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Vortrag von Iseewanga Indongo-Imbanda im Rahmen des Partnerschaftsseminars der ökumenischen Werkstatt Wuppertal am 22.-23- November 2002
Aufgrund der praktischen Gegebenheiten teilt die kongolesische Historiographie Kongo in I. Republik, II. Republik und III. Republik ein. Während die I. Republik die Zeit zwischen dem Tag der Unabhängigkeit (30.06.1960) und der Machtergreifung durch Mobutu (24.11.1965) umfaßt, bezeichnet die II. Republik die diktatorische und totalitäre Regentschaft Mobutus und seiner Einheitspartei - der Volksbewegung für die Revolution. Dagegen ist die III. Republik, die leider seit 1990 auf sich warten läßt, die, wie das kongolesische Volk hofft, auf der Basis der Demokratie und der Achtung der Menschenrechte noch zu errichtende Republik.
Die Frage, die mich im Rahmen meines Vortrages beschäftigt, ist die nach dem Ergebnis der seit über 12 Jahren in der DRKongo andauernden Demokratisierungsversuchen. Demokratisierungsversuchen, die nicht nur das Recht auf Recht, sondern auch das Recht auf die Hoffnung auf eine bessere Zukunft implizieren.
Der Begriff der "Transition" bezeichnet hier den Übergang von einem nicht-demokratischen Regime zu einem demokratischen Staatssystem. Dieser Übergang kann diverse Formen annehmen. Die wesentliche Erfolgsvoraussetzung eines demokratischen Übergangs ist sein gewaltfreier Charakter, der für eine typisch demokratische Regierungsalternanz bürgt.
Als ein dynamischer Prozeß findet die "Transition" in sukzessiven Phasen statt, Phasen, die vom Sturz des nicht-demokratischen Regimes ausgehen und in die eventuelle Errichtung eines demokratischen Systems münden oder zu dessen Scheitern führen. In diesem Sinn ist das "AFDL-Regime" das Beispiel eines mißlungenen Übergangs vom diktatorischen zum demokratischen Regime. Die Errichtung eines demokratischen Systems setzt vorhergehend das Scheitern des autoritären Regimes voraus, aufgrund entweder des Fehlens der Legitimität oder der Unfähigkeit (dieses Regimes), den Veränderungen zu begegnen.
Auf die Gefahr hin mich zu wiederholen, ist an dieser Stelle zu bemerken, daß die Demokratisierung nicht statisch ist. Sie ist vielmehr eine nach vorn gerichtete Bewegung, die jeden Tag einen mühsamen Einsatz verlangt und an deren Ende Institutionen geschaffen werden, mittels derer die Machtausübung, selbstverständlich durch Machtdelegation, ihre unanfechtbare Legitimität findet.
Die Bilanz des vom Präs. Mobutu 1990 eingeleiteten Demokratisierungsprozesses, als Antwort auf die Ereignisse im Mittel- und Osteuropa und als Folge der negativen Ergebnisse der von ihm Anfang 1990 initiierten Volksbefragung, ist bis zum heutigen Tag insgesamt negativ. Man spricht, um hier einige Titel zu zitieren, die sich mit der Thematik beschäftigt haben, von einer "mißlungene(n)", "lärmende(n)", sogar "chaotische(n) Transition".
Von allen Seiten als idealer Rahmen betrachtet, in dem sich das damalige zaïrische Volk in Frage stellen und wieder mit sich selbst und mit der politischen Führung des Landes versöhnen kann, hatte die "Souveräne Nationalkonferenz" trotz der außerordentlichen Qualität der geleisteten Arbeiten ihr Ziel, nämlich die Errichtung eines demokratischen Staatssystems, verfehlt. Die angenommenen Beschlüsse und die errichteten Mechanismen und Strukturen zur Machtausübung, die eine bessere Zusammenarbeit zwischen dem Präsidialamt und der aus der "Souveränen Nationalkonferenz" hervorgegangenen Regierung einerseits und der Führung des "Hohen Rates der Republik" andererseits hätten ermöglichen können, existierten nur auf dem Papier.
Einerseits schien die Opposition in der Alltäglichkeit des Übergangs nicht in der Lage gewesen zu sein, wie einige Beobachter der kongolesischen politischen Szene meinen, ein alternatives Gesellschaftsmodell anzubieten. Ihr gemeinsamer Nenner war, wie die Streitigkeiten und die politischen Zwistigkeiten in ihrer Reihe genügend belegen, einzig die Opposition gegen die Einheitspartei (MPR). Demzufolge läßt sich, aufgrund des Fehlens eines gemeinsamen Programms der Zukunft, die Frage stellen, ob die Opposition gegen die Einheitspartei allein genügte, um Mobutu zum Teufel zu jagen und einen friedlichen Übergang von der Diktatur zur Demokratie zu ermöglichen. Nach zahlreichen Ernennungen von Premierministern aus dem Lager der Opposition durch Mobutu beschränkten sich die Anstrengungen der verbliebenen Opposition darauf, den durch den "Hohen Rat der Republik", mit einer respektablen Mehrheit, als Premierminister gewählten E. Tshisekedi, wieder in das Amt des Regierungschefs einzusetzen.
In diesem Zusammenhang sprach man von der "Tshisekedisierung" des politischen Kampfes, wobei hinzuzufügen ist, daß diese, also die "Tshisekedisierung", bei anderen Politikern der Opposition Eifersucht und Neid erregt hatte, mit der Folge, daß eine Anzahl von ihnen die "Heilige Allianz" verließen. Mit anderen Worten, obwohl E. Tshisekedi als Symbol der Einheit der Opposition galt, trug seine unanfechtbare Popularität zur Trennung der vereinigten oppositionellen Kräfte bei. Dies hatte zur Folge, daß Mobutu mehr denn je die Zügel der Macht in der Hand festhielt.
Zur Erinnerung möchte ich an dieser Stelle erwähnen, daß die "Heilige Allianz" gegründet wurde, um das Vorgehen der Opposition gegenüber der aus der MPR und ihr nahe stehenden Parteien bestehenden "mouvance présidentielle" abzustimmen. Sie wurde später in "Heilige Allianz der Erneuerten Opposition" (Birindwa) und "Heilige Allianz der Radikalen Opposition" (Tshisekedi) gespalten. Wenn man den damaligen Presseberichten Glauben schenken darf, so hatte sogar eine Implosion der "Heiligen Allianz der Radikalen Opposition" stattgefunden. Die "Union der Unabhängigen Demokraten" (UDI), Mitglied der "Heiligen Allianz der Radikalen Opposition", hatte im Juli 1993 die UDPS wegen "mangelnder Solidarität, innerer Widersprüche und Doppelzüngigkeit" beschuldigt. Auch die zweite Partnerin der UDPS in der "Heiligen Allianz der Radikalen Opposition", die "Demokratische Sozial-Christliche Partei" (PDSC), hatte ebenfalls im Juli 1993 der UDPS die "Unglaubhaftigkeit" vorgeworfen, nachdem letztere, also die UDPS, sich verweigert hatte, das rotierende Präsidium der "Heiligen Allianz der Radikalen Opposition" an sie ("Demokratische Sozial-Chrsistliche Partei") zu übergeben.
Andererseits hatten Mobutu und seine "Präsidialbewegung" jeglichen konstruktiven Dialog verhindert. Zu den gesetzwidrigen Entscheidungen Mobutus unmittelbar nach dem Abschluß der "Souveränen Nationalkonferenz" mögen stellvertretend für viele folgende erwähnt werden:
So gab es nach dem Willen Mobutus zwei Premierminister, zwei Regierungen und zwei Verfassungen. Einige Quellen sprachen sogar von vier Verfassungen.
Vor diesem Hintergrund und über sechs Jahre nach dem Beginn der Transition wurde die "Allianz Demokratischer Kräfte für die Befreiung von Kongo", als politische Plattform, im Oktober 1996 gegründet. Um den Rahmen meines Vortrags nicht zu sprengen, verzichte ich auf die Annotation dessen, was die Machtergreifung durch die AFDL ermöglicht hatte. Aber festzuhalten ist, daß die DRKongo in Folge der Entscheidung Laurent-Desiré Kabilas sowohl die politischen Parteien als auch die politischen Aktivitäten zu verbieten, in eine unsichere Übergangszeit eingetreten war.
