas ist nichts in diesem Sinne getan worden. Die Blockierungen bleiben. Die israelische Firma, die von der kongolesischen Regierung das Monopol über den Kauf und den Export von Diamanten erhalten hat, hat es noch immer inne und hat sogar gedroht, den kongolesischen Staat vor einem internationalen Gericht zu verklagen, falls er eine Rückzug macht. In diesem Zusammenhang ist zu bemerken, daß IDI-Diamonds, so heißt die o. g. israelische Firma, dieses Monopol erhalten hat, weil sie Verhandlungen zwischen dem kongolesischen Staat und einer israelischen Sicherheitsfirma über die Ausbildung der kongolesischen Polizei durch die Experten des hebräischen Staates ermöglicht hatte. Die kongolesischen Diamantenhändler, vor allem aus dem Diamant-Gebiet Kasai, sind genauso wie die Mehrheit der ausländischen Diamanthändler nicht zufrieden. Der Erhalt dieses Monopols, das an eine Firma vergeben wurde, die nicht über die finanziellen Mittel für den Kauf der kongolesischen Edelsteine verfügt, könnte die Verewigung des Schmuggels zur Folge haben. Letzterer wird laut dem Bergbauministerium auf mehr als 70% der gesamten Produktion geschätzt. Die Folge davon ist, daß dem Staat Steuern entgehen und er nicht in der Lage ist, seine Beamten zu bezahlen. Dies stellt einen immer größer werdenden Instabilitätsfaktor dar.
Immer noch im ökonomischen Bereich hat man Ende Januar ein Ereignis beobachtet, das belegt, daß sich einerseits die Lage im Vergleich zur Zeit Kabila sen. nicht geändert hat und andererseits dieses Ereignis nicht ohne Folgen in Bezug auf die Umsetzung des Abkommens von Lusaka bleibt. Bei diesem Ereignis handelt es sich um die Abgabe der Schürfrechte von Kupfer und Kobalt an zwei simbabwische Geschäftsleute: Billy Rautenbach und seinen als Waffenhändler bekannten Kumpanen John Bredenkamp. Es muß an dieser Stelle daran erinnert werden, daß Rautenbach zwei Jahre lang Gécamines ohne Erfolg verwaltet hat. Sogar in der Umgebung Kabilas soll darüber gemunkelt worden sein, daß er die Kongolesen betrogen hatte. Aber trotzdem bleibt Rautenbach am Ball. Und dies auf persönliches Insistieren von Präs. R. Mugabe, der gedroht hatte, seine Truppen abzuziehen, falls seine Freunde nicht zum Zuge kämen. Es ist Simbabwe, das offensichtlich keine Sicherheitsinteressen im Kongo zu verteidigen hat, gelungen, seinen Zugriff auf den Reichtum des Landes zu erweitern. Zusätzlich gibt es ein Jointventure zwischen Comiex, einer von L.-D. Kabila gegründeten Firma, und Osleg (Operation Soveign Ligitimacy), deren Aktionäre mehrere simbabwische Generäle sind. Beide verfügen gemeinsam und exklusiv über die Diamanten-Konzessionen von Senga-Senga und Tshibwé in Kasai-Oriental. Vor kurzem hat man erfahren, daß eine auf dem gleichen Modell basierende namibische Gesellschaft seit 1999 eine Diamant-Konzession nahe Tshikapa (Kasai-Occidental) besitzt. Dies wird gesagt, um zu erläutern, daß der Rückzug der namibischen und simbabwischen Truppen einen irreparablen finanziellen Verlust gleichkommt einerseits für die Generäle, die mit den Präsidenten Mugabe und Nujoma verbunden sind und andererseits für die kongolesischen Minister, die Eigentümer von Anteilen an Comiex sind. Im Klartext, die integrale Umsetzung des Abkommens von Lusaka wäre keine gute Sache für sie persönlich.
In Bezug auf interne Probleme für das Regime in Kinshasa wurde eine wichtige Frage, die den Rückzug von Ugandern - aber vor allem von Ruandern betrifft, in Lusaka nicht erörtert. Diese Frage ist die der Entwaffnung der Mitglieder der ex-Forces Armées Rwandaises (FAR) und der Interhamwe-Milizen, über die wir gesprochen haben. Man kann denken, daß solange ein formelles Abkommen darüber noch nicht existiert, werden Ruanda und Uganda, die, wie wir wissen, in die Ausbeutung der kongolesischen Reichtümer (Diamant, Gold, Coltan etc) involviert sind, darin eine gute Ausrede finden, um sich nicht aus der DRKongo zurückzuziehen. So geben sie ihrerseits den Namibiern und Simbabwern, die es nicht eilig haben, sich zurückzuziehen, einen Grund, ihre Geschäfte in der DRKongo weiterzubetreiben.
Nehmen wir an, daß Präs. J. Kabila bereit ist, in Bezug auf die Entwaffnung von Interhamwe und ex-FAR ernsthaft das Abkommen von Lusaka zu respektieren, nehmen wir weiter an, daß er es in Zusammenarbeit mit den Rebellen der RCD und der ruandischen Armee tatsächlich tut, kann nicht vollständig garantieren werden, daß alles ohne Schaden abläuft. Die FAR und ihre Alliierten FDD sind entweder integriert in der kongolesischen Armee oder sie operieren selbständig. Sie sind keine schlechten Kämpfer. Und sie sind motiviert, vor allem ihre Chefs, von denen einige vom Internationalen Tribunal von Arusha (Tansania) gesucht werden. Letztere wissen, daß das Gefängnis auf sie wartet.
Man muß auch ins Gedächtnis rufen, daß die ruandische Armee in der Zeit, in der sie mit dem kongolesischen Staat assoziiert waren, zwischen Mai 1997 und Juli 1998, nicht in der Lage war, die Aktivitäten der ex-FAR total zu neutralisieren. Es stellt sich ein Problem: das der Durchführbarkeit der Entwaffnung von ex-FAR und Milizen, insofern daß man sich keine Mühe gegeben hat, den Soldaten zu erklären - es sei denn, daß man über unanfechtbare Beweise über ihre Involvierung in den Genozid von 1994 verfügt -, daß ihre Zukunft in ihrer Demobilisierung bzw. ihrer Integirerung in die ruandische Armee und, wenn möglich, in die zivile Gesellschaft liegt. Dafür braucht man Geld. Viel Geld gleichzeitig für die Betreuung der kongolesischen Armee, für die Umschulung der Demobilisierten und für die Besoldung der Offiziere und Soldaten. Ein gleiches Problem stellt sich in Bezug auf die kongolesischen Rebellenarmeen von FLC und RCD. Aber in diesem Zusammenhang schlagen die Geldgebern (UNO, USA und EU etc.) keinen schlüssigen Plan vor. Im Klartext: man steht vor zwei Szenerien:
Dies scheint das zu sein, was man vermeiden soll, mittels eines schlüssigen Demobilisierungsplans, der zum Ziel hat, alle unter kongolesischen Fahnen kämpfenden Soldaten Lebensperspektiven zu Verfügung zu stellen, damit sie aufhören, zu plündern und zu massakrieren. Aber über diesen Demobilisierungsplan, der zu teuer zu werden droht, spricht nur der Sondergesandte der EU in der Region, Aldo Ajello. Und man stellt fest, daß die Mehrheit der Betroffenen nicht darüber Bescheid weiß. Wenn man im Gegensatz dazu die Kämpfer der FAC, der Rebellenarmeen und sogar der ex-FAR informieren würde, würde man mit Sicherheit eine wichtigere Unterstützung für den Frieden erreichen.
Welche Botschaft hat folglich die internationale Gemeinschaft bis zum heutigen Tag geliefert?
Das Initialkontingent von 550 Beobachtern, die von 5000 Blauhelmen geschützt werden sollten, ist reduziert worden. Das Mandat der letzteren ist nicht mehr der Schutz sondern die Überwachung der Logistik. Das Eingangsmandat war schwach. Jetzt ist es noch schwächer. Die Entwaffnung der "negativen Kräfte" bleibt im Geschäftsbereich der Kriegsparteien. Im Klartext, die Afrikaner werden alleine gelassen.
Etwas anderes: die Ruander haben sich wirklich aus Pweto, in Nord-Katanga, zurückgezogen. Aber in der Tat hat sich nichts geändert. Ihre Stellungen wurden nicht von der Regierungsarmee übernommen, sondern von ihren Alliierten der RCD-Goma besetzt.
Im Osten dauern die Konflikte an. Es gibt in der Tat Ruhe in dem ethnischen Konflikt zwischen Hema und Lendu in der Region Bunia, dank der Vermittlung des MLC- und FLC-Chefs, J.-P. Bemba. Aber die Rebellen von FDD haben den Flughafen von Kilembwe in Süd-Kivu besetzt. Dies hat Azarias Ruberwa, Generalsekretär der RCD, veranlaßt, der Regierung in Kinshasa die weitere Unterstützung der "negativen Kräfte" vorzuwerfen.
Schließlich gibt es zwei große Herausforderungen in Bezug auf die effektive Versöhnung unter den Kongolesen.
Die erste ist die Gefahr der Wiederholung des Szenarios der souveränen Nationalkonferenz. Man riskiert erneut eine Schlacht zwischen den politischen Parteien und der Zivilgesellschaft in Hinsicht auf ihre Teilnahme am interkongolesischen Dialog und an den Übergangsinstitutionen zu erleben. Und dies, nicht ohne materielle Hintergedanken. Man erinnere sich an die Vorwürfe gegen diejenigen, die nur auf ihr Tageshonorar bedacht waren. Genau so sollte man nicht aus den Augen verlieren, daß eine der Gründe der Blockierung des Abkommens von Lusaka seitens der ACL-PT oder der Regierungsmitglieder der aktuellen Regierung die panische Angst ist, ihre Stelle zu verlieren. In einem Kontext der Wirtschaftskrise, wie derzeit in der DRKongo, spielt das, was der französische Politologe Jean-François Bayart die "Politik du ventre" (Politik, die vor allem die Befriedigung persönlicher Bedürfnisse zum Ziel hat) nennt, eine große Rolle. Die zweite ist das Gift des ethnischen Hasses, der zuerst durch das Regime Habyarimanas und dann durch die ruandische Übergangregierung, die diesem nachfolgte, praktiziert wurde. Der französische Politologe und Spezialist für die Region der Großen Seen, Jean-Pierre Chrétien, hat dies als "tropischen Nazismus" bezeichnet.
Hinzu kommt, daß das Regime Kabila diesen Haß weitergeführt hat, indem es die Anti-Tutsi-Progrome im August 1998 ausgelöst hat, Progrome, die nicht unbekannt im Kongo und insbesondere in Katanga waren. Der ehemalige Gouverneur von Katanga, Gabriel Kyunga wa Kumwanza, hatte 4 Jahre nach dem Genozid in Ruanda, ein Progrom gegen die in Katanga lebenden Luba von Kasai, die er als "bilulu" (Insekten) bezeichnete, in Gang gesetzt.
Dieses Gift ist leider nicht allein das Schicksal Kongo-Kinshasas. Man hat seinen Ausdruck in Ruanda, in Burundi, aber auch in Kongo-Brazzaville gesehen, wo der ex-Präsident Lisouba das Konzept von Stammes-Klassen kultiviert hatte, um die Leute aus dem Süden und dem Zentrum seines Landes gegen die "Nordisten" aufzuhetzen. Man erlebt heute die Folgen in Côte d'Ivoire wo die Ivoirität als Ideologie, die die Nationalzugehörigkeit hervorhebt, herrscht.
Trotz guten Willens fällt es dem jungen Präsidenten Kabila nicht leicht, diese Ideologie zu exstirpieren. Diejenigen, die sein Regime ablehnen, statt es nur in Bezug auf dessen willkürliche Aspekte zu bekämpfen, versuchen den Anti-Tutsi-Haß gegen ihn zu instrumentalisieren, indem er als ein falscher Kongolese (d.h. nicht kongolesischer Abstammung) dargestellt wird.
Afrika erlebt jetzt eine Zeit der extremen ökonomischen und sozialen Veränderungen, schlimmer vielleicht als das, was Deutschland und der Rest der entwickelten Welt in den Jahren 1920 und 1930 gekannt hat, die sich nicht schützen konnten vor den Demagogen, die die herrschende Misere ausgenutzt hatten, sich mittels der künstlich geschaffenen "ethno-racialen" Probleme politisch zu profilieren. Dieses leider fruchtbare Feld zeigt bis heute, daß auch dort, wie Berthold Brecht sagt, "der Bauch der ekelhaften Bestie noch immer fruchtbar ist".
Dies ist eine Herausforderung für die Afrikaner, denen die Europäer manchmal einen schlechten Dienst erweisen, indem sie diese Art von Verhaltensweisen unter dem Vorwand, daß ihr die kulturellen Unterschiede zugrunde liegen, akzeptieren. Vielleicht weil man in Europa immer noch einen Kolonialisten-Komplex kultiviert. Aber dieser Komplex müßte meines Erachtens nicht die Sache der Menschen sein, die nach der Unabhängigkeit aufgewachsen sind.
François Misser
Berlin, 16.03.2001