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Vortrag im Rahmen der Vortragsreihe "Afrikas Zukunft ist schwarz - Geografische Probleme und Entwicklungen auf dem Krisenkontinent" der "Frankfurter Geografischen Gesellschaft"
Lieber Herr Professor Runge,
eingangs bedanke ich mich bei Ihnen für die Einladung, für Ihren Besuch auf unserer Homepage und für die Gelegenheit, die Sie mir gegeben haben, vor einem so interessierten Publikum - wie die hohe Zahl der Anwesenden belegt -, ich meine hier die Frankfurter Geographische Gesellschaft, zu sprechen.
Meine Damen und Herren,
wie angekündigt, beschäftigt sich mein Vortrag mit der "Krise in der Region der Großen Seen Afrikas - Hintergründe, Ursachen und Lösungsperspektiven, wobei ich im gleichen Atemzug hinzufügen muß, unter spezieller Berücksichtigung des Gebiets der Großen Seen Ost-Kongos.
Bevor ich zum Wesentlichen komme, erlauben Sie mir, meine Damen und Herren, eine kleine Abweichung über den Titel des Rahmenthemas "Afrikas Zukunft ist schwarz".
Bei der Lektüre dieses Titels hatte ich sofort an den immer wieder suggerierten Afropessimismus gedacht, einen Afropessimismus, der an erster Stelle der Hit-Parade der Begriffe steht, die in der letzten Zeit zur Charakterisierung der Zukunft Afrikas dienen und das falsche oder in jedem Fall unvollständige Bild eines sterbenden Kontinents vermitteln: jenes Bild eines kaputten, ewig zurückbleibenden Kontinents, der außerhalb dieser Welt liegt und den man nur sich selbst zu überlassen braucht.
Man darf nicht vergessen, daß die Gewalttätigkeiten, die in Bezug auf Afrika allzu schnell als traditionelle ethnische Konflikte bezeichnet werden, durch den Import rassistischer Ideologien genährt werden, die direkt mit jenen Ideen verknüpft sind, die Europa in der ersten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, und heute noch, in Schutt und Asche legten und legen. Diese Ideen erscheinen hier durch eine städtische Elite manipuliert, die ungeachtet ihrer "ethnischen Zugehörigkeit", darauf bedacht ist, die Macht an sich zu reißen oder zu erhalten. Dieser "tropische Nazismus", um hier mit dem französischen Historiker Jean-Pierre Chrétien zu sprechen, hatte das schwache soziale und kulturelle Gleichgewicht ins Wanken gebracht. Es kommt nicht von ungefähr, daß diese sogenannten ethnisch-stammesbezogenen Gewalttätigkeiten erst Ende der 50er bzw. Anfang der 60er Jahre auftauchten, d.h. kurz vor und kurz nach den Unabhängigkeiten vieler Länder Afrikas. Es liegt nahe anzunehmen, daß es sich hier um die Umsetzung des Prinzips "teile und herrsche" handelt.
Es wäre fehl am Platz, die Ergebnisse der in einigen afrikanischen Ländern erbrachten Reformen zu bagatellisieren, insbesondere wenn man die noch vor 10 oder 11 Jahren in manchen dieser Länder vorherrschende politische Blockierung berücksichtigt. Das Mehrparteiensystem wurde in vielen Ländern akzeptiert. Im Anschluß an die Nationalkonferenzen wurden die Autokraten hier und da marginalisiert, auch wenn bis jetzt wahre Alternanz nur in wenigen raren Fällen stattgefunden hat. Dagegen wurde eine eindrucksvolle Anzahl von Freiräumen eröffnet, in denen Meinungsfreiheit herrscht. In noch nie dagewesener Form ist eine wahre soziale Macht im Begriff, sich zu behaupten, während die zivilen Gesellschaften nach und nach gegründet werden und sich institutionalisieren - eigentlich manchmal am Rand des Staatsfeldes oder außerhalb des Einflusses der postkolonialen Bürokratien: in jedem Fall in heterogener Weise.
Das Staatsgebiet der DRKongo erstreckt sich zwischen 5° 30' nördlicher und 13° 5' südlicher Breite sowie zwischen 12° 15' und 31° 15' östlicher Länge in Äquatorialafrika. Das Land weist zwischen der nördlichen (Azandeschwelle: 600 - 800m) und südlichen (Lundaschwelle: 1100 - 1400m) Wasserscheide des Kongobeckens nur Mittelgebirgshöhen (2500m) auf, während die östliche Begrenzung längs des zentralafrikanischen Grabens alpine Höhen erreicht (Ruwenzori-Massiv: 5109m).
Im Inneren des Kongo-Beckens herrscht feucht-heißes Tropenklima, das in den Randlandschaften durch die Höhenlage gemildert ist. Im Kongo-Becken fallen 170 - 200 mm Niederschlag pro Jahr. Im Bereich der nördlichen und südlichen Schwellen beträgt die Höhe des Jahresniederschlages 100 - 150 mm. Dichter tropischer Regenwald, der beiderseits des Äquators liegt, löst sich nach Norden und Süden in Galeriewald auf, an den sich beiderseits parkartige Feuchtsavanne anschließt, die nur im Süden noch zur Trockensavanne übergeht.
Das Staatsgebiet der DRKongo umfaßt als drittgrößter Staat Afrikas 2.345.410 km² und ist damit annähernd 7 mal so groß wie die Bundesrepublik Deutschland. Die DRKongo hatte im Jahr 2001 schätzungsweise 53,5 Millionen Einwohner und eine auf die Gesamtfläche berechnete Einwohnerdichte von 21,0 Einwohnern/km². Im Vergleich dazu hat die Bundesrepublik Deutschland ca 80 Millionen Einwohner und eine Bevölkerungsdichte von 228 Einwohnern/km². Die in den Entwicklungsländern zu beobachtenden hohen Geburtenraten haben "eine junge Bevölkerung" zur Folge. In Bezug auf die DRKongo ist knapp die Hälfte der Bevölkerung (48%) weniger als 15 Jahre alt, 49% sind zwischen 15 und 64 Jahren alt und 3% haben das Alter von 65 und mehr Jahren. Für die Bundesrepublik Deutschland betragen die entsprechenden Werte 15,57%, 67,82% und 16,61%.
Was die in der DRKongo gesprochenen Sprachen anbetrifft, gehen einige Quellen von der Existenz von über 200 Sprachen für etwa 250 Volksgruppen/Ethnien aus. Diese über 200 Sprachen gliedern sich wiederum in 25 linguistische Gruppen. An dieser Stelle drängt sich die Frage nach der Zerstückelung Afrikas im sprachlichen Bereich auf. In Bezug auf die DRKongo ist aber diese Zerstückelung mehr theoretischer als wirklicher Natur, zumal einsprachig nur diejenigen bleiben, die in ihrem Geburtsort bleiben. Mit der Öffnung der sozialen Beziehungen außerhalb des Stammes tritt eine (bantu)Zwei- oder Mehrsprachigkeit hervor, die heutzutage ortsüblich geworden ist. Die "in Europa" außergewöhnliche Lage Luxemburgs kann vielleicht helfen, das Funktionieren des Systems zu verstehen: Eine mundartliche Sprache, Letzeburgisch, steht neben ihrer normalisierten Form (dem Deutsch) und einer zweiten generalisierten Sprache (dem Französischen). Als anerkannte Nationalsprachen gelten: Suaheli im gesamten Osten des Landes, Tshiluba im Süd-Osten, Lingala (auch amtliche Armee- und Polizeisprache) am Mittel- und Unterlauf des Kongoflusses und Kikongo westlich von Kinshasa (Hauptstadt der DRKongo). Staatssprache ist Französisch (von der Kolonialzeit her).
Mit dem Begriff "afrikanisches Zwischenseengebiet" bzw. "Region der Großen Seen Afrikas" wird das Gebiet bezeichnet, das zwischen Viktoriasee und der westlicher gelegenen Seenkette bis zum Tanganjikasee liegt. Anliegerstaaten sind: Ruanda, Burundi, Uganda, die DRKongo und die Vereinigte Republik von Tansania. Obgleich letztere zu den Ländern zählt, die im Zwischenseengebiet liegen, wird die Vereinigte Republik von Tansania in diesem Vortrag nicht erwähnt.
Das Zwischenseengebiet Ost-Kongos liegt östlich der Provinzen Nord- und Süd-Kivu und umfaßt eine Fläche von ca. 27.000 km² (1,15% des Landes). Das Gebiet hat im Durchschnitt eine Bevölkerungsdichte von 150 Einwohnern/km² und stellt damit das bevölkerungsreichste Gebiet des Landes dar.
Für Deutsche und Franzosen könnte die Kivu-Region an die lange Zeit chaotisch verlaufene Geschichte des Elsaß erinnern. Ein relativ schmaler Landstreifen, zwischen Wasser und Bergen eingezwängt, eine umstrittene "natürliche" Grenze, eine zweisprachige Bevölkerung, um die sich zwei Staaten streiten.
Vor der Kolonialzeit, einige Quellen sprechen vom 17. Jahrhundert, wurde die Kivu-Region von einer ruandischsprachigen Bevölkerung bewohnt, die sich Banyaruanda (wörtlich: "die Leute von Ruanda") nannten. Seit 1967 nennen sich die ruandischsprachigen Bewohner von Süd-Kivu Banyamulenge, um sich von den Flüchtlingen aus Ruanda-Urundi von 1959 und folgenden Jahren, die sich ebenfalls in Kivu niedergelassen hatten, zu unterscheiden. Wörtlich bedeutet der Begriff "Banyamulenge" die "Bewohner von Mulenge", wobei hinzuzufügen ist, daß Mulenge ein Ort im Kreis Uvira im Gebiet der Volksgruppe Bafuliro ist und ca. 10 km südlich von Lemera liegt. Im Jahre 1910 zogen Belgien und Deutschland (als Kolonialherren) eine neue Grenzlinie zwischen Belgisch-Kongo und Ruanda-Urundi. Im Rahmen der Clan- und Familienzusammenführung konnten die Banyaruanda, die durch die neue Grenzziehung getrennt wurden, sich ihren Volksgruppengenossen entweder in Belgisch-Kongo oder in Ruanda-Urundi anschließen. So fand eine "freie" und friedliche Völkerwanderungswelle in Kivu statt. Zwischen 1918 und 1948 kamen zusätzliche Banyaruanda in den Belgisch-Kongo. Einige legal, andere durch die grüne Grenze. Sie verließen die ehemalige deutsche Kolonie, Ruanda-Urundi, aus unterschiedlichen Gründen (schlechte Lebensbedingungen, Gehorsamsverweigerung den Mwami/Fürsten gegenüber, gerichtliche Verfolgungen, Anwerbung als Arbeitskräfte durch die belgische Kolonialverwaltung usw.).
