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Mehr als 110 Zuhörer kamen am Samstag den 28. April im Bonner Münstersaal (Bonner Münster) zusammen, um über den Krieg auf dem Territorium der Demokratischen Republik Kongo (DRK, ex-Zaire) zu diskutieren und Perspektiven der Solidaritätsarbeit für die Staaten um die großen afrikanischen Seen zu entwickeln. Veranstalter waren die Pax Christi-Kommission "Solidarität mit Zentralafrika" und der Kongolesisch-deutsche Kreis Bonn. Besonderes Gewicht erhielt die Tagung vor allem durch zwei prominente Teilnehmer: Tharcisse Tshibangu, der katholische Erzbischof von Mbuji-Mayi, einer der angesehensten katholischen Intellektuellen des Kongo, und Etienne de Jonghe, Generalsekretär von Pax Christi International in Brüssel.
Der Krieg im Kongo ist mehr als ein Bürgerkrieg oder ein Konglomerat von bilateralen Konflikten. Die seit der Machtübernahme durch Joseph Kabila im Januar 2001 aufblühenden Hoffnungen auf eine friedliche Beilegung des Konflikts dürfen nicht darüber hinweg täuschen, dass das Land nach wie vor und seit dem August 1998 (oder schon seit 1996, seit dem ersten Aufstand im Ost-Kongo gegen den Diktator Mubutu) im Kriegszustand ist. Reguläre Armeeeinheiten aus sieben afrikanischen Ländern durchschneiden die ehemalige belgische Kolonie mit einer 2500 km langen Front von Norden nach Süden. Uganda, Ruanda und Burundi halten im Bündnis mit kongolesischen Rebellen mehr als 50 Prozent der Fläche des Landes besetzt, während die Regierung in der Hauptstadt Kinshasa mit den verbündeten Ländern Simbabwe, Angola und Namibia, aber auch mit Unterstützung von Rebellentruppen aus Ruanda und Burundi die Front hält. Auch angesichts der Leidensdimensionen ist die Bezeichnung "Weltkrieg" durchaus passend: Mehr als zwei Millionen Tote seit 1998 und ebenso viele Binnenflüchtlinge machen den Krieg zu einem der schlimmsten regionalen Konflikte weltweit in der Gegenwart.
Das Programm am Samstagmorgen bestand aus Länderreferaten zu der Situation in Uganda, Ruanda und der DR Kongo. Zeru Abukha machte deutlich, wie verfehlt die vor allem von den USA favorisierte Sicht auf den ugandischen Präsidenten Yoweri Museveni als "aufgeklärten Despoten" und Vater des ugandischen Wirtschaftswunders ist. Für die gegenwärtigen Konflikte in Ruanda und der DRK ist Museveni eine Schlüsselfigur, vor allem als Ziehvater des ruandischen Präsidenten Paul Kagame. Für Ruanda, sieben Jahre nach dem Völkermord der Hutus an den Tutsis, erläuterte Joel Nsengiyaremye die weiter bestehenden Hindernisse der Versöhnung der tief verfeindeten Volksgruppen. Bedenklich stimmte seine Einschätzung der strukturellen Instabilität seiner Heimat, die von der schon heute dramatischen Überbevölkerung und der damit zusammen hängenden Armut ausgehen. Von hier aus läßt sich der verhängnisvolle Expansionsdrang in die Kivu-Provinz (Ost-Kongo) seit der Unterstützung der Rebellenbewegung AFDL 1996 erklären (ohne ihn zu legitimieren).
Jimmy Kenga betonte in seinem Referat vor allem das demokratische Legitimationsdefizit der bestehenden Regierung in der DRK. Unter dem ermordeten selbsternannten Präsidenten Laurent-Désiré Kabila hat hat sich der seit dem Diktator Mobutu (bis 1997) fortschreitende Verfall der staatlichen Institutionen dramatisch beschleunigt. Die Situation ist äußerst komplex, entscheidend ist aber der auch im Friedensabkommen von Lusaka (Juli 1999) verabredete "innerkongolesische Dialog", so Kenga.
