archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
Das Land
Aktuelle Infos
Service
Vor ca. 3 Wochen hatte die UNO-Mission im Kongo (MONUC), erstmals seit dem "Abzug" der ruandischen Truppen aus der DRKongo in der Folge des Abkommens von Pretoria (2002), die Präsenz der Soldaten der ruandischen Armee auf dem kongolesischen Territorium bestätigt - genau im Dorf Bunagana, 6 Kilometer von der Grenze: dort, wo Ruanda, Kongo und Uganda aufeinandertreffen.
Zur Erinnerung: im Rahmen des Abkommens von Pretoria hatten die DRKongo und Ruanda vereinbart, im Gebiet, das sie jeweils zur Zeit des Abschlusses dieses Abkommens kontrollierten, zusammenzuarbeiten, und mit der UNO-Mission gemäß dem Demobilisierungs-, Entwaffnungs- und Wiedereingliederungsprogramm die bewaffneten ruandischen Gruppen zu entwaffnen und nach Ruanda zu repatriieren.
Die Reaktionen aus den kongolesischen Regierungskreisen ließen nicht auf sich warten. Der kongolesische Informationsminister, V. Kamerhe, bezeichnete die Präsenz ruandischer Truppen auf dem Territorium der DRKongo als flagrante Verletzung des Abkommens von Pretoria, dem zufolge Ruanda seine Truppen im Herbst 2002 aus der DRKongo "abgezogen" hatte und sich die damalige kongolesische Regierung als Gegenleistung verpflichtet hatte, die ruandischen Hutu-Milizen im Kongo nicht mehr mit Waffen zu unterstützen. Der kongolesische Außenminister, A. Ghonda, forderte den Sicherheitsrat der UNO auf, den ruandischen Übergriff auf das Territorium der DRKongo zu verurteilen. In diesem Zusammenhang sprach Vize-Präsident A. Ruberwa von einem Alleingang des Außenministers.
Aus New York haben wir letzte Woche erfahren, daß das Treffen des Sicherheitsrates der UNO vom 05.05.04, das sich u.a. mit dem ruandischen Übergriff auf das Territorium der DRKongo beschäftigt hat, ohne greifbares Ergebnis hinsichtlich von Maßnahmen gegen Ruanda zu Ende gegangen ist. Für den kongolesischen Außenminister geht dieses Fiasko auf die innerhalb der Regierung herrschende Kakophonie zurück.
Unverzüglich wies Ruanda die Beschuldigungen der UNO-Mission im Kongo mit der Begründung ab, daß sie unbegründet seien. J. Kabarehe, ehemaliger Oberbefehlshaber der kongolesischen Armee unter dem AFDL-Regime und jetziger Oberbefehlshaber der ruandisch-patriotischen Armee meinte: "Wir haben die Grenze nicht überschritten und wir beabsichtigen nicht, es zu tun." Überdies bemerkte er: "Auch wenn wir es tun werden, gibt es niemanden, der uns daran hindern wird." Der ruandische Außenminister, C. Morigande, bezeichnete die Behauptungen der UNO-Mission im Kongo als "Konfusion" und "Lügen". Er fügte hinzu, daß es sich bei den durch die MONUC beobachteten Truppen um Einheiten der kongolesischen Armee handelt, die von einem "kinyaruanda" (Sprache der Ruander) sprechenden kongolesischen Kommandanten geführt werden. Präziser wurde der ruandische Staatschef, P. Kagame. Er hatte am Sonntag, d. 02.05.04, in einer Radioerklärung gedroht, ruandische Truppen erneut in den Kongo zu schicken, falls die MONUC und die Regierung in Kinshasa nicht aktiv gegen die ruandischen Hutu-Kämpfer vorgehen. Das "Genie der 1000 Hügel" fügte hinzu: "Wir werden es vor aller Augen tun". Dies klingt, als ob er die UNO-Missions-Berichte über die Präsenz ruandischer Truppen auf dem Territorium der DRKongo dementieren wollte.
Es braucht nicht daran erinnert zu werden, daß Ruanda von 1996 bis zum "Abzug" seiner Truppen aus dem Kongo in 2002 den Osten der DRKongo besetzt hatte. Es tut es noch heute durch die Vermittlung seines "Patenkindes", der RCD. Es stellt sich daher die Frage, warum es Ruanda und der RCD nicht gelungen ist, die von der DRKongo aus operierenden Hutu-Milizen niederzukämpfen. Ist es nicht verwunderlich, daß Ruanda, das nach dem Einmarsch der durch dessen Truppen kommandierten AFDL in Kinshasa (1997) absichtlich und mit Erfolg zur Zerstörung der zaïrischen Armee beigetragen hatte, heute von der kongolesischen Regierung verlangt, daß sie Erfolg dort erzielt, wo es selbst bis jetzt gescheitert ist? Wohlgemerkt: die kongolesische Armee befindet sich auf dem Weg der Neubildung, der aber ständig auf Anordnung von Ruanda durch die RCD-Goma entgegengewirkt wird.
"Arroganz" und "Selbstgefälligkeit" sind Worte, die von vielen Kommentatoren verwandt werden, um die Haltung der ruandischen politischen und Militärführung zu charakterisieren. Arroganz und Selbstgefälligkeit, die durch die Mittelmäßigkeit der kongolesischen Möchtegern-Politiker genährