archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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"Sagen Sie dies den Menschen in Europa: Es sind vielleicht zehn Leute, wenn es hochkommt, die mit dem Coltan ihre Profite machen. Und diese zehn Leute sollte man zum Teufel jagen." Vertreter von Nichtregierungsorganisationen in der Kivu-Provinz im Osten der DR Kongo (Demokratische Republik Kongo) und Kirchenleute, denen ich auf meiner Reise (Februar 2002) im ruandisch und ugandisch besetzten Osten des Landes begegne, geben sich einig: Die Antwort auf meine Frage, ob ein Moratorium beim internationalen Coltanhandel mit dem Kivu die richtige Antwort auf den fatalen Kreislauf von Rohstoffexporten und Waffenimporten ist, scheint damit eindeutig.
Für meine Gesprächspartner in Goma, Bukavu, Butembo und Beni ist ganz klar: Der Reichtum des Kongo ist zum Fluch geworden. Die Besatzungstruppen - zusammen mit ihren kongolesischen Verbündeten (RCD, MLC) beherrschen die Städte. Auf dem Land flackern immer wieder Kämpfe mit einheimischen (Mayi Mayi) und ruandischen (Interahamwe) Milizen auf. Alle bewaffneten Einheiten halten sich durch Plündern über Wasser. Die Bevölkerung von ganzen Landstrichen flüchtet in die Städte. Die Folge ist eine rapide, chaotische Urbanisierung bei gleichzeitigem Verfall öffentlicher Strukturen, Rückkehr zu neuer Subsistenzwirtschaft und weit verbreitete Erwerbslosigkeit.
Colombo-Tantalit - abgekürzt "Coltan" - heißt das in der High Tech-Industrie heiß begehrte Erz, wie es im Kivu vorkommt und hier zum Teil mit primitiven Methoden im Tagebau und in einigen Bergwerken gefördert wird. 80 Prozent dieses in den USA als "strategischer Rohstoff" bezeichneten seltenen Metalls soll im Kivu im Boden liegen. Auf dem Weltmarkt dominiert aber zur Zeit Tantal aus australischen Minen. Aus Afrika (d.h. vor allem aus dem Kivu) stammen nach Angaben des Tantalum-Niobium International Study Center (Brüssel) bis zu 15 Prozent des weltweit gehandelten Tantals, unabhängige Angaben gehen von 20-40 Prozent aus.
Das äußerst seltene und teure Tantal wird industriell für chemische Geräte, medizinische Instrumente, in Raumfahrt- und Elektronikindustrie und als Legierungsbestandteil von Edelstählen eingesetzt. Tantalpentoxid, das sich beim Zusammentreffen von Tantal mit Sauerstoff bildet, ist enorm korrosionsbeständig. Natürliches Tantal besteht fast ausschließlich aus dem Isotop Tantal-181.
Bei der Förderung und Verarbeitung von Tantal spielen deutsche Firmen an vordersten Positionen mit. Im Kivu ist vor allem die Masingiro GmbH (Burgthann) schon seit Mobutu-Zeiten im Bergbau aktiv. Sie beliefert verarbeitende Firmen u.a. in Deutschland, vor allem die weltweit führende H.C. Starck (Goslar) - eine Bayer-Tochter -, die als Weltmarktführerin im Tantal-Handel gilt, und den Anlagenbauer COMETEC (D-63589 Linsengericht).
"Kein Blut über mein Handy!" lautete ein Kampagnenaufruf einer Koalition von Nichtregierungsorganisationen in Belgien im letzten Jahr. Denn mein Handy hat mit dem Krieg im Kongo durchaus etwas zu tun, enthält es doch einen kleinen Anteil dieses Sondermetalls Tantal. "Was hat mein Handy mit dem Krieg im Kongo zu tun?" - mit dieser Frage lässt sich vielleicht Öffentlichkeit für die ungeheuerliche humanitäre Katastrophe im Kongo mobilisieren, die ansonsten für die Medien nur selten Nachrichtenwert hat.
Der Bericht einer Arbeitsgruppe des VN-Sicherheitsrats zur illegalen Ausbeutung von Rohstoffen aus der DR Kongo vom April 2001 (Dokument S/2001/357) definiert den gegenwärtigen Krieg in der Demokratischen Republik Kongo (DR Kongo, ex-Zaire) als einen Krieg um die Kontrolle und die Ausbeutung von fünf namentlich aufgeführten Rohstoffen: Coltan, Diamanten, Kupfer, Kobalt und Gold (§ 213). Unter den Empfehlungen des Berichts rangiert ein befristetes internationales Embargo u.a. für Coltan an vorderer Stelle - eine Forderung, die in einem "Addendum" zum Bericht im November 2001 wiederholt wird. Das Auswärtige Amt lehnt es allerdings einstweilen ab, diese Forderung über das Außenwirtschaftsgesetz oder auf anderem gesetzlichen Weg umzusetzen und fordert statt dessen zunächst eine Beschlussfassung auf UN-Ebene.
Ein Coltan-Moratorium empfiehlt auch eine Studie des International Peace Information Center (IPIS) vom Januar 2002, die u.a. von mehreren europäischen Sektionen von Pax Christi unterstützt wird. Während eines Moratoriums von sechs Monaten sollen die europäischen Regierungen die Verwicklungen von beteiligten Firmen aus EU-Ländern in die Kriegsökonomie im Kongo aufklären.
Wenige Tage nach der Veröffentlichung der IPIS-Studie kam das vom EED unterstützte Pole-Institut in Goma in Zusammenarbeit mit Dominic Johnson, Afrika-Redakteur der taz, mit einer eigenen Studie zum Coltan-Abbau im Kivu heraus, die auf Interviews mit Menschen aus den Abbaugebieten zurückgeht. Die Studie stellt die erschreckenden ökologischen, sozialen und gesundheitlichen Folgen des Coltanabbaus dar. "Die Verbindung zwischen den Profiten aus dem Coltanabbau und dem Krieg im Osten der DR Kongo ist offensichtlich."
Die Studie aus Goma lehnt die Forderung nach einem befristeten Embargo allerdings ab und leistet daher Argumentationshilfe für die Position der Profiteure. H.C. Starck, so Pressesprecher Manfred Bütefisch, will die Situation des Rohstoffabbaus im Kivu durchaus verbessern helfen - wie in der Studie gefordert. Der Vorwurf, die Rebellenregierung in Goma finanziere sich u.a. über Coltan-Geschäfte von H.C.Starck, so Bütefisch, treffe aber nicht zu. Aus "wettbewerblichen Gründen" will die Firma aber weiterhin keine näheren Angaben zu ihren Geschäftspartnern im Kivu machen (vgl. epd-ZA/Dritte Welt 216 vom 8.11.2001).
Dominic Johnson weist darauf hin, dass von einem 100-Millionen-Dollar-Geschäft, wie im Jahr 1999 und 2000, wegen des Preisverfalls beim Tantal inzwischen keine Rede mehr sein kann. Erübrigt sich damit die Embargoforderung?
In der DR Kongo ist die humanitäre Katastrophe von schlimmstem Ausmaß längst Realität. Das International Rescue Committee spricht in einer seriösen Studie von 2,5 Millionen Toten zwischen August 1998 und April 2001 infolge des Krieges. Die Kollaboration mit der Besatzungsmacht ist aus der Sicht der derzeitigen Profiteure im Coltan-Handel mit dem Kivu nicht das Problem, sondern dessen Lösung. Auch die deutschen Investoren gehen gelassen davon aus, dass es langfristig keine Alternative zur Besatzung geben wird. Ihre Abgaben gehen daher weiterhin an die ruandische Armee und die kongolesische Rebellenfraktion RCD, die dafür wiederum für die Sicherheit von Anlagen und Transporten garantieren. In einem durch und durch mafiösen Umfeld werden Ressourcen und Profite von einer Hand in die andere verschoben, zum Wohle der Allgemeinheit bleiben nur milde Gaben übrig. Und nach dem Scheitern des Innerkongolesischen Dialogs im April 2002 sucht die Bevölkerung im Kivu weiterhin vergeblich nach Hoffnungszeichen auf das Ende eines jahrelangen Krieges mit Millionen von Toten und Vertriebenen.
Heinz Werner Wessler
Geschrieben Anfang Mai 2002
Aus der Zeitschrift von Pax Christi