Wie Sie wissen, tobt seit dem 2. August 1998 in der DRKongo erneut ein Krieg. Auslöser war ein potentieller Konflikt zwischen den Interessen des kongolesischen Volkes, Interessen, die Präs. Kabila berücksichtigen mußte, und den politischen und wirtschaftlichen Ambitionen Ruandas und Ugandas. Die beiden Länder hatten bekanntlich L.-D. Kabila 1997 gegen Mobutu militärisch zur Macht verholfen. Zu den Truppen Ruandas und Ugandas gesellten sich auch Kongolesen ruandischer Abstammung (Banyamulenge), ehemalige Mobutisten und von L.-D. Kabila enttäuschte Mitglieder der AFDL. Sie gründeten mit Unterstützung von Kigali und Kampala die "Kongolesische Sammlung für die Demokratie" (RCD), die zur Zeit in mehrere Flügel gespalten ist. Einige Zeit später wurde unter der Schirmherrschaft von Uganda die "Bewegung für die Befreiung von Kongo" (MLC) ins Leben gerufen.
Nach mehreren erfolglosen Versuchen zur Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen in der DRKongo wurde am 7.7.1999 in der sambischen Hauptstadt das Abkommen von Lusaka abgeschlossen, das im Juli und August des gleichen Jahres unterzeichnet wurde. Das fragile Abkommen von Lusaka wurde regelmäßig von einer der Konfliktparteien gebrochen.
Dem Thema getreu werde ich jetzt direkt auf den innerkongolesischen Dialog eingehen, der zum Ziel hat, die Einleitung einer neuen politischen Ordnung in der DRKongo. Einer neuen politischen Ordnung, die wiederum zu freien, demokratischen und transparenten Wahlen führen soll.
Nach zwischenzeitlichen ergebnislosen Treffen der Kriegsparteien in New York, Abuja (Nigeria) und Genf begann am 25.02.2002 in Sun City (Südafrika) der innerkongolesische Dialog, an dem 360 Delegierte teilnahmen. Sie vertraten die Regierung in Kinshasa, die Rebellenorganisationen, die politischen Parteien und die Gruppen der Zivilgesellschaft. Nach 52 Tagen - 45 waren vorgesehen - hatte der innerkongolesische Dialog eine Maus geboren. Ich meine, er hatte, am 19.04.02, seine Tore mit einem "partiellen Rahmenabkommen" geschlossen.
Dieses sah folgende Aufteilung der Staatsämter vor:
Das "Rahmenabkommen von Sun City" hatte eine entscheidende Schwäche: das Konsensprinzip des Lusaka-Abkommens wurde zugunsten des Mehrheitsprinzips aufgegeben. Folgerichtig fühlte sich ein Teil der Delegierten beim innerkongolesischen Dialog von Sun City nicht an dieses Abkommen gebunden. Unter der Federführung der RCD-Goma und der UDPS hatten einige von ihnen die "Allianz für die Rettung des innerkongolesischen Dialogs" ins Leben gerufen, deren Hauptziel es ist, alle Parteien an einer globalen und inklusiven Lösung der kongolesischen Krise zu beteiligen. Parallellaufend hatte eine Gruppe politischer Persönlichkeiten, die weder das "Abkommen von Sun City" unterzeichnet hatten noch der "Allianz für die Rettung des innerkongolesischen Dialogs" beigetreten waren, in Kinshasa ein politisches Kollektiv, die kongolesische politische Opposition, gegründet.
Anfang Juni 2002 fanden in Matadi (Bas Congo) Gespräche zwischen Regierung, MLC und anderen Unterzeichnern des Abkommens von Sun-City über die Charta der Übergangszeit statt. Gespräche, die ohne nennenswerte Ergebnisse abgebrochen wurden. Das Scheitern des Treffens von Matadi geht auf die gegensätzlichen Ziele der beiden Hauptunterzeichner des "Abkommens von Sun City" (Regierung und MLC) zurück. Die Berliner TAZ, die ich hier frei zitiere, schrieb darüber: Kabila dachte, er habe die Rebellen gespalten; Bemba dachte, er habe Kabila entmachtet.
Die eben erwähnten gegensätzlichen Ziele sind die unüberbrückbaren Divergenzen in Hinsicht auf den Auftrag zur Regierungsbildung und auf das Oberkommando der Armee. Während die Vertreter der Regierung bei den Gesprächen in Matadi darauf bestanden, daß J.P. Bemba von J. Kabila formell ernannt werden muß, lehnte die MLC-Delegation dies mit der Begründung ab, daß sich dies um eine Geste der Unterwerfung handele. Was das Oberkommando der Armee anbetrifft, plädierte die MLC dafür, es dem Verteidigungsrat zu übertragen. Regierungsvertreter hingegen beanspruchten das alleinige Oberkommando für J. Kabila.
