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Seit Anfang dieses Jahres ist eine nicht enden wollende Kette von Krisen auf der Ebene der Institutionen der Übergangszeit und der Armee in der DRKongo zu beobachten, so daß man sich fragen muß, ob die von Beobachtern der kongolesischen politischen Szene angekündigte "konfliktreiche Transition" im Begriff ist, Wirklichkeit zu werden. Wir sind aber doch sicher, daß die jetzige Situation das Gegenteil dessen darstellt, was Präs. J. Kabila während seiner letzten Europareise (Paris, London, Berlin und Brüssel) immer wieder betont hat: der Transition gehe es gut.
Diese Kette von Krisen wurde durch den "Fall Nimy" eingeleitet. Anlaß dafür war das "respektlose" Verhalten des ehemaligen Tourismusministers R. Nimy gegenüber dem Staatspräsidenten, J.Kabila, während eines Ministerrates. Obwohl er Mitglied der RCD-N ist, zählte R. Nimy als Vertreter der MLC in der Übergangsregierung.
Die zweite Krise hat als Akteure den Vize-Präsidenten J.P. Bemba (MLC) und den Minister für Transport und Kommunikation, J. Olenghankoy, (FONUS, politische Opposition). In einem Interview mit der in London erscheinenden Zeitschrift "Grands Lacs Magazine" hatte J. Olenghankoy sich abfällig über J.P. Bemba geäußert, indem er sein politisches Agieren als ein Theaterstück auf dem Niveau einer Schmierenkomödie bezeichnete.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch das Gutachten des Obergerichtshofes in Beantwortung auf das Gesuch des Staatspräsidenten, J. Kabila, hinsichtlich der Ernennungen der Leiter der Institutionen der Übergangszeit auf der Ebene der Provinzen (Gouverneure), Distrikte und Bezirke, der Auslandsvertretungen, der öffentlichen Unternehmen, der Sicherheitsdienste usw. Präsident J. Kabila und seine Berater waren der Meinung, daß diese Ernennungen in die Zuständigkeit des Staatsoberhauptes fallen. Dem Gesuch wurde durch den Obergerichtshof statt gegeben. Die RCD-Goma, die MLC und ein Teil der "Komponente politische Opposition" kritisierten diese Entscheidung mit der Begründung, daß sie an die Alleinherrschaft der Vergangenheit erinnert. Die Monuc war der gleichen Meinung. Sie bezeichnete die Entscheidung des Obergerichtshofes als verfassungswidrig. Um die Gemüter zu beruhigen, sprachen dem Staatspräsidenten nahe stehende Quellen davon, daß die Ernennungen der Leiter der Institutionen der Übergangszeit gemäß dem globalen und inklusiven Abkommen (18.12.2003) erfolgen werden.
Es gab auch Meinungsverschiedenheiten einerseits zwischen dem Vize-Präsidenten J.P. Bemba (MLC) und seinem Kollegen im Präsidialamt Yerodia Ndombasi (ex-Regierung von Kinshasa) über das im Alleingang von J.P. Bemba verfügte Verbot, Erdölprodukte auf den Markt zu bringen, und andererseits zwischen den Vize-Präsidenten J.P. Bemba und Z'Ahidi Goma (politische Opposition) in Bezug auf das beschlossene Arrangement zwischen dem Letzteren und den streikenden Beamten und Staatsbediensteten über die Erhöhung ihrer Bezüge.
Auch der Präsident der Nationalversammlung (O. Kamitatu, MLC) und seine 1. Stellvertreterin (Frau Philomène Omatutu, ex-Regierung von Kinshasa) lagen im Streit. Letztere warf dem Ersten vor, den Brief des Staatspräsidenten, in dem dieser der Nationalversammlung zu langsame Bearbeitung der Gesetze vorwarf, ohne Zustimmung anderer Mitglieder des Präsidiums dieses Gesetzgebungsorgans beantwortet zu haben. Frau Omatutu entschloß sich, nicht mehr an Präsidiumssitzungen teilzunehmen, bei denen O. Kamitatu anwesend ist. Wie dieser Konflikt beigelegt wurde, ist nicht bekannt.
