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Die letzte Woche war reich an Ereignissen in Bezug auf die unmittelbare (die Transition) und langfristige Zukunft der DRKongo.
Die RCD-Goma, die wichtigste ex-Rebellenbewegung, die ihre Teilnahme an der Arbeit des Folgekomitees vor zwei Wochen suspendiert hatte, ist mit neuen Vertretern nach Kinshasa zurückgekehrt. Der Grund für die Neubesetzung der Delegation der RCD-Goma beim Folgekomitee - Neubesetzung, die von vielen übereilt als Entlassung von Generals J.P. Ondekane und Mudumbi interpretiert wurde -, ist einfach: laut dem Sprecher der RCD-Goma, Lola Kisanga, funktioniert seine Bewegung auf der Basis des Rotationsprinzips. Dennoch ist hinzuzufügen, daß die Gründe, die zur Abberufung der Vertreter der RCD-Goma beim Folgekomitee geführt hatten, immer noch aktuell sind. Die neuen Verhandlungen, so Lola Kisanga weiter, werden sich auf das Kommando des Heeres und das Gentlemans Agreement über die Besetzung des der politischen Opposition im Rahmen des globalen und inklusiven Abkommens von Pretoria (17.02.02) zustehenden Amtes des Vize-Präsidenten fokussieren.
Durch den Außenminister, She Okitundu, hat der Staatschef wissen lassen, daß seine Regierung der RCD-Goma keinesfalls die Leitung des Heeres überlassen wird. Eine empörende Einstellung, nicht wahr? Denn: der "erste Weltkrieg Afrikas" war ohne Sieger und Verlierer zu Ende gegangen und keine der Krieg führenden Parteien verfügt über eine Volkslegitimität. Postwendend hat der Sprecher der RCD-Goma die o.g. Erklärung Präs. Kabilas als "politische Gestikulationen" und "Täuschungsmanöver" abqualifiziert. Gleichzeitig hat er hinzugefügt, daß seine Bewegung immer noch Vertrauen in die Vertragstreue Präs. J. Kabilas in die unterzeichneten Abkommen hat. Im Klartext heißt das, die RCD-Goma erwartet von Präs. Kabila Flexibilität und Bereitschaft zum Kompromiss im Zusammenhang mit den sensiblen Fragen, die heute den Zankapfel zwischen Goma und Kinshasa darstellen.
Wir sind der Meinung, daß "Verhandlungen führen" die Disposition zur Aufgabe der initialen Position am Ende dieser Verhandlungen einschließt. Sich dieser Evidenz nicht zu unterwerfen, wie die Regierung in Kinshasa mittels ihrer maximalistischen Positionen zum Ausdruck bringt, kommt der Unredlichkeit gleich. Im gleichen Atemzug ist in diesem Zusammenhang an das neue Kommuniqué des internationalen Folgekomitees zu erinnern. Kommuniqué, das am 05.06.03 in Kinshasa publiziert wurde und in dem es die "Verzögerungen und Ausflüchte bei der Umsetzung der Transition" anprangert. Das von den einen und den anderen dabei verfolgte Ziel ist das Verewigen der Privilegien, die ihnen die usurpierte Macht verschafft.
Die durch Frankreich initiierte und seiner Führung unterstellte multinationale Kraft hat das grüne Licht des Sicherheitsrates der UNO zur Sicherung der Stadt Bunia (Ituri), die der massiven Destruktion durch die unkontrollierten und unter dem Einfluß des Auslands stehenden Milizen ausgeliefert ist, bekommen. Das, was Fragen und Besorgnisse hervorruft, ist die zeitliche (bis zum 1. September 2003) und räumliche (Bunia) Begrenztheit dieses Mandats. Folgerichtig fragt man sich: was wird aus der Gegend nach dem Abzug der multinationalen Kraft am Ende ihrer Mission? Es ist beharrlich die Rede vom Ersatz dieser Kraft durch die Monuc-Truppen, deren Auftritt in der letzten Zeit in der Region für die zivile Bevölkerung nicht hilfreich war. Letztere wurde abwechselnd und wiederkehrend durch die beiden Milizen (Hema und Lendu) als Geisel genommen. Milizen, deren ausländische Gesellschafter bekannt sind und die um die Kontrolle der aufgrund ihres Reichtums an Bodenschätzen und Edelholz bekannten Region streiten. Die einzige Hoffnung bleibt die Änderung des Mandats der Monuc, die eine Interventionskraft werden soll.
Während die ugandische Regierung den Armeegeneral Kazini wegen seine Implikation in die Plünderung der Naturressourcen und anderer Formen des Reichtums der DRKongo aus der Armee entlassen hat, verdichten sich in Kinshasa Gerüchte über die Rehabilitation der kongolesischen Verantwortlichen, die nach ihrer Nennung im "Bericht des UNO-Panels" suspendiert wurden. Man spricht in diesem Zusammenhang vom "Beweis ihrer Unschuld". Bedeutet das, daß Kampala um die Konsequenzen der Plünderung der Naturressourcen der DRKongo mehr als Kinshasa besorgt ist?