Kurzum: Der innerkongolesische Dialog von Sun-City (25.02.-19.04.2002), aus dem die "neue politische Ordnung" hervorgehen sollte, war ohne nennenswerte Ergebnisse zu Ende gegangen. Das am Rand dieses Treffens unterzeichnete "partielle Rahmenabkommen" konnte bei den Gesprächen von Matadi nicht in eine Charta der Übergangszeit münden.
Bedeutete die Nichtumsetzung des "Abkommens von Sun City" das Ende des innerkongolesischen Dialogs? Dies ist nicht der Fall. Denn: Seit dem Fiasko von Matadi wurde seitens der UNO, der Afrika Union, Süd Afrikas und der Nichtunterzeichner des "Abkommens von Sun City" ununterbrochen versucht, den innerkongolesischen Dialog zu reaktivieren. Nicht ohne Erfolg. Seit Ende Oktober gibt es ein Vorabkommen, dessen festgelegte Prinzipen zum Inhalt haben:
Als institutionelle Architektur der Übergangszeit sieht das Vorabkommen vor: einen Staatspräsidenten und vier Vize-Staatspräsidenten - man spricht auch von "1 + 4" -, die Regierung, die Nationalversammlung, den Senat, die Gerichte und höheren Gerichtsinstanzen. Vorgesehen sind auch Institutionen für die Konsolidierung der Demokratie (unabhängige Wahlkommission, die Menschenrechtskommission, die oberste Medienbehörde, die Kommission "Wahrheit und Versöhnung", die Kommission für die Bekämpfung der Korruption). Was die Armee anbetrifft, wird man auf den Mechanismus betreffend die "Bildung einer nationalen, restrukturierten und integrierten Armee" zurückgreifen, der am 10.04.02 in Sun City angenommen worden war. Um die nationale Versöhnung zu fördern, wurde dem Prinzip der Beendigung aller Kampfhandlungen in der Gesamtheit des nationalen Territoriums, der Annahme des Amnestiegesetzes und der Sicherung sowohl der Stadt Kinshasa als auch der Leiter der Institutionen der Transition zugestimmt.
Während die MLC und die RCD-Goma von einer "vertikalen" Machtteilung, d.h. auf allen Ebenen, sprechen, ist die Regierung in Kinshasa der Meinung, daß sich die Machtteilung auf die Staatsämter beschränkt. Ein anderer Streitpunkt ist die von der bewaffneten Opposition geforderte Gleichstellung der Mitglieder des "Präsidialkollektives". Die Regierung in Kinshasa interpretiert die Formel "1+4" wie folgt: die Zahl "1" bedeutet, daß es in der DRKongo einen Staatspräsidenten gibt, der auch Chef der Exekutive ist.
Ohne hier den Delegierten bei den laufenden Gesprächen in Pretoria ins Wort zu fallen, bin ich der Meinung, und dies ist die Meinung vieler Beobachter, daß die Formel "1+4" zur Unregierbarkeit der Republik führen kann, d.h. zu einer neuen Krise, die schwerer als die jetzige sein könnte. Es besteht die Gefahr, daß die verschiedenen Vizepräsidenten die ihnen zugeteilten Ressorts als ihr Jagdrevier betrachten. In diesem Fall werden konzertierte Aktionen innerhalb der Exekutive schwer durchführbar. Eine andere Schwierigkeit betrifft die Führung der noch zu vereinigenden Streitkräfte. Die Rebellenorganisationen verlangen eine Art kollegiale Führung der Armee. Wenn man hierbei bedenkt, daß wir es in Kinshasa, Gbadolite und Goma mit Prätorianergarden zu tun haben, d.h. mit Milizen, die nur ihren lokalen Chefs unterstehen, die die geteilten Entitäten des Landes regieren, kann man daraus schlußfolgern, daß sie nicht in der Lage sein werden, sich als echte republikanische Streitkräfte zu verhalten.
Der Grund für den bisher noch nicht gelungenen Übergang von der II. zur III. Republik ist die kongolesische politische Klasse, die die Gewohnheit angenommen hat, ihre eigenen Interessen über die Interessen des Landes und des Volkes zu setzen. So ist in der letzten Zeit immer wieder die Rede von der Machtteilung. Von einem Gesellschaftsprojekt und (von) einem Programm für die Zukunft hört man dagegen nichts.
