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Das, was viele Beobachter der kongolesischen politischen Szene noch vor einigen Tagen nicht für möglich gehalten hatten, hat sich nun doch als wahr herausgestellt. Die kongolesischen sozialen und politischen Akteure haben sich zwischen dem 20. und 25. August 2001 in Gaborone (Botswana) unter der "Facilitation" von Ket Masire getroffen, um den im Friedensabkommen von Lusaka (1999) vereinbarten interkongolesischen Dialog, der zu einer neuen politischen Ordnung führen soll, vorzubereiten. Der Eröffnungszeremonie wohnten die Staatspräsidenten von Botswana (Festus Mogae), Sambia (F. Chiluba) und der DRKongo (J. Kabila) bei.
Es ging konkret bei den Vorgesprächen zum interkongoleischen Dialog, so die offizielle Bezeichnung des Treffens von Gaborone, um die Festlegung von Ort, Zeit und Dauer, der Teilnehmerzahl und um die Elaborierung der Tagesordnung und der prozedualen Regeln des interkongolesischen Dialogs.
Die Verteilung der Sitze sah wie folgt aus: Neben dem Regime in Kinshasa mit 13 Vertretern stellten die beiden großen Teile der bewaffneten Opposition (die von Ruanda unterstützte kongolesische Sammlung für die Demokratie (RCD) mit Sitz in Goma sowie die von Uganda alimentierte Front für die Befreiung Kongos (FLC) mit Sitz in Gbadolite) je 13 Vertreter. Eine dritte, kleinere sowohl von der RCD als auch von der FLC abgesplitterte Fraktion der bewaffneten Opposition war mit 4 Repräsentanten präsent. Die zivilgesellschaftlichen Organisationen beider Hälften des faktisch geteilten Landes wurden durch 13 Delegierte vertreten. Die besonders in Kinshasa aktive nicht bewaffnete Opposition hatte 14 Repräsentanten geschickt. Hinzu kam eine 4-köpfige Gruppe von religiösen Führern.
Diese Liste der Teilnehmer an den Vorgesprächen zum interkongolesischen Dialog spiegelt die Komplexität des Unternehmens wider. Diese Komplexität aber ist nur scheinbarer Natur. Denn die Lektüre der in Gaborone von allen Teilnehmern gehaltenen Reden legen stichhaltig dar, daß sie sich auf ein Ziel konzentriert haben: sofortige und totale Beendigung des Krieges und Privilegierung der Logik des Dialogs, des Friedens und der Demokratie.
"Atmosphäre des Wiedersehens", "Umarmungen mit feierlichem Kuß", "konstruktive Gespräche", "Tränen" u.v.a. sind Begriffe, die in fast allen Presseberichten über die Vorbereitungskonferenz zu lesen sind.
Für eine Überraschung sorgte das am Ende der Eröffnungszeremonie von Ket Masire organisierte und unter seiner Schirmherrschaft geführte Gespräch, an dem She Okitundu für die Regierung, J.P. Bemba für die FLC und A. Onusumba für die RCD teilnahmen. Anwesend war auch Präs. J. Kabila. Über den Inhalt dieses Gesprächs wurde bisher nichts bekannt. Eine andere Überraschung war auch die Tatsache, daß zum ersten Mal das staatliche Fernsehen in Kinshasa die Führer sowohl der bewaffneten als auch der nicht bewaffneten Opposition "live" zeigte. Nachdem das Fernsehen den Auftakt gegeben hatte, folgten auch die Radiostationen und die Printmedien in Kinshasa, die die Oppositionellen unzensiert zu Wort kommen ließen. Das nennt man in der Filmbranche eine "Premiere".
Alle Entscheidungen wurden im Konsens getroffen, damit sie von allen Teilnehmern mitgetragen werden können.