Aus dem Vorhergehenden ist sichtbar, daß die Kivu-Region eine traditionelle Einwanderungsregion für die ruandischsprachige Bevölkerung darstellte, die auf der Suche nach bebaubarem Land war, das in der Gegend der Großen Seen immer rarer wurde. Es waren Menschen, die in ihrer Mehrheit Tutsi-Hirten waren, aber auch Hutu-Hirten und -Bauern. Sie hatten sich nicht mit der örtlichen Bevölkerung vermischt, sondern mit den ortsansässigen Gruppen Übereinkünfte getroffen, um sich in hochgelegenen Bergregionen niederlassen zu können. Diese hochgelegenen Bergregionen waren für den Ackerbau ungeeignet, aber für die Viehzucht günstig.
Die Raumordnungs- und Landnutzungssysteme (Ackerbau und Viehzucht), die nur im Ost-Kongo vorhanden sind, beeinflussen das traditionelle Recht und verleihen ihm einen feudalen Aspekt. Der Mwami (der Fürst) kann an die Fremden ein Nutznießungsrecht erteilen, und der Nutznießer verpflichtet sich, ihm bis zu 90% der Ernte zu geben. In der Vergangenheit war dieses Nutznießungsrecht durch einen Vertrag zwischen den Fürsten und den Einwanderern besiegelt worden. Der Vertrag hieß kalinzi bei den Bashi, vusoki bei den Banande und mutobo bei den Bahandi. Es ist kein juristische Akt im Sinne des Code Napoléon, sondern ein Beweis für die Integration der Fremden in die Volksgruppe, die dadurch ihren Ausländerstatus verlieren. Diese Integrationspolitik der Ausländer wurde auf Grund der Bodenknappheit sehr behutsam angewandt. Bei anhaltender Zunahme der Bevölkerung ohne Vervielfachung der Bodenfläche hatte jedoch diese Form der Integrationspolitik zu Entstehung und Verschärfung der Bodenknappheit geführt, mit der Folge, daß sich das Verhältnis Menschen/Boden verschlechterte: von 216 ha pro Person im Jahr 1958 ging es auf 81 ha im Jahr 1996 zurück.
Zu schwerwiegenden Unruhen ("Kanyaruanda") kam es im Jahr 1965 in den Verwaltungskreisen Goma, Masisi, Rutshuru und Walikale (Nord-Kivu). Diesen Unruhen lagen Faktoren zugrunde, die auf die Folge der starken Zunahme der ruandischsprachigen Bevölkerung zurückgingen:
Den Untersuchungsergebnissen der Teuwen-Kommission, die die Banyaruanda als Anstifter der Unruhen überführt hatten, ist auch zu entnehmen, daß je nach der Periode und dem Charakter der Einwanderungsgeschichte die Banyaruanda in der Kivu-Region in 4 unterschiedliche Kategorien klassifiziert werden können:
Bis auf die Kategorie a), freiwillige Einwanderer, besaßen die unter den Punkten b), c) und d) fallenden Migranten keine kongolesische Staatsbürgerschaft.
Nach der Machtübernahme durch Mobutu 1965 kehrte die Ruhe in der Region wieder ein. Die Machtstrategie Mobutus bestand u.a. darin, in seine nahe Umgebung die Vertreter der Minderheitsgruppen zu holen, d.h. diejenigen, die nicht in der Lage sind, für sich wichtige politische Klientel zu mobilisieren. Dies ist der Fall von Banyaruanda, deren ethnische Basis im Kongo schwach, nicht gesichert oder fast inexistent war und die auf diese Weise erhebliche politische und geschäftliche Vorteile aufgrund ihrer Position in der Machtnomenklatura ziehen konnten.
In diesem Zusammenhang mag ein Mann genannt werden, Barthélémy Bisengimana, ruandischer Abstammung, der zwischen 1969 und 1977 Direktor des Präsidialbüros war und in dieser Eigenschaft eine wichtige Rolle bei der Förderung der Tutsi-Migranten und der Banyaruanda im allgemeinen gespielt hatte. Unter seinem Einfluß gewährte Mobutu 1972 allen ruandischsprachigen Bewohnern, die sich in der zurückliegenden Zeit im Kongo niedergelassen hatten, die Staatsbürgerschaft. Diese Entscheidung betraf ca. 300.000 Personen, die in den Kreisen Masisi, Rutshuru, Walikale und Goma lebten. Aber sie ließ den Fall der Flüchtlinge von 1959 und den folgenden Jahren unberücksichtigt.