Etienne de Jonghe (Pax Christi International) beleuchtete in seinem Vortrag nach dem gemeinsamen Mittagessen die Herkunft von Pax Christi vor allem aus der schwierigen deutsch-französischen Versöhnungsarbeit nach dem Zweiten Weltkrieg. In diesem Zusammenhang stellt sich die Frage, wieweit diese historischen Erfahrungen in Afrika fruchtbar sein können. Andreas Schillo wies als einer der wenigen Pax Christi-Mitglieder, die Bischof Theas noch persönlich kennengelernt haben, darauf hin, dass Afrika derzeit vielleicht ähnlich wie Europa nach den Schrecken des Zweiten Weltkrieges vor einem "Kairos" der Versöhnung stehen könnte. De Jonghe wies in diesem Zusammenhang auf die vielversprechenden Aufbrüche von Pax Christi in Afrika in den letzten zehn Jahren hin. In vielen afrikanischen Ländern entstehen Gruppen, die sich mit Versöhnungsarbeit beschäftigen und dabei mit der katholischen Friedensbewegung in Kontakt treten. Höhepunkt der bisherigen Entwicklung war die panafrikanischen Pax Christi-Konsultation in Pretoria im Oktober 2000.
Tharcisse Tshibangu erläuterte in seinem Referat die Position seiner Kirche für das 50-Millionen-Volk, das zur Hälfte katholisch ist. Im politischen Prozess gibt es zwischen der katholischen, der protestantischen und der Kimbanguisten-Kirche afrikanischen Ursprungs weitgehende Übereinstimmung. Die großen Kirchen fordern gemeinsam vor allem den innerkongolesischen Dialog, die Stärkung der Zivilgesellschaft, die Demokratisierung und die Einheit des Landes, so der Erzbischof. Er betonte darüber hinaus die Bedeutung des Friedensprozesses auf der Basis des Friedensabkommens von Lusaka und die Notwendigkeit einer internationalen Friedenskonferenz für die Staaten um die großen Seen in Afrika, in der es darum gehen muss, Lösungen für die länderübergreifenden Konfliktursachen in der Region zu finden. Beispielgebend nannte er die Bemühungen der zentralafrikanischen Bischofskonferenz, die insbesondere in ihrer gemeinsamen Erklärung vom November 1999 die Versöhnung der kriegführenden Staaten und die Überwindung des immer noch wachsenden Hasses angemahnt hätten.
Die zahlreichen Fragen und Diskussionsbeiträge aus dem Publikum vor allem während der Podiumsdiskussion zum Schluss der Konferenz warfen zahlreiche Schlaglichter auf das komplexe Geflecht von Konflikten und Konfliktursachen in den Staaten um die großen afrikanischen Seen. Paul Indongo gab sich auf dem Podium skeptisch auch gegenüber der neuen Regierung Joseph Kabilas, dessen eloquentem Auftreten im Ausland dem total fehlenden innenpolitischen Programm entgegenstehe. Die engagierten Wortbeiträge von kongolesischen Teilnehmern der Tagung zeigten, dass diese Einschätzung von vielen weitgehend geteilt wird.
Sabine Loo (amnesty international, Co-Gruppe DR Kongo) wies darauf hin, dass sich die Situation der Menschenrechte nach Übernahme der Macht durch den jungen Präsidenten in seinem Machtbereich keineswegs geändert habe. Unterdrückung der freien Meinungsäußerung, willkürliche Verhaftungen, Folter und Mord in Polizei- oder Armeegewahrsam sind nach wie vor traurige Realität auf allen Seiten der Front. Jonathan Rwamuningi sieht durchaus Indizien, dass die Hoffnung des "Bekenntnisses von Detmold" auf Versöhnung in Ruanda nicht vergebens war. Versöhnungsarbeit müsste auch in der DRK entscheidend für den Frieden sein. "Pax Christi" - der Frieden Christi - war dann auch Thema der Predigt von Tharcisse Tshibangu in der Abendmesse im Bonner Münster, die im kongolesischen Ritus und mit dem Kölner Bondeko-Chor gefeiert wurde.
Zahlreiche Aspekte der Konflikte und Konfliktursachen in den betroffenen Ländern konnten bei der Tagung lediglich angesprochen und nicht wirklich ausdiskutiert werden, doch dieser Tag in Bonn machte deutlich, dass sich Pax Christi in der Solidaritätsarbeit im Zusammenhang mit dem Konflikt in Zentralafrika engagieren und ihre Kräfte auch längerfristig einsetzen wird.
Heinz Werner Wessler
Berlin, den 17.05.2001