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Die Machtinhaber der Institutionen der Übergangszeit in der DRKongo hören nicht auf, uns zu verblüffen. Im Anschluß an die Damen und Herren "Parlamentarier", die erst kürzlich gleich hohe Diäten wie ihre europäischen bzw. amerikanischen "Kollegen" verlangt hatten, erheben jetzt die 40 Vorstandsmitglieder der Institutionen zur Unterstützung der Demokratie Anspruch auf den Status und den protokollarischen Rang von Vize-Ministern (Le Phare vom 12.12.03).
Der Status eines Vize-Ministers bringt eine Reihe von Privilegien mit sich: 1 Kanzleileiter, 4 Berater, 1 Sekretär, 2 zusätzliche Mitarbeiter, Dienstvilla und Dienstwagen. Hinzu kommen kolossale Bezüge, die in keinem Verhältnis zu dem stehen, was ein Durchschnittskongolese verdient. Das macht, falls diesem verfassungsmäßig unbegründeten Gesuch entsprochen wird, einen weiteren Überschuss von 40 Vize-Ministern und 320 Mitarbeitern, die durch die leere Staatskasse mit großen Kosten alimentiert werden müssen. Gleichzeitig aber müssen sich die Uni-Professoren, die Staatsanwälte, die Lehrer und andere vom Staat im Stich gelassene Teile der Bevölkerung mit Hungerlöhnen zufrieden geben, die in den meisten Fällen noch nicht einmal ausgezahlt werden.
"Verfassungsmäßig unbegründetes Gesuch" deshalb, weil es sich dabei um eine extensive und falsche Auslegung des Artikels 158 der Verfassung der Transition handelt. Ein Artikel, der auf den Punkt V 4 c des globalen und inklusiven Abkommens von Pretoria (17.12.02) fußt und dem zufolge "die Vorstandsvorsitzenden der Institutionen zur Unterstützung der Demokratie den Ministerrang haben". Nirgends in der Verfassung der Transition ist die Rede davon, daß den Vorstandsmitgliedern der Institutionen zur Unterstützung der Demokratie der Status oder Rang eines Vize-Ministers zusteht.
Hat man nicht in der DRKongo die Gewohnheit, "Kongo als ein reiches Land" zu bezeichnen? Die Wahrheit ist anders. Kongo ist ein potentiell reiches Land, während ein reiches Land dagegen ein Land ist, dessen politische Führer der gerechten Verwaltung der Ressourcen - nicht nur finanziellen, sondern auch moralischen - verpflichtet sind. "Gerechte Verwaltung der finanziellen Ressourcen" schließt deren gerechte Verteilung ein, mit dem Ziel der Bekämpfung der Armut im Sinne des von PNUD definierten "Indexes der menschlichen Entwicklung".
Wie wir in einem am 18.8.03 ("en français") publizierten Artikel bemerkt hatten, müssen die Machtinhaber der Institutionen der Transition bei den Forderungen nach Bezügen und anderen materiellen Vergünstigungen die Lage der leeren Staatskasse berücksichtigen, die durch verschiedene kleptokratische Regime, die das Land bis jetzt regiert haben, geplündert wurde.
An dieser Stelle ist zu fragen, ob die erhobenen unmäßigen Ansprüche der Amtsinhaber der Institutionen zur Unterstützung der Demokratie den Beweis für eine Fortsetzung der schlechten Regierungsführung der Vorgängerregime führen, die sich durch Kleptokratie, Mittelmäßigkeit, Anthropophagie, menschenverachtenden Terror und Despotismus ausgezeichnet hatten.
Die oben geschilderte egoistische Verhaltensweise der Institutionen zur Unterstützung der Demokratie hat uns in der Idee bestätigt, daß der politische Kampf der kongolesischen Machtelite - anstelle der Reform der Gesellschaft - den Genuß materieller Vorteile zum Ziel hat, die aus den erstrebten Staatsämtern herrühren. Dies ist die Folge der Unverantwortlichkeit, des Mangels an Nationalismus und des Opportunismus seitens dieser Elite, die eine große Vorliebe für leicht erreichbaren Reichtum und Eigennutz hat. Daher findet sie Gefallen am Verrat des Volkes. Und zwar, auf Grund ihres unbändigen Strebens nach Macht und ihren Folgen: dem Geld und beweglichem und unbeweglichem Vermögen.
Welche Bilanz soll man ein Jahr nach dem Abschluß des globalen und inklusiven Abkommens von Pretoria ziehen? Obwohl die Regierung der Übergangszeit seit mehr als 5 Monaten im Amt ist und das Parlament (Nationalversammlung und Senat) seit August 2003 seine Arbeit aufgenommen hat, muß man feststellen, daß sich die effektive Wiedervereinigung des Landes auf der militärischen, administrativen und Finanzebene vor dem Hintergrund der Kämpfe in Ituri und der fortwährenden ruandischen und ugandischen Präsenz unter dem Deckmantel der im Bericht des UNO-Panels erwähnten Elite-Netzwerke auf dem Territorium des Landes hinschleppt. Einige Minister und Provinzgouverneure arbeiten weiterhin nach der Logik ihrer jeweiligen Gruppen. So wartet die Regierung in Kinshasa immer noch auf die Abrechnung der durch die Rebellenbewegungen - heute politische Parteien und Regierungsmitglieder - während der Kriegsjahre erhobenen Steuern. Die zur Zeit in den von ihnen kontrollierten Gebieten eingenommenen Steuern werden weiter auf die privaten Konten der Kriegsherren oder ihrer Helfershelfer überwiesen. Die sozio-ökonomische Lage bleibt unverändert oder verschlimmert sich, mit der Folge, daß die Massenverelendung nie dagewesenen Ausmaße erreicht hat.
Man kann ein Volk ein oder zwei Mal betrügen, indem man vielleicht von seiner Gefälligkeit oder Leichtgläubigkeit profitiert. Aber man kann das nicht ewig fortsetzen. Es ist an der Zeit, daß sich das kongolesische Volk keiner weiteren Täuschung hingibt. Dafür muß es sein Geschick in die eigenen Hände nehmen und das Subjekt seiner eigenen Geschichte werden. Mit anderen Worten: Das Volk muß aufhören, alles von "oben" zu erwarten, wo es zur Zeit niemanden gibt, der willig ist, sich mit seinem Schicksal zu identifizieren und es aus dem Abgrund zu holen, in dem es sich auf Grund des Tuns der Elite befindet. Eine Elite, die die Gewohnheit angenommen hat, das nationale Patrimonium als Familienhinterlassenschaft zu betrachten. Das heißt, ihre eigenen Interessen und nicht die der kongolesischen Nation vorzuziehen.
Das Schicksal anderer Diktatoren sollte eine Warnung für diejenigen sein, die darauf beharren, die Grundrechte des kongolesischen Volkes zu verhöhnen.
Berlin, den 21. Dezember 2003