archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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Vortrag von I. Indongo-Imbanda
Meine Damen und Herren!
Wie Sie wissen, tobt seit Anfang August 1998 der Krieg in der DRKongo, ein Krieg, der als "Erster Weltkrieg Afrikas" (M. Albright) bezeichnet wird und viele Menschenleben gefordert hat. Die amerikanische NGO "International Rescue Committee" (30.4.2001) sprach von 2,5 - andere Quellen von 3 Millionen - Toten. Ein geschätztes Drittel davon waren Kinder. 200.000 Tote sind nachweislich Opfer unmittelbarer Gewalttätigkeiten geworden. Die Koordinatorin der UNO-Notprogramme, Caroline McAskie (26.11.2000), sprach vor dem Sicherheitsrat der Weltorganisation von 16 Millionen Kongolesen, ein Drittel der Gesamtbevölkerung, die unter Nahrungsdefiziten leiden, von 2 Millionen Binnenflüchtlingen und von 300.000 Kongolesen, die in Nachbarländern Zuflucht gefunden haben. Diese Zahlen sind inzwischen sicher weiter gestiegen.
Da die Hauptfront des Krieges entlang der großen Minen verläuft, kann man sagen, daß es sich bei dem jetzigen Kongo-Krieg, der zweite innerhalb der letzten fünf Jahre, um Bodenschätze geht. Und dies ist die "Kernaussage" des Berichts der UNO-Kommission zur illegalen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der DRKongo (16.4.2001). In diesem heißt es: "der Konflikt im Kongo dreht sich hauptsächlich um den Zugang, die Kontrolle und den Handel mit fünf wichtigen Rohstoffen: Coltan, Diamanten, Kupfer, Kobalt und Gold".
Davon ausgehend ist die Frage zu stellen, ob die Bezeichnung "Erster Weltkrieg Afrikas" nicht inadäquat ist und vor allem zum Ziel hat, die Rolle nichtafrikanischer Mächte in diesem Krieg, der vom Sicherheitsrat der UNO (Dez. 2000) als "eine der schlimmsten humanitären Krisen der Welt" bezeichnet wurde, zu kaschieren. Neben den 5 afrikanischen Staaten, die zur Zeit ihre Truppen in der DRKongo stationiert haben, beobachtet man noch weitere Kriegsparteien. Ich meine die westlichen Industriekonzerne, die die Rohstoffe der DRKongo seit langem ausbeuten und dadurch den Krieg nicht nur mit finanzieren, sondern auch dazu beitragen, ihn zu verlängern.
Das Thema der heutigen Veranstaltung heißt: "Was hat mein Handy mit dem Krieg im Kongo zu tun? Wie der wilde Coltan-Abbau das Leiden von Millionen verlängert."
Vor einigen Monaten schrieb ein Besucher der Website, die meine Freundin und ich seit über einem Jahr über die DRKongo in deutscher Sprache betreiben, folgendes: "Neulich las ich in einem selbsternannten Politmagazin einen Beitrag über den Kongo. Darin wurde davon gesprochen, dass im Kongo "Coltanerz" gefördert würde (das auch etwas wert sein muss, da sich verschiedene BKParteien um die Förderstellen zanken). Leider kenne ich keine Verbindung, die "Coltan" genannt wird (...)".
So wie diesem Besucher unserer Website ging es mir auch vor fast einem Jahr. Inzwischen aber, dank des inflationsartigen Erscheinens von Publikationen der letzten Zeit über die Thematik, weiß ich, daß Tantal "ein seltenes und extrem hitze- und säureresistentes Edelmetall" ist, das im Kongo in Form des Erzes Colombo-Tantalit gefördert und Coltan genannt wird - Coltan ist eine Abkürzung für Colombo-Tantalit.
In Form von feinem Pulver, auch Tantalpulver genannt, dient Tantal zur Herstellung leistungsstarker Elektrolyt-Kondensatoren, die in Handys, Personalcomputern oder CD-Playern eingesetzt werden. Das Tantalpulver findet Verwendung auch in anderen Bereichen: von der Raumfahrt über die Waffenherstellung bis zu medizinischen Instrumenten.
Der östliche Teil des mineralienreichen Kongo besitzt bedeutende Coltan-Lagerstätten. Die durch die ruandisch-patriotische Armee kontrollierten kongolesischen Coltan-Reserven befinden sich in den Provinzen Süd-Kivu, Nord-Kivu und Maniema, aber einige Lagerstätten in diesen Provinzen werden durch die Mai-Mai-Milizen und die ruandische Befreiungsarmee (ALIR) kontrolliert.
An dieser Stelle ist zu bemerken, daß der Coltan-Abbau und der Coltan-Handel in dem uns hier beschäftigenden Gebiet keine Neuigkeit darstellen. Vor der Gründung der Minengesellschaft der Großen Seen (SOMIGL) existierten bereits Unternehmen, die sich mit dem Coltan-Abbau und seiner Kommerzialisierung beschäftigt hatten: SOMIKIVU (Societé minière et industrielle du Kivu), BANRO, SAKIMA GmbH und SOZAMI (Societé zaïroise des mines), um nur diese zu nennen.
Coltan wird von der Zivilbevölkerung - zum Teil von Kindern - nicht ohne Lebensgefahr abgebaut. Dabei werden einfache Gerätschaften (z.B. Spitzhacken), manchmal die bloßen Hände, benutzt. Ich meine hier "nicht ohne Lebensgefahr" deshalb, weil es des Öfteren in den Minen zu Unfällen mit vielen Toten kommt, wenn wieder einmal ein Stollen einstürzt. Hinzu kommt, daß die Gräber oft überfallen und ihrer Ausbeute beraubt werden. Meist sind Soldaten der ruandischen Armee oder die Interahamwe-Milizen die Täter.
Das abgebaute Erz wird gegen den geringen Preis von 10 - 30 US-$ für ein Kilogramm Coltan an Zwischenhändler verkauft, die an weitere Zwischenhändler verkaufen oder es selbst zu Coltan-Kontoren bringen, die sich in den Städten Goma und Bukavu, an der Grenze zu Ruanda befinden. Besitzer bzw. Teilbesitzer dieser Kontore sind Offiziere der ruandischen Armee, die Führungskader der RCD-Goma und ruandische Geschäftsleute. Eine Ausnahme stellt in diesem Zusammenhang, wie Klaus Werner und Hans Weiss meinen, eine in der ganzen Region berüchtigte Frau, Madame Aziza Gulamali-Kulsam dar, die als Geschäftsführerin der von der RCD-Goma gegründeten Firma Minengesellschaft der Großen Seen eingesetzt wurde. Die Minengesellschaft der Großen Seen, die das Monopol über den Coltan-Handel bekam, wurde inzwischen aufgelöst.
Sogar in den Gebieten, die sich außerhalb der Kontrolle der ruandisch-patriotischen Armee befinden, behält letztere immer noch ein Auge auf alles, was dort bezüglich des Coltan-Abbaus bzw. -handels geschieht. So spricht der Bericht der UNO-Kommission zur illegalen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der DRKongo von Fällen, die apodiktisch belegen, daß die ruandisch-patriotische Armee aus der informellen Produktion gekauft hatte. Es kam zu Geschäften zwischen ihr und den Mai-Mai- oder Interahamwe-Milizen. Dem gleichen Bericht ist auch zu entnehmen, daß die meisten kriegerischen Handlungen zwischen der ruandisch-patriotischen Armee und Mai-Mai in coltanreichen Gebieten stattgefunden hatten bzw. stattfinden.
In anderen Orten, die von den Mai-Mai-Milizen beherrscht werden, scheint es ein modus vivendi zwischen der ruandisch-patriotischen Armee und ihren offenen Feinden, sprich die Mai-Mai, zu geben. Durch Mittelsmänner kaufen die ruandisch-patriotische Armee und ihre Verbündeten Coltan, das die Mai-Mai-Milizen oder die Armee für die Befreiung Ruandas aufgrund der fehlenden bzw. schlechten Infrastrukturen in der Region nicht selbst exportieren können.
Das, was ich über Ruanda gesagt habe, gilt auch für Uganda. Zumal die mir bekannten Informationen belegen, daß Uganda, obwohl das Land über keine Coltan-Minen verfügt, dieses Erz exportiert. Nach der Gründung der Minengesellschaft der Großen Seen waren manche Coltan-Händler, laut Tageszeitung vom 4.4.2001, auf die Gebiete ausgewichen, die von Uganda kontrolliert werden und wo kein Coltan-Handelsmonopol herrscht. Die Hamburger "Barter Trade Handels- und Seafood GmbH, die über ein Joint Venture in Ugandas Fischereisektor kongolesisches Tantalit kauft und in Deutschland absetzt, ist ein Beleg für die Implikation Ugandas in den Coltan-Handel. Der ugandische Armee-Oberst Otafiire ist auch Mitinhaber der Luheshe-Mine. Wie die Frankfurter Rundschau vom 9.10.2001 schreibt, gibt es zwar auch Coltan-Büros in Burundi, doch die Ruander versuchen, sehr erfolgreich ihre Hauptstadt zu einem Service- und Transitzentrum für den gesamten Osten Kongos zu machen.
Durch dubiose Kanäle gelangt das illegal abgebaute Coltan auf den Weltmarkt, in Antonow-Fliegern einiger Länder der ehemaligen Sowjetunion. Denn die belgische Fluglinie SABENA, die in den letzten Tagen nach 78-jährigem Bestehen Konkurs anmelden mußte, hat gemeinsam mit der Swissair am 15.6.2001 ein Embargo gegen den Transport von "Coltan und allen Derivaten ostafrikanischer Herkunft" verkündet. Auf dem Rückweg transportieren die o.g. Flieger Waffen für die RCD-Goma und vermutlich für die ruandische und ugandische Armee.
Auf dem Weltmarkt wird das Coltan zu hohen Preisen gekauft. In der Zeit zwischen Februar 2000 und Januar 2001 stieg der Tantalpreis auf der Londoner Metallbörse von 75 auf 400 US-$ pro Pfund. Zur Zeit liegen diese Preise, nachdem die USA ihre Coltan-Reserven auf den Weltmarkt geworfen haben, etwas niedriger. Wenn man dabei bedenkt, daß die Gräber nur 10 - 30 US-$ pro Kilo bekommen, kann man sich vorstellen, welche unermeßlichen Profite die ruandisch-patriotische Armee, die offiziellen Ugander um Museveni und ihre Verbündeten erzielen. Das kann auch heißen, daß ein Kriegsende in weiter Ferne steht.
Die Beute aus dem Kongo ist folglich nicht nur ein Mittel zur Finanzierung des Krieges, sondern sie stellt selbst auch ein Motiv zu seiner Weiterführung dar. Die Bedeutung des ökonomischen Aspekts des Krieges wird durch die drei Kriege beleuchtet, die die ruandisch-patriotische Armee auf dem Territorium der DRKongo gegen Uganda geliefert hat, weil Uganda versucht hatte, Coltan-Handel mit den Mai-Mai-Milizen, die sowohl mit Ruanda als auch mit Uganda verfeindet sind, zu betreiben. Realiter ging es nur um die Kontrolle der Minengebiete oder Mineralienhandelszentren.
Zu den deutschen Firmen, die von der illegalen Coltan-Ausbeutung profitieren, nennt der o.g. Bericht der UNO-Kommission folgende: Issa, Chpistopa, Geologitics Hanover, Masingiro und Union Transport. Hinzu kommen auch Firmen, die auf anderen Sektoren, von Kaffee über Goldfische bis hin zu Bodenschätzen, tätig sind und den Coltan-Handel daneben betreiben. Dies ist beispielsweise der Fall der o.g. Barter Trade Handels- und Seafood GmbH. Es ist auch bekannt, daß Deutsche nicht nur in der Verarbeitung und im Handel aktiv sind, sondern auch direkt im Abbau. Genannt wird hier der Deutsche Karl-Heinz Albers, ein Geologe aus Nürnberg, der nach eigenen Angaben durch vier der großen regionalen Handelslager Material über seine Firma Masingiro bekommt.
Als Europa-Marktführer in der Verarbeitung von Coltan gilt H.C. Starck, eine Tochterfirma der Bayer AG, mit Sitz in Goslar und Dependancen in den USA, Thailand und Japan. Trotz Dementis seitens der Leitung von H.C. Starck belegen im Anschluß an den UNO-Bericht sowohl die Undercover-Recherchen von Klaus Werner und Hans Weiss als auch die Erklärungen verschiedener Coltan-Händler, daß die Bayer-Tochterfirma Coltan aus dem von der bewaffneten Opposition kontrollierten Gebiet in der DRKongo bezieht.
Die Folgen des illegalen Abbaus von Coltan und dessen Handel sind vielschichtig. Die einheimische Bevölkerung vernachlässigt ihre Felder und Wirtschaften und folgt dem Tantal-Rausch. Dies hat Einfluß auf die Produktion von einheimischen Nahrungsmitteln und führt zu deren Verknappung und Preissteigerungen. Hauptsächlich die Männer "mit Taschen voller leicht verdientem Geld verlassen ihre Familien", um sich in den neu gebildeten Vergnügungsvierteln, die sich in der Nähe von Coltan-Kontoren etabliert haben, auszuleben. Prostitution und Kriminalität steigen an, sowie die sexuell übertragbaren Krankheiten (HIV), das bereits durch den Krieg betroffene soziale Gefüge wird zusätzlich belastet. Viele Lehrer geben ihre niedrig bezahlten Jobs zugunsten von relativ höher bezahlter Tätigkeit beim Coltan-Abbau auf. Auch Schüler im Alter von 8 - 9 Jahren verlassen bereits die Schule, um arbeiten zu gehen. Dies hat einen verheerenden Einfluß auf das Bildungsniveau und somit auf die Zukunft des Landes. Zusätzlich zu diesen sozialen Folgen gibt es auch ökologische. Der Abbau von Coltan hat dazu geführt, daß riesige intakte Wälder abgeholzt wurden und riesige Krater entstanden. Damit werden den einheimischen Elefanten und Flachlandgorillas die natürliche Lebensgrundlage entzogen.
Meine Damen und Herren!
Tantal ist eine Ableitung des Namens des griechischen Gottes Tantalus, der in der Unterwelt zu ewigem Leiden verdammt ist. In diesem Sinne könnte man das "ewige Leiden" auch auf die aktuelle Lage in der DRKongo bezogen sehen. Eigentlich wäre es ein Glücksfall für ein Land über einen solchen Rohstoff, wie Coltan, in ausreichender Menge verfügen zu können. Aber leider verlängert er in der DRKongo durch den von ihm ermöglichten Waffenkauf die kriegerischen Handlungen und damit das Leiden der Bevölkerung im Land.
Bonn, den 10. November 2001