Die von Mobutu kollektiv gewährte kongolesische Staatsbürgerschaft beinhaltete ethnischen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Sprengstoff und reaktivierte Spannungen
Das am 20. Juli 1973 verabschiedete "Bakajika-Gesetz" hatte das traditionelle Bodenrecht außer Kraft gesetzt und nicht nur Grund und Boden, sondern auch die Bodenschätze an den Staat übertragen, der auch ermächtigt war, diesen an Privatpersonen zu verkaufen. Laut dem alten Bodenrecht dürfen Familien und Einzelpersonen im allgemeinen kein Eigentum an Grund und Boden besitzen. Die legitimen Eigentümer von Grund und Boden sind die Ahnen und alle Verstorbenen der Volksgruppe.
Reiche Migranten aus Ruanda und Burundi dank der ihnen erteilten kongolesischen Staatsbürgerschaft beriefen sich auf das "Bakajika-Gesetz" und erwarben kraft der Nationalisierungsmaßnahmen von 1972 Grund und Boden in Nord- und Süd-Kivu. Dies führte zu Unzufriedenheit und Unruhen unter den autochthonen Volksgruppen (Hunde, Nyanga und Nande in Nord-Kivu; Bavira und Bafuliro in Süd-Kivu), denen die Begriffe "Privateigentum, Unantastbarkeit des privaten Eigentums, Zutrittsverbot in ein sog. Privatgelände inmitten eines Volksgruppengebietes" fremd waren.
Das Nationalitätsproblem der Banyaruanda blieb für die einheimische Bevölkerung immer umstritten. Im Rahmen einer Politik der "Authentizität" ("Rückkehr zum Ursprung"), die von Mobutu zur Grundlage seiner Politik erhoben wurde, erschien es gegensätzlich, wenn man Banyaruanda, d.h. Ausländern, die kongolesische Staatsangehörigkeit verleiht.
Ruiniert durch das kleptokratische Regime Mobutus hatten die Kongolesen der Kivu-Region, die sich "echte Kongolesen" nannten, versucht, der ruandischsprachigen Bevölkerung das Leben schwer zu machen und sie zu verdrängen. Dieser unerwartete Widerstand der einheimischen Bevölkerungsgruppen überraschte Mobutu und die Regierung in Kinshasa. Sie versuchten mittels brutaler bzw. der "Nutzung der freien Verfügungsgewalt des Instrumentariums der Enteignung", sprich "Bakajika-Gesetz", entgegenzuwirken. Auf einer Sitzung des Zentralkomitees seiner Einheitspartei stellte Mobutu die folgende Frage: "Qui au Zaïre est Zaïrois, et qui ne l'est pas?" - frei übersetzt: "Wer in Zaïre ist eigentlich Zaïrer und wer ist es nicht?". In Bezug auf Nord- und Süd-Kivu konnte diese Frage nicht beantwortet werden. Daraufhin erkannte Mobutu den Banyaruanda die Staatsbürgerschaft 1981 durch ein weiteres Gesetz wieder ab, ein Gesetz, das ebensowenig eingehalten wurde, wie das vorherige. Einige böse Zungen meinen, daß das nur passieren konnte, weil Bisengimana 1977 aus seiner Funktion als Direktor des Präsidialbüros entlassen wurde. Dadurch verloren die Banyaruanda ihren Paten im Zentrum der Macht.
Die Anfang der 90er Jahre durch die "Souveräne Nationalkonferenz" eingeleitete Demokratisierungspolitik erschwerte die Lage der Migranten in der Kivu-Region, die über keine Vertretung bei diesem Treffen verfügten, aber im Übergangsparlament vertreten waren. Die Vertreter der Banyaruanda im Übergangsparlament wurden von einheimischen Vertretern der Kivu-Region mit Mißtrauen betrachtet. Man befürchtete, daß Mobutu sie aufgrund ihrer nicht eindeutigen Staatsbürgerschaft bei den bevorstehenden Wahlen mit einem der ihm eigenen Wendemanöver benutzen könnte.
Das Übergangsparlament und die Regierung verloren die Kontrolle über die Entwicklung der Lage an Ort und Stelle. So beobachtete man überall im Gebiet der Großen Seen Ost-Kongos die Entstehung von "ethnischen Organisationen", die sich auf Konfrontationen vorbereiteten. In Masisi und Walikale fing 1991 ein zweiter Aufstand ("Kanyaruanda") an, der bis Ende 1993 dauerte. Massaker, Viehtötung, Plünderungen und Brandstiftungen waren Folgen der Auseinandersetzungen zwischen Banyaruanda und kongolesischen ethnischen Milizen.
Dank der beiden durch die Kirchen und NGOs zwischen November 1993 und Februar 1994 organisierten Gespräche, an denen die Vertreter der Konfliktparteien teilgenommen hatten, kam es zur Ruhe. Aber nur für kurze Zeit. Nach dem siegreichen Einmarsch der Ruandisch-Patriotischen Front in Kigali 1994 flohen mehrere 100.000 Hutu und fanden Asyl entlang der Grenze zwischen Ruanda und den beiden Kivu-Provinzen. Für die kongolesischen Einwohner der Kivu-Region handelte es sich bei dieser Invasion um einen Plan, der von kongolesischen Hutu mit Unterstützung Mobutus organisiert war, mit dem Ziel der Einrichtung eines "Hutu-Landes" in der Kivu-Region, das auch Heimat für die ruandischen Hutu werden sollte.
Der Sieg der Ruandisch-Patriotischen Front führte zur Modifizierung der regionalen Geopolitik. Der Bruch innerhalb der kongolesischen Hutu und Tutsi wurde nunmehr breiter. Die kongolesischen Tutsi baten die Regierung in Kinshasa um Schutz, da ihr Leben in Nord-Kivu gefährdet war. Die Zahl der Tutsi-Opfer nahm zu. Dies war der Beweis dafür, daß der von den Interahamwe-Milizen in Ruanda 1994 verübte Genozid im Kongo Gestalt annahm und deutlich wurde. Die seit Jahren in Rutshuru lebenden kongolesischen Hutu warfen ihrerseits den Tutsi vehement vor, durch Desinformation, Lüge und Morde die Unsicherheit zu schüren. Für die Kongolesen verhielten sich die Tutsi opportunistisch. Sie fragten vor allem die Banyamulenge, weshalb sie nach dem Sieg der Ruandisch-Patriotischen Front, einem Sieg, zu dem sie beigetragen hatten, nicht nach Ruanda umziehen. Einige Tutsi, die sich nach Ruanda begaben, taten es, nur um zu vergleichen, welches der beiden Länder ein sichereres Leben bieten würde. Diejenigen, die über finanzielle Mittel verfügten, hatten solche Probleme nicht. Sie lebten in Ruanda wie Ruander und im Kongo wie Kongolesen. Die Rohheit der Machthaber ab Anfang der 80er Jahre und die Blockadepolitik während der "demokratischen Transition" ab 1990 ließen den Kongo-Staat herrenlos werden. Dies erklärte auch die plötzliche Beschleunigung der politischen Entwicklung, die man ab Mitte 1996 beobachten konnte.
Die demographische Karte Kongos zeigte eine besonders hohe Bevölkerungskonzentration entlang der östlichen Grenze des Landes mit Ruanda und Uganda. Die Bevölkerungsdichte lag zwischen 100 und 800 Einwohnern/km². Die Folge davon war Bodenknappheit, die die Bevölkerung dazu zwang, die poröse Grenze zu illegalem Handel mit Asien über Uganda, Kenia und Dubai zu nutzen.
Das Zwischenseengebiet Ost-Kongos war auch eine Zone von Gewalttätigkeiten und politischen Rebellionen, die sich seit Anfang der 90er Jahre von Burundi über den bergigen Kivu, Ruanda und West-Uganda bis zum Süd-Sudan ausbreitete. Die Zahl der bewaffneten Bewegungen, die die Staaten in dieser Region Afrikas bedrohten, war sehr hoch. Neben der siegreichen Ruandisch-Patriotischen Front, die von Uganda aus Ruanda im Oktober 1990 angegriffen und 1994 Kigali erobert hatte, zählte man die Hutu-Rebellen von der Front für die Verteidigung der Demokratie (FDD). Man zählte auch die Süd-Rebellen von der sudanesischen Armee für die Volksbefreiung (SPLA), die seit 1983 gegen die Regierung in Khartoum kämpfte. In Bezug auf Uganda kämpften die revolutionäre Gottesarmee und die bewaffnete ugandische Allianz der demokratischen Front.
Man lag also nicht fehl in der Annahme, daß, wenn etwas im Kongo passieren würde, es nur von dieser Region ausgehen konnte. Dennoch fand das Aufflammen am 15.4.1994 in Ruanda statt, dem Tag, an dem Belgien der UNO-Friedensmission in Ruanda (MINUAR) eine Ende setzte. Dies löste nach der Ermordung des ruandischen Präsidenten Habyarimana den Völkermord aus, der wiederum die Flucht von hunderttausenden ruandischen Hutu in die ohnehin übervölkerte Kivu-Region nach sich zog.
Die Zusammensetzung der Bevölkerung sowie die Bevölkerungsdichte erfuhren durch die Flüchtlingswelle eine dramatische Veränderung. Auf ca. einem Drittel des Gebiets, d.h. auf ca. 9.000 m2, drängten sich nun mehr als 2 Millionen Menschen, zu denen vor allem die Flüchtlinge zählten. Dies war eine Bevölkerungsdichte von mehr als 22.200 Menschen/km². Aus diesem Grund erwies sich das Zwischenseengebiet Ost-Kongos als ein ständiges Pulverfaß der Nation.
Die Angst der angestammten Bevölkerung vor der Gründung eines "Hutu-Landes" wurde in der Tat im Rahmen des Banditentums, die die Hutu-Flüchtlingslager darstellten, aktualisiert. Von da wurden Angriffe nicht nur gegen das benachbarte Ruanda, sondern auch im Inneren der Kivu-Region geführt. So wurden beispielsweise in Masisi 300.000 Stück Vieh durch die Interahamwe getötet und verkauft. Mit dem Erlös wurden Waffen gekauft, die bei Angriffen auf Ruanda, Uganda und Burundi verwendet wurden. Für die Regierung in Ruanda, die in Folge des Völkermordes noch nicht konsolidiert war, war diese Situation nicht akzeptabel. Genauso wie für Präs. Museveni von Uganda, dessen Grenzgebiete von ugandischen, kongolesischen und sudanesischen Klein- und Mittel-Kriegsherren überfallen wurden, die quer über den 3 Ländern ihre Hauptquartiere hatten.
So taten sich Kagame und Museveni zusammen, um die Region zu "befrieden". Ihre Interessen waren nicht nur geopolitischer Natur. Der bergige Kivu bildete auch den Gegenstand der Begehrlichkeit wegen seiner reichen Minen- und Agroindustrie (Plantagen). Überdies war Ost-Kongo auch ein Territorium, wohin man den Überschuß von jungen Soldaten in der ugandischen und ruandischen Armee, die man hätte demobilisieren müssen, exportieren konnte, weil sie entweder ihre Tutsi-Brüder rächen wollten oder sie in der Tat durch die ruandische Macht dazu ermutigt wurden.
Nachdem die Ruandisch-Patriotische Armee die Flüchtlingslager attackiert und die Flüchtlinge zur Flucht im Inneren Kongos gezwungen hatte, eroberten die jungen Banyamulenge, die seit 1990 in der Ruandisch-Patriotischen Front gedient hatten, Süd-Kivu (Uvira, Bukavu). In Nord-Kivu wurden sie durch eine Mischung aus ugandischen und kongolesischen Oppositionellen (Mai-Mai) und von jungen kongolesischen Tutsi unterstützt, die mit ihren Eltern 1994 aus Masisi ausgewiesen worden waren und Goma besetzt hatten.
Vor diesem Hintergrund wurde am 18.10.1996 unter der Schirmherrschaft von Ruanda und Uganda die "Allianz Demokratischer Kräfte für die Befreiung Kongos" (AFDL) als ein Zweckbündnis zwischen verschiedenen Gegnern Mobutus gegründet. Ein Zweckbündnis, dessen unmittelbare Entstehung zurückgeht auf "den bewaffneten Aufstand der Banyamulenge-Tutsis in Süd-Kivu gegen das kongolesische Regime, das sie als Ausländer betrachtete und ab Sommer 1996 aus dem Land jagen wollte - genauso wie in den Jahren davor Banyamisi-Tutsi in Nord-Kivu Opfer von Massenvertreibungen nach Ruanda geworden waren" (TAZ vom 9.4.1997). Es stellt sich die Frage: warum diese Zusammenarbeit zwischen Kigali, Kampala und AFDL? Die deutsche Wochenzeitung "Die Zeit" vom 28.3.1997 sprach in diesem Zusammenhang von der Offensichtlichkeit der gemeinsamen Interessen. Die neuen Machthaber in Ruanda wollten die letzten Reste der nach Kongo geflohenen ehemaligen ruandischen Mitglieder der Streitkräfte und der extremistischen Hutu-Milizen unwirksam machen. Die Ugander hielten zum einen treu zu Ruanda und zum anderen wollten sie, daß endlich Ruhe im Ost-Kongo einkehrt. Die AFDL wollte das Ende einer über drei Jahrzehnte währenden Mobutu-Diktatur. Neben Ruanda und Uganda gab es auch andere afrikanische Länder, die aus unterschiedlichen Gründen an der Kampagne der AFDL teilgenommen hatten. Zu nennen wären Burundi, Angola und Simbabwe. Einige Quellen berichten auch über die Präsenz von äthiopischen und eritreischen "Söldnern", die der AFDL beistanden. Die USA hatten auch auf indirekte Weise partizipiert. Der Regierung in Kinshasa standen Frankreich, Togo, der Sudan und die angolanische UNITA bei. Kuweit wird in diesem Zusammenhang auch als Unterstützter von Mobutus Regierung in Sachen Finanzen genannt.
Nach nur achtmonatigem fast kampflosen Krieg wurde dem diktatorischen Regime Mobutus ein Ende gesetzt.
Mit Mobutus Abtreten war die Hoffnung auf einen Neuanfang für Afrika und auf die Herstellung einer dauerhaften Friedensordnung in der Region der Großen Seen Afrikas verbunden. Aber diese Hoffnung war nur von kurzer Dauer. 15 Monate nach der Absetzung Mobutus sprachen die Waffen in der Region der Großen Seen erneut. Der Grund des Ausbruchs des 2. Kongo-Krieges geht zurück auf "einen potentiellen Konflikt zwischen den Interessen der kongolesischen Bevölkerung und den Ambitionen der Länder, die die AFDL gegründet bzw. unterstützt hatten, und zwar um wirtschaftlicher und politischer Vorteile willen."
Präs. L.-D. Kabila stellte die Schürfverträge (Diamanten, Gold, Kupfer...) in Frage, entließ seine ruandischen Berater und nullifizierte die Forst-Konzessionen, von denen die Ugander im Norden des Landes profitierten.
Vor dem Hintergrund von Gerüchten über einen von Ruanda und Uganda geplanten Staatsstreich beschloß Kabila im Juli 1998 die Rückführung aller in der DRKongo stationierten fremden Truppen. Daraufhin wurden am 2. August 1998 die Städte Goma und Bukavu, im Osten des Landes, und Kitona, Banana und Matadi, im Westen, durch ruandische und ugandische Truppen besetzt. Zu diesen Truppen gesellten sich auch Kongolesen ruandischer Abstammung (Banyamulenge), ehemalige Mobutisten und von Kabila enttäuschte Mitglieder der AFDL. Sie gründeten mit Unterstützung von Kigali und Kampala im August 1998 die Kongolesische Sammlung für die Demokratie (RCD), die inzwischen in mehrere Flügel gespalten ist. Dies erinnert an das Szenario bei der Gründung der AFDL 1996 - aber diesmal bleibt der militärische Erfolg aus.
