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Der erste Eindruck, den ich im Rahmen meiner verschiedenen Kontakte im Foyer des Hotels, wo die Delegierten einquartiert waren, gewonnen habe, war die Begeisterung fast aller Anwesenden über die Ergebnisse der Gespräche. Einige sprachen sogar vom "Geist von Brüssel". Bis zu einem gewissen Grade ist diese Begeisterung zu relativieren, da es sich hier nur um ein informelles Treffen handelte, dessen Ergebnisse nicht verbindlich sind. Die beiden Delegierten der PALU, A. Gizenga und G. Mayombo, haben ihre Unterschriften auf dem Abschlußdokument mit einem Zusatz versehen: "vu comme propositions pour DIC" - frei übersetzt: "betrachtet als Vorschläge für den interkongolesischen Dialog". Dies veranlaßte sogar versierte Politikbeobachter zu der Schlußfolgerung, daß die PALU die Ergebnisse des "Runden Tisches" von Brüssel ablehnt. Hinter den Kulissen wurde bekannt, daß die Delegierten nicht einig über die Form des Amtes des Präsidenten waren: alleinige Präsidentschaft oder Präsidentschaft mit zwei Stellvertretern. Hinzu kommt, daß es beim interkongolesischen Dialog um solch konkrete Sachen wie die Institutionen der Übergangszeit und deren Akteure - also Machtteilung - gehen wird. Ein Experte der Zivilgesellschaft fragte sich in einem Interview mit RTNC/la voix du peuple, dem ich beiwohnen konnte, ob die Ergebnisse von Brüssel durch die Kriegsparteien vorbehaltlos akzeptiert werden.
Der bekannteste Vertreter der Kirchen war Bischof Marini Bodo. Zur Erinnerung: Bischof Marini Bodo war der Veranstalter - manche meinen auf Anordnung von Präs. L.-D. Kabila - der nationalen Konsultation, deren Beschlüsse niemals umgesetzt wurden. Für die treibenden Kräfte der Gesellschaft waren neben zwei Vertretern pro Provinz und 5 für Kinshasa als Beobachter präsent: M. Mutinga (Médias pour la paix), H. Kabarhuzha (Comité de mobilisation pour la paix), F. Chebeya (La voix des sans voix) u.v.a.
Einige "traditionelle Chefs" wohnten auch dem "Runden Tisch" von Brüssel bei: C. Munongo (Bayeke von Katanga), Nimy (Bakuba) - bei der Eröffnungsveranstaltung in traditionellen Gewändern - und Kabamba (Lulua von Kasai).
In der Halle des Hotels sah man "alte" und "junge" Politiker als Delegierte. Die ersten, auch "Pionniers de l'Indépendance" genannt, waren vertreten durch J.M. Bomboko, M. Kamitatu und A. Gizenga. Unter den "aufgehenden Sternen" waren F. Lumumba (MNC-L), D. Simbi (PDSC), R. Tshibanda (Codep), Kisimba Ngoy (Unafec), C. Lutundula und J.C. Biebie (MSDD) und Diomi Ndongala (FSD).
Auch die Mobutisten, die bei den Gesprächen durch ihren Sprecher Mutombo Bakafwa vertreten waren, haben diese Gelegenheit nicht vorbeigehen lassen. Es erschienen, wenn auch weder als Delegierte noch als Beobachter, im Foyer des Hotels: Mokolo wa Mpombo (mehrmals Minister und Berater Mobutus), Baramoto (exGeneral unter Mobutu), Nimy, nicht zu verwechseln mit dem o.g. "traditionellen Chef", (Minister unter Mobutu) und Thambwe. Letzterer war eine Zeit lang ein Kader der RCD-Goma (für Außenbeziehungen) gewesen.
Die reformierte Einheitspartei Mobutus, MPR-fait privé, war durch ihre Vorsitzende Frau Nzuzi wa Mbombo und den Geschäftsführer der Partei, Koyagialo Ngbase te Gerengbo, vertreten. Koyagialo war als Gouverneur von Shaba verantwortlich für das Massaker auf dem Campus von Lubumbashi Anfang der 90er Jahre des letzten Jahrhunderts, das zum Abbruch der Beziehungen zwischen Kongo (Zaïre) und der EU geführt hatte. Kyungu-wa-Ku-Mwanza, der bisher als politisch tot galt, nahm auch am "Runden Tisch" von Brüssel teil. Der Name Kyungu erinnert an die Pogrome, denen die Baluba von Kasai und andere Kongolesen, die nicht aus Katanga stammten, zum Opfer fielen, während er Gouverneur dieser Provinz war.
Während das Prinzip der Gleichberechtigung der Geschlechter durch die politischen Parteien nicht respektiert wurde (nur 2 weibliche Delegierte), waren zumindest 5 Frauen in der Delegation der treibenden Kräfte der Gesellschaft vertreten. Zu nennen wäre u.a. Frau Marie-Madeleine Kalala.
Der Botschafter der DRKongo in Belgien war ebenfalls fast jeden Tag im Hotel, wo man ihn im Austausch sowohl mit den Delegierten bzw. Beobachtern des Treffens als auch mit den Mitgliedern der Opposition im Ausland sehen konnte.
Man kann also sagen, daß die kongolesischen politischen und sozialen Hauptakteure beim "Runden Tisch" vertreten waren. Zu bedauern ist, daß nach dem "Runden Tisch" von Brüssel die bis jetzt latente Spaltung der kongolesischen Zivilgesellschaft in zwei unversöhnliche Fraktionen vollzogen wurde: Matusila und Buhati (pro Regierung) versus Kombo Tonga (pro Rebellion oder Tshisekedi, so die Presse in Kinshasa).
Während meiner Gespräche mit einigen Delegierten und Beobachtern hatte ich immer wieder die Frage stellen müssen, weshalb es eigentlich immer erst Krieg geben muß, bevor man sich zusammensetzt und vernünftig miteinander redet. Zufriedenstellende Antworten konnten weder ich noch meine Gesprächspartner geben. Sicher aber ist, daß die Lösung der kongolesischen Krise die Überwindung der egoistischen und parteipolitischen Interessen voraussetzt.
Wie dem Abschlußtext zu entnehmen ist, wurden die divergierenden Punkte (Implizierung aller Komponenten, die Verwaltung der Transition auf Konsensbasis), die beim Treffen von Addis-Abeba zum Scheitern geführt hatten, überwunden. Und dies ist eine Hoffnung, daß die treibenden Kräfte der Gesellschaft ("forces vives") und die politische Opposition, bis auf die FONUS und die UDPS, in Süd-Afrika die gleichen Worte mit auch tatsächlich gleicher Bedeutung versehen werden. Wenn dies der "Geist von Brüssel" bedeutet, so kann man hoffen, daß es bei dem vorgesehenen Treffen in Süd-Afrika zu einem Aufbruch kommen wird.
Berlin, den 27.1.2002
Von diesem Text gibt es auch eine französische Version in der Rubrik "en français".