Aus Erfahrung wissen wir, daß sich eine politische Partei durch ein Ideal oder ein Gesellschaftsprojekt definiert. Die Mitglieder der meisten kongolesischen politischen Parteien aber rekrutieren sich aus ihren "Gründungsvorsitzenden" und deren Familienmitgliedern oder Freunden.
Angesichts dieser Gegebenheiten muß man sich fragen, ob es sich bei diesen Gruppierungen in der DRKongo überhaupt um politische Parteien handelt.
In diesem Zusammenhang sind auch die Ambitionen der kongolesischen Zivilgesellschaft zu kritisieren. Zivilgesellschaft, die sich zum einen in zwei Flügel gespalten hat, Pro- und Kontra-Regierung, und zum anderen Staats- bzw. Regierungsämter im Rahmen der Transition verlangt.
An dieser Stelle möchte ich daran erinnern, daß das Konzept der Zivilgesellschaft im Europa des 19. Jahrhunderts seinen fernen Ursprung hat, als sich in den Staatsdiskussionen die These durchzusetzen begann, daß Staat und Gesellschaft keine Einheit bilden, sondern im Gegenteil zwei voneinander getrennte Sphären sind, mit unterschiedlichen Aufgaben und Kompetenzen, wobei aus dem harmonischen oder auch konfliktuellen Zusammenwirken der beiden Sphären die politischen, sozialen und ökonomischen Strukturen erwachsen, die das menschliche Zusammenleben bestimmen.
Weltweit relevant wurde die Frage der Zivilgesellschaft dann im Zuge des globalen Demokratisierungsprozesses. Demokratische Reformen, so das Credo, sind nur dann von nachhaltigem Erfolg gekrönt, wenn sie von unten, also von der Gesellschaft stimuliert, mitgetragen und kontrolliert werden. Davon ausgehend, ist zu fragen, ob die Forderung nach Staats- bzw. Regierungsämtern seitens der kongolesischen Zivilgesellschaft mit ihrem Ziel, das neutral sein soll, konform ist. Es fragt sich auch, ob unter diesen Umständen das Wort Zivilgesellschaft in der kongolesischen Wirklichkeit am Platz ist. Mir scheint, zumindest dann nicht, wenn man es seines ursprünglichen Sinngehalts nicht entleeren möchte.
Alles zu wollen, ohne die Möglichkeit, es sich anzueignen, birgt das Risiko, nichts zu bekommen, sogar das zu verlieren, was man hat. Insbesondere wenn man dabei in Betracht zieht, daß es zwischen "Alles und Nichts" einen Platz für etwas gibt, was man trotz seiner Bescheidenheit und Zerbrechlichkeit leben und wachsen lassen muß. Aber zeichnet sich Politik nicht auch dadurch aus, Kompromisse zu schließen, ohne sich zu kompromittieren? Kompromisse, die es ermöglichen, sich dem Ziel in kleinen stetigen Schritten zu nähern.
Das, was der "Souveränen Nationalkonferenz" aufgrund der Obstruktion Mobutus und seiner "Präsidialbewegung" nicht gelungen war, nämlich reinen Tisch zu machen, hätte Sun City erreichen müssen. Ich meine, Sun City hätte zur Entstehung neuer Institutionen, einer "neuen politischen Ordnung" und zur Geburt neuer und integerer Politiker beitragen können. Das heißt, diejenigen, die dem Land während der MPR-Ära und unter sukzessiven AFDL-Regimen (Kabila sen. und Kabila jun.) gefehlt hatten bzw. noch fehlen.
Seit dem 15. November 2002 hat in Pretoria die zweite Runde der Vorgespräche zum innerkongolesischen Dialog begonnen. Zur Debatte steht das vom Sonderbeauftragten des UNO-Generalsekretärs für den innerkongolesischen Dialog, M, Niasse, nach getrennten Verhandlungen mit den Delegationen elaborierte Papier. Ich hoffe, daß in Pretoria eine schnelle Lösung der kongolesischen Krise im Sinne des Abschlusses eines globalen und inklusiven Vorabkommens über die Übergangszeit gefunden wird. Dies ist auch, wie ich hoffe, die Hoffnung vieler Kongolesen sowie an der friedlichen und demokratischen Entwicklung in der DRKongo interessierter Menschen.
Berlin, den 24.11.2002