Kennzeichnend für die jetzige Lage in der Demokratischen Republik Kongo ist ihre faktische Teilung in mehrere Machtzentren. Die Regierung des Präsidenten J. Kabila - mit Hilfe der Allierten, d. h. der Soldaten aus Angola und Simbabwe, Namibia hat seine Truppen seit September 2001 zurückbeordert, - kontrolliert den Westen und Süden des Landes. Im Osten, mit Sitz in Goma an der Grenze zu Ruanda, herrscht die "Kongolesische Sammlung für die Demokratie" (RCD-Goma), die militärisch von Ruanda unterstützt wird. Die "Kongolesische Befreiungsbewegung" (MLC) residiert im Norden, in Gbadolite an der Grenze zur Zentralafrikanischen Republik. Sie wird durch Uganda alimentiert. Gleichfalls unter Ugandas Fittichen stehen, bis auf die (RCD-ML) unter Wamba dia Wamba, die anderen Minderheitsflügel der RCD-ML, die irgendwo in der Provinz Oriental ihre Quartiere haben.
Da die Hauptfront des Krieges entlang der großen Minen verläuft, kann man sagen, daß sich bei dem jetzigen Kongo-Krieg, der zweite innerhalb der letzten fünf Jahre, um Bodenschätze geht. Und dies ist die "Kernaussage" des Berichts der UNO-Kommission zur illegalen Ausbeutung der natürlichen Ressourcen der DRKongo (16.4.2001) und dessen Addendums (15.11.2001). In dem Bericht heißt es: "der Konflikt im Kongo dreht sich hauptsächlich um den Zugang, die Kontrolle und den Handel mit fünf wichtigen Rohstoffen: Coltan, Diamanten, Kupfer, Kobalt und Gold". Die Bedeutung des ökonomischen Aspekts des Krieges wird durch die drei Kriege beleuchtet, die sich die ruandisch-patriotische Armee auf dem Territorium der DRKongo (Kisangani, Hauptstadt der Provinz Oriental) gegen Uganda geliefert hat, weil Uganda versucht hatte, Coltan-Handel mit den Mai-Mai-Milizen, die sowohl mit Ruanda als auch mit Uganda verfeindet sind, zu betreiben. In der Tat ging es nur um die Kontrolle der Minengebiete oder Mineralienhandelszentren.
Für die Menschen im Kongo stellt der 2. Kongo-Krieg, auch "erster Weltkrieg Afrikas" genannt, eine echte Tragödie dar. Die amerikanische NGO "International Rescue Committee" (30.4.2001) sprach von 2,5 - andere Quellen von 3 Millionen - Toten. Ein geschätztes Drittel davon waren Kinder. 200.000 Tote sind nachweislich Opfer unmittelbarer Gewalttätigkeiten geworden. Die Koordinatorin der UNO-Notprogramme, Caroline McAskie (26.11.2000), sprach vor dem Sicherheitsrat der Weltorganisation von 16 Millionen Kongolesen, ein Drittel der Gesamtbevölkerung, die unter Nahrungsdefiziten leiden, von 2 Millionen Binnenflüchtlingen und von 300.000 Kongolesen, die in Nachbarländern Zuflucht gefunden haben. Diese Zahlen sind inzwischen sicher weiter gestiegen. Die Kongolesen betrachten sich dennoch offenbar mehr denn je als Bürger eines ungeteilten Landes.
Nach mehreren erfolglosen Versuchen zur Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen im Kongo wurde am 7.7.1999 in Lusaka (Sambia) das Abkommen von Lusaka abgeschlossen, das im Juli und August 1999 unterzeichnet wurde.
Das Abkommen von Lusaka sieht im allgemeinen vor:
Spezifisch hat das Abkommen von Lusaka zum Inhalt die praktische Agenda bezüglich
Bis zur Ermordung Präs. L.-D. Kabilas am 16.01.01 wurde das fragile Friedensabkommen im repetierten Rhythmus von einer der Konfliktparteien gebrochen. So lehnte Präs. L.-D. Kabila den "Facilitateur" des interkongoleischen Dialogs, Ket Masire, mit der Begründung ab, daß er voreingenommen sei, und forderte im gleichen Atemzug die Revision des Friedensabkommens von Lusaka. Er stellte sich auch gegen die Stationierung der UNO-Mission in der DRKongo (MONUC). Seitens der bewaffneten Opposition wurde das Abkommen von Lusaka mehrmals gebrochen, indem sie u.a. die Kampfhandlungen fortsetzte, die zur Eroberung bzw. Besetzung einiger durch die Regierung in Kinshasa kontrollierter Gebiete führten.
Diese Lage der Dinge veranlaßte mich in einem am 29.10.2000 publizierten Papier zu der Frage nach den Gegnern der Wiederherstellung des Friedens in der DRKongo. Meine Antwort hieß damals: das Regime Kabilas, die bewaffnete Opposition und sowohl die "geladenen" als auch die "nicht geladenen" Alliierten der kongolesischen Kriegsparteien.