Am letzten Freitag, den 06.06.03, ist der belgische Sänger kongolesischer Abstammung Shungu Wembadio Pene Kikumba, alias Papa Wemba, unter Auflagen aus dem Gefängnis in Paris entlassen worden. Diese Entlassung wurde erst möglich, nachdem die kongolesische Regierung, so der Verteidiger des auch in Deutschland bekannten Sängers, eine Kaution in Höhe von 30.000 € hinterlegt hat. Zur Erinnerung: Papa Wemba wird Menschenhandel vorgeworfen. Ihm wird auch Urkundenfälschung und unberechtigter Erwerb sowie unberechtigter Besitz von Verwaltungsdokumenten zur Last gelegt. Gegen Bezahlung von 3500 US-$ ließ der "Sklavenhändler der modernen Zeit" die Kandidaten für die illegale Immigration auf die Liste der Musiker seiner in Europa auftretenden Orchester eintragen. ("In Europa fließen nicht nur Milch und Honig": http://www.archiv.kongo-kinshasa.de/)
Das, was insbesondere verwundert, ist, daß die kongolesische Regierung einem ausländischen Bürger zu Hilfe kommt, dessen Missetat mehrere hundert kongolesische Bürger in den Abgrund geführt hat. Kongolesische Bürger, denen die Regierung in Kinshasa Schutz gewähren muß. Ist die kongolesische Staatsbürgerschaft nicht einzig und unteilbar? Mit anderen Worten: jeder kongolesische Bürger, der eine andere Nationalität erwirbt, verliert automatisch die kongolesische Staatsbürgerschaft, die nicht in Konkurrenz mit anderen Nationalitäten stehen kann. Sollte Herr Shungu Wembadio von der Regelung betreffend die kongolesische Nationalität ausgeschlossen sein?
Irritierend ist in Anbetracht des Vorhergehenden die bittere Erkenntnis, daß die kongolesischen Diplomaten im Ausland, deren große Not und die ihrer Familien die Toleranzschwelle überschritten haben, seit einem Jahrzehnt auf ihre Gehälter warten. Dies gilt auch für zahlreiche kongolesische Beamte und Staatsangestellte im Land, deren Gehälter seit Jahren ausstehen.
Die belgische Sektion der humanitären Organisation "Ärzte ohne Grenzen" hat in einer Presseerklärung die Ausflüchte der kongolesischen Regierung in Bezug auf die Blockierung von 15 t Medikamenten und anderem medizinischem Material angeprangert, die als Hilfe an die DRKongo geliefert wurden und seit einem Monat im Hafen von Matadi und auf dem Flughafen Ndjili (Kinshasa) eingelagert sind. Für Kinshasa beschränke sich die Rolle der jetzigen Regierung auf die "Verwaltung der laufenden Geschäfte". Realiter aber tagt die Regierung weiter und kennzeichnet sich durch unangebrachte Erklärungen, wie die vom Außenminister (s. o.). Ist es nicht in Anbetracht der medizinischen Lage im Land ein Zeichen der Unverantwortlichkeit seitens derjenigen, die uns ohne Machtdelegation regieren und deren Ziel vor allem der Machterhalt ist?
Die Hintergründe der Machenschaften der Regierung sind offensichtlich: die Machthaber in Kinshasa wollen die bevorstehende Machtübertragung ausnutzen, um diese Hilfsgüter verschwinden zu lassen, die man später auf dem Marktplatz oder in privaten Kliniken und Apotheken von Kinshasa wiederfinden wird.
Auf Wunsch der Leiter der "besten privaten Mädchenschulen" der Hauptstadt beabsichtigt der kongolesische Erziehungsminister, um die Sittenlosigkeit und AIDS zu bekämpfen, den Jungfräulichkeitstest für die Abgängerinnen der Grundschule einzuführen, bevor sie in die Sekundarstufe II aufgenommen werden. D.h.: diejenigen von ihnen, die schon in der Grundschule Geschlechtsverkehr gehabt haben, werden nicht zur weiterführenden Schule zugelassen.
In Anlehnung an eine in Kinshasa erscheinende Tageszeitung, die diesen Vorschlag als "atypisch" bezeichnet, stellen wir die Frage, ob diese ungerechte Idee nicht als "Grundkapital" für diejenigen dienen wird, die diesen Junfräulichkeitstest durchführen sollen. Eine andere Frage, die unaufhörlich wieder kommt und die sich bezüglich des Ministervorhabens stellt: warum nur die jungen Mädchen und von wem werden sie infiziert? Sicherlich nicht durch ihre Klassenkameraden... Hinzu drängt sich auch die Frage auf, ob die Krankenhausinfrastruktur, beispielsweise in Kinshasa, in der Lage ist, diese titanische Aufgabe zu erfüllen. Man spricht von 60.000 Mädchen, die in der Hauptstadt getestet werden sollen.
Wäre es nicht angebracht, daß der Minister für die nationale Erziehung der Regierung, der er angehört, nahelegt, sich mit den realen Gründen für die "Verderbtheit der Sitten" und die "Ausschweifungen der jungen Mädchen" in unserem Land zu beschäftigen? Wir wissen inzwischen, daß der Übertragungsmodus von AIDS vielgestaltig ist. Unserer Meinung nach liegt die Antwort auf die doppelte Problematik "Sittenlosigkeit/AIDS" anderswo: den Eltern eine Entlohnung garantieren, die sie in die Lage versetzt, ihren Kindern ein sorgloses Leben zu ermöglichen.
Es braucht nicht besonders betont zu werden, daß diese vom kongolesischen Erziehungsminister vorgesehene diskriminatorische Maßnahme gegen die jungen Mädchen eine Behinderung ihrer Ausbildung ist und folgerichtig eine manifeste Verletzung der Menschenrechte darstellt.
Dies sind einige der wichtigen Informationen der letzten Woche in der DRKongo, Informationen, die wir unseren Besuchern zur Meinungsbildung über einige Aspekte der Lage in der DRKongo darlegen.
Jeder soll seine Schlußfolgerungen ziehen...
Berlin, den 8. Juni 2003