Vor einigen Tagen stand die Regierung der Übergangszeit in Folge der sogenannten "Affaire Kasongo" am Rand ihrer Auflösung. Nachdem Kriegswaffen in der Privatvilla von Major Kasongo (RCD-Goma) gefunden wurden, wurde er auf Anordnung des Leiters des 10. Militärbezirkes, General Nabyolwa, verhaftet und nach Kinshasa verschleppt. Daraufhin wurde die Residenz des Leiters des 10. Militärbezirks unter der Leitung seines Stellvertreters, Oberst J. Mutebusi (RCD-Goma), angegriffen und geplündert. Die RCD-Goma forderte, unter Androhung der Suspendierung ihrer Mitarbeit in den Institutionen des Übergangs, die Rückführung Major Kasongos nach Bukavu.
Zur Erinnerung: Major Kasongo gehört zu den im Prozeß wegen der Ermordung L.-D. Kabilas zum Tod Verurteilten.
Der Fall Nimy wurde gelöst, indem der Tourismusinister aus der Regierung entlassen wurde. Diese Vorgehensweise stellte einen Präzedenzfall dar, auf den sich die MLC berief. Obwohl der Minister Olenghankoy inzwischen von Präsident J. Kabila für einen Monat suspendiert wurde, fordert die Partei J.P. Bembas weiterhin seine Entlassung aus der Regierung. Ansonsten werden die MLC-Minister die Ministertreffen, an denen Olenghankoy teilnimmt, boykottieren.
Die DRKongo hört nicht auf, uns zu überraschen. Hat man jemals von der vorübergehenden Suspendierung eines Ministers gehört? Die Ausübung des Politikerberufs hat ihre Normen, die eingehalten werden müssen und deren Verletzung Konsequenzen nach sich zieht. In diesem Sinne wäre es nicht angebracht, daß J. Olenghankoy nach seinem Fauxpas von seinem Amt zurücktritt? Wie wir aber wissen, gab es bisher in der Geschichte des "unabhängigen Kongo" keinen freiwilligen Rücktritt eines Ministers.
Während Yerodia Ndombasi in seiner Eigenschaft als interimärer Staatschef die Entscheidung J.P. Bembas betreffend die Erdölprodukte aufgehoben hatte, erwartet man für die Lösung des Konflikts zwischen J.P. Bemba und Z'Ahidi Goma um die Erhöhung der Gehälter der Staatsbediensteten die Entscheidung des Staatspräsidenten.
Postwendend wurde Major Kasongo, 24 Stunden nach seiner Verschleppung nach Kinshasa, in eine Monuc-Maschine verfrachtet und nach Bukavu (Süd-Kivu) zurücktransportiert, wo er sich unter Hausarrest im Gebäude des Militärobergerichts von Süd-Kivu befinden soll. Gegen den stellvertretenden Leiter des 10. Militärbezirks, der eine Militärexpedition gegen seinen Vorgesetzten geleitet hat, ist bis jetzt noch keine Disziplinarmaßnahme eingeleitet worden. Währenddessen dauert - das belegen die Presseberichte - die Spannung in Bukavu (Sud-Kivu) an, wo sich der Oberbefehlshaber des Heeres, General Buki, seit einigen Tagen um die Lösung der Krise bemüht. Der angegriffene Leiter des 10. Militärbezirks, General Nabyolwa, hält sich seit dem Überfall auf seine Residenz an einem unbekannten Ort versteckt. Welche Konsequenzen könnte diese Haltung auf die Moral seiner Soldaten haben?
Es fragt sich angesichts der sich wiederholenden Krisen, ob die kongolesischen "Möchtegern-Politiker" Angst davor haben, sich den Wählern zu stellen. Daher meinen einige Beobachter, daß sie alles tun, um die Übergangszeit zu verlängern. Es gibt genügend Gründe dafür: Ehren und Pfründe, die ihnen ihre jetzige Situation beschert. Gleichzeitig aber ist das kongolesische Volk dazu gezwungen, weiterhin in hoffnungslosem Elend zu leben. Dies ist auch die Meinung des "Internationalen Komitees zu Begleitung der Transition" (CIAT), das immer wieder die Einhaltung des durch das globale und inklusive Abkommen von Pretoria (Dez. 2003) fixierten Termins fordert. Die von kongolesischen Bischöfen am Ende ihres Treffens (09.02 - 14.02.04) publizierte Erklärung spricht in diesen Zusammenhang von "Amateurhaftigkeit und Inkompetenz einiger Amtsinhaber der Übergangszeit". Wir stimmen ihnen zu.
Berlin, den 8. März 2004