Für das Regime in Kinshasa und die bewaffnete Opposition bedeutete der Frieden, der in eine neue politische Ordnung münden soll, den Verlust der Macht. Für die "Alliierten" war der Frieden sinnverwandt mit dem Ende der illegalen Ausbeutung diverser Ressourcen der DRKongo und zugleich der Verlust der üppigen Dividenden, die ihnen der Krieg offerierte. Der im April dieses Jahres publizierte Bericht der vom UNO-Generalsekretär ernannten Kommission zur Ermittlung der illegalen Plünderung der Naturressourcen der DRKongo bestätigt stichhaltig, daß die Ursache des aktuellen Krieges vor allem wirtschaftlicher Natur ist.
Am 16. Januar 2001 wurde Präs. L.-D. Kabila, wie oben erwähnt, ermordet. Wie in einer Erbmonarchie ging die präsidiale Gewalt auf den Sohn J. Kabila über, der am 26.1.2001 in seiner Ansprache beim Machtantritt Hoffnung keimen ließ.
So wurde beim Gipfeltreffen von Lusaka (15.-16.02.2001) der Friedensprozeß in der DRKongo wieder in Schwung gebracht. Konkret: die MLC (J.P. Bemba) unterzeichnete das "Unterabkommen" von Harare (Simbabwe) vom 6.12.2000, das wiederum Teil "der Rückzugsverpflichtung" von Lusaka II (8.4.2000) ist. Letztere sieht den Rückzug der kämpfenden Kräfte um 15 km von den Frontlinien vor. Ket Masire, dessen Ablösung vom ermordeten Präsidenten L.-D. Kabila immer wieder verlangt wurde, wurde in seiner Funktion als "Facilitateur" reaktiviert. Der MONUC wurde die Stationierung ihrer Truppen in den festgelegten Gebieten beiderseits der Front gestattet.
Damit wurde der Weg zum interkongolesischen Dialog frei gemacht. Zwischen dem 20 und 24 8.2001 fanden in Gaborone (Botswana) unter Vermittlung von Ket Masire die Vorgespräche zum interkongolesischen Dialog statt. Nach anfänglichen Schwierigkeiten einigte man sich auf Addis-Abeba (Äthiopien) als Veranstaltungsort des interkongolesischen Dialogs. Das Eröffnungsdatum der Verhandlungen, die zuerst auf 45 Tage befristet wurden, wurde auf den 15.10.2001 festgelegt. In diesem Zusammenhang sprach man vom "Geist von Gaborone". Unter diesem Begriff verstand man die Überwindung der partikularen, parteipolitischen Interessen zugunsten des Wohles des gesamten kongolesischen Volkes.
Aber wie sich später herausstellte, hat der "Geist von Gaborone" nicht lange geweht. Das am 19.10.2001 eröffnete Treffen von Addis-Abeba wurde aufgrund der schwerwiegenden Divergenzen unter den Teilnehmern unterbrochen. Aber es bleibt noch eine Hoffnung, zumal in Addis-Abeba ein "Rendezvous" in Süd-Afrika vereinbart wurde. Nach den letzten Informationen sollen inzwischen die unterschiedlichen Positionen, die zum Scheitern des Treffens von Addis-Abeba geführt hatten, aufgehoben sein. Der interkongolesische Dialog wird Ende Januar bzw. Anfang Februar 2002 in Süd-Afrika stattfinden.
Trotz der unklaren Lage des Friedens in der DRKongo bin ich der Meinung, daß der interkongolesische Dialog der einzige Weg zu neuer politischer Ordnung, zur Demokratie und zum Frieden in der DRKongo bleibt. Seitens der internationalen Gemeinschaft sollen Maßnahmen ergriffen werden bezüglich
Es gibt wahrscheinlich keine andere Lösung in der Region der Großen Seen und in der DRKongo als den Versuch der Aussöhnung aller innerhalb dieser regionalen Gesamtheit lebenden Menschen, eine Gesamtheit, in der die einen und die anderen einen gemeinsamen Lebensraum finden müssen. Dies aber setzt, wie in der DRKongo, die Einberufung eines interugandischen Dialogs und eines interruandischen Dialogs voraus, mit dem Ziel, daß in den Ländern der Region der Großen Seen Regierungen "des Volkes durch das Volk und für das Volk", wie Abraham Lincoln forderte, das staatliche Leben bestimmen. Mit anderen Worten, ohne eine vom Volk legitimierte Herrschaft ist dauerhafte Stabilität nicht möglich. In Burundi, wo seit dem 1.11.2001 im Rahmen des Abkommens von Arusha (Tansania) unter Vermittlung von Nelson Mandela eine Regierung der nationalen Einheit installiert wurde, ist der erste Schritt getan. Aber der verbleibende Weg ist noch lang, da die Waffen dort immer noch sprechen.
Ich habe versucht, dem Thema "Die Krise in der Region der Großen Seen Afrikas" näher zu kommen. Aber wie nicht anders zu erwarten, kann über eine so komplexe Thematik wohl nie endgültiges und vollständiges im Rahmen einer in der Zeit begrenzten Veranstaltung, wie der heutigen, gesagt werden. Ich denke hier an erster Stelle an diejenigen Aspekte der Problematik, die aus welchen Gründen auch immer nicht bzw. nur flüchtig erörtert werden konnten.
Ich bedanke mich für Ihre Aufmerksamkeit.
Frankfurt, den 19. Dezember 2001
I. Indongo-Imbanda