Am Ende der 5-tägigen Veranstaltung, die durch informelle Treffen, geheime Zusammenkünfte, diverse Pressionen und gegenseitige Zugeständnisse gekennzeichnet waren, wurden die Erwartungen des kongolesischen Volkes und der internationalen Gemeinschaft in Bezug auf die Wiederkehr des Friedens im Land nicht enttäuscht. So wurden Addis-Abeba (Äthiopien) als Veranstaltungsort gewählt, das Eröffnungsdatum der Verhandlungen, die zuerst auf 45 Tage befristet wurden, auf den 15. Oktober 2001 festgelegt. Über die Zahl der Teilnehmer wurde abgestimmt: 300. Jede der Teilnehmergruppen, die bei den Vorgesprächen vertreten waren, schickt 60 Repräsentanten nach Addis-Abeba. Als einen Fortschritt bezeichnen die Beobachter die Aufnahme der Mai-Mai-Milizen, die in Gaborone nicht vertreten waren, als Teilnehmer am interkongolesischen Dialog. Schließlich wurde die Geschäftsordnung angenommen.
Neben diesen im Konsens getroffenen Entscheidungen wurden von den Teilnehmern Absichtserklärungen zu folgenden Fragen, die übrigens die Vorgespräche zu sprengen drohten, abgegeben:
Die Vorgespräche von Gaborone stellen eine Zäsur in der Geschichte der DRKongo dar und eröffnen eine Periode der Prüfung und der Hoffnung in Bezug auf die Realisierbarkeit der o. g. Ergebnisse des Treffens von Gaborone. Man spricht diesbezüglich sogar vom "Geist von Gaborone". Unter diesem Begriff, dessen Vaterschaft dem "Facilitateur" des interkongolesischen Dialogs, Ket Masire, zugeschrieben wird, versteht man die Überwindung der partikularen, parteipolitischen Interessen zugunsten des Wohles des gesamten kongolesischen Volkes. Der "Geist von Gaborone" beruht, um hier mit Diomi Ndongala zu sprechen, auf drei Tatsachen
In diesem Zusammenhang wird erwartet, daß jede der kriegführenden Parteien auf dem von ihr kontrollierten Gebiet zeigt, daß sie nicht nur dem Abschiedsdokument beigetreten ist, sondern dieses vor dem 15.10.2001 in die Tat umgesetzt hat. Konkret müssen die Regierung in Kinshasa, die RCD--ML, die RCD-Goma und die FLC guten Willen zeigen, indem sie die neue in Gaborone festgelegte Art des Regierens, deren Substanz u.a. aus der sofortigen Liberalisierung des politischen Lebens und der Respektierung der Grundrechte besteht, applizieren.
Die in Kinshasa erscheinende Tageszeitung "Le Phare" stellt in ihrer Ausgabe vom 29.8.2001 im Zusammenhang mit den Ergebnissen der Vorgespräche zum interkongoleischen Dialog, sprich dem "republikanischen Pakt", die Frage nach dem Sinn des Gesetzes 001/2001 über das Funktionieren der politischen Parteien. Diese Frage drängt sich unserer Meinung nach um so mehr auf, nachdem der "republikanische Pakt", neben der Regierung, auch durch einige Parteien abgeschlossen wurde, deren Existenz durch die zuständigen Stellen in Kinshasa bis jetzt nicht anerkannt ist. Im gleichen Atemzug stellt sich die Frage, ob die Weiterverwendung dieses Gesetzes, dessen Gültigkeit nur auf einem Teil des Landes limitiert ist, nicht dazu beitrüge, die politischen Errungenschaft der Vorgespräche zum interkongoleischen Dialog in ihr Gegenteil zu verkehren - wohlgemerkt: aus dem Treffen von Addis-Abeba wird eine neue politische Ordnung hervorgehen, die die jetzigen Verhältnisse ablöst.
Um noch einmal die Tageszeitung "Le Phare" (28.8.2001) zu zitieren, wurde mit dem durch die PALU gestellten Antrag auf die Erlaubnis zur Organisierung einer öffentlichen politischen Veranstaltung am 9.9.2001 der "republikanische Pakt" auf die Probe gestellt. Zugleich wurde die Regierung in Kinshasa in eine schwierige Situation gebracht, die eine sofortige Entscheidung erfordert: entweder die Beschlüsse von Gaborone voll umzusetzen oder auf dem Gesetz 001/2001 über die politischen Parteien zu beharren. Bald wissen wir mehr, da der Termin für den interkongoleischen Dialog nicht mehr in weiter Ferne liegt...
Berlin, den 05.09.2001