archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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Die Inhaftierung in Paris des auch in Deutschland bekannten Stars der kongolesischen Musikszene, Papa Wemba, hat im Kreise der Anhänger der "Weltmusik" und der afrikanischen Kultur in Afrika und Europa einen Schock ausgelöst.
Verhaftet am Montag, den 17.2.2003, zusammen mit seiner Ehefrau, die inzwischen freigelassen wurde, wird Papa Wemba die "Beihilfe zu Einreise und Aufenthalt von Ausländern ohne gültige Papiere" vorgeworfen. Das heißt, Menschenhandel zu betreiben. Ihm wird auch Urkundenfälschung und unberechtigter Erwerb sowie unberechtigter Besitz von Verwaltungsdokumenten zur Last gelegt. Belgien, wo ihm die gleichen Taten vorgeworfen werden, hat einen Auslieferungsantrag gestellt.
Inzwischen hat er ein Geständnis abgelegt.
Gegen Bezahlung von 3.500 US-$ ließ der "Sklavenhändler der modernen Zeit", so einige kongolesische Zeitungen, den Kandidaten für die illegale Emigration auf die Liste der Musiker eines seiner fünf in Europa auftretenden Orchester eintragen. Er gab vor dem Haftrichter zu, ungefähr 100.000 € einkassiert zu haben. Die wahre Geldsumme liegt sicher höher als das. Denn in seinem Geständnis ist auch die Rede von 200 Einwanderern, von denen einige, vor allem junge Frauen, als Prostituierte arbeiten, während die restlichen als Asylbewerber in verschiedenen EU-Ländern kümmerlich leben.
Papa Wemba, so die Polizei, war seit 2 Jahren im Visier im Rahmen der Ermittlungen über die oben genannte Praxis, die in Kongo unter dem euphemistischen Ausdruck "phénomène ngulu" bekannt ist. Während dieser Zeit wurde auch sein Telefon überwacht.
Der Menschenhandel wird in Frankreich, falls er individuell betrieben wird, mit 5 Jahren Gefängnis geahndet. Die Strafe aber verdoppelt sich, wenn nachgewiesen ist, daß der Beschuldigte einer organisierten Bande angehört.
Zu allem Überfluß wurde der "König des kongolesischen Rumba" im gleichen Moment hinter Schloß und Riegel gebracht, als der belgische Senat begann, den Bericht der Unterkommission "Menschenhandel" zu beraten. Unterkommission, deren Mitglieder sich wegen der Ermittlungen nach Kinshasa begaben und die neben Papa Wemba und anderen Musikern auch den kongolesischen Klerus und kongolesische Politiker der Einschleppung illegaler Kongolesen nach Europa beschuldigt.
Wir werden nie müde, da die Tat niederträchtig ist, nach dem zu fragen, was zu einer solchen mafiösen Praxis führt. Die Antwort liegt auf der Hand: das moralische Defizit, das soziale Abgleiten und die politische Sackgasse sind die wesentlichen Gründe. Mit anderen Worten, diese abscheulichen Taten, die auf das Fehlen vom Ideal und von Bezugspunkten zurückgehen, verlangen eine zyklopische und permanente Überlegungs- und Verpflichtungsanstrengung, um ohne Verzug und unaufhörlich die Quelle dieses generalisierten Unheils, das unser Land untergräbt, zu diagnostizieren mit dem Ziel: es besser zu bekämpfen und einzudämmen.
Das, was uns am meisten in Erstaunen versetzt hat, ist, daß sich viele Kommentatoren in einer Rhetorik sehr expressionistischer Emotion haben mitreißen lassen, Rhetorik, in der vor allem die Gefühle in auffälliger Weise zum Ausdruck kommen, mit der Folge, daß sich hier das Phänomen der Umkehrung produziert. Der zügellose Versuch, den Grund für die Verhaftung Papa Wembas bei den anderen als bei ihm selbst zu suchen, ist so karikaturenhaft, daß er sich diskreditiert und zum Klischee herabgesetzt hat. Indem sie Papa Wemba wegen seiner Missetat entschuldigen, versuchen diese Kommentatoren ihn als Robin Hood der neuen Zeit darzustellen. Nun war Robin Hood in der Tat nur ein Bandit...
Man liest hier und da, daß die Kandidaten für die illegale Emigration angesichts der zur Zeit herrschenden katastrophalen Situation in der DRKongo keinen anderen Ausweg als die Auswanderung hatten. Und Papa Wemba hat sich in diesem Fall "humanitär" betätigt. Die Realität aber sieht anders aus, und die Geschichte scheint dieser Sichtweise nicht zu entsprechen. Indem Papa Wemba gegen Bezahlung seine "Dienste" für illegale Sachen angeboten hat, hat er sich strafbar gemacht.
3.500 US-$ sind im kongolesischen Kontext ein hübsches Sümmchen, das ein unerreichbarer Traum für viele Kongolesen ist und bleibt. Einige Eltern veräußern sogar ihren Besitz oder stürzen sich in Schulden, um ihren Kindern die Reise ins "Gelobte Land" zu ermöglichen, mit der Hoffnung, daß sich diese Investition auszahlt... Mit 3.500 US-$ kann man das jährliche Schulgeld für 100 kongolesische Schüler bezahlen.
Das, was wahr ist, ist, daß das Paradies, das viele Kongolesen auf diese Weise erreichen wollen, um ihrer Misere zu Hause zu entfliehen, nur in der kollektiven Einbildung existiert, die von einigen ihrer im Ausland lebenden Landsleuten erzeugt und aufrechterhalten wird, denen der Mut fehlt, das Wagnis des Lebens in Europa realitätsgemäß wieder zu geben: Arbeitslosigkeit, Beschäftigung unter der Qualifikation, massive Ausweisungen...
Folglich legen wir nahe - es handelt sich hier um eine Empfehlung, der jegliche Arroganz eines Tadels fehlt - daß die in Europa lebenden Kongolesen ohne jegliche "m'as-tu-vu-Allüre" in ihrem Austausch mit ihren zu Hause gebliebenen Verwandten und Freunden über das Leben in Europa informieren sollen. Europa, wo auch nicht Milch und Honig fließen.
Bei unserer Tätigkeit als Dolmetscher in Asylangelegenheiten sind wir Kongolesen begegnet, die - mit geschlossenen Augen, nicht durch bewußte Ablehnung, sondern in Folge ihrer sozio-ökonomischen Situation in der DRKongo - die Schule oder die Universität verlassen haben, um ihre Chance in Europa zu suchen, und die sich jetzt vor einer quasi unlösbaren Situation befinden:
Mehr als ein Mal haben uns mehr als ein Kongolese unter vier Augen bestätigt, daß sie nicht nach Europa gekommen wären, wenn sie vorher richtig über die Lage informiert gewesen wären. Aber ohne das Ziel (!) erreicht zu haben, nach Hause zurück zu gehen - ist das nicht eine Schande für die Familie und für den gesamten Clan?
Wir sind uns dessen bewußt, daß es nicht möglich ist, die Emigration total zu bändigen. Dennoch kann ein bißchen Bemühungen seitens derjenigen, die uns ohne unsere Legitimation regieren, um die multidimensionale Krise in der DRKongo zu lösen, helfen, die Motivation für die Auswanderung unter Kontrolle zu halten.
Berlin, den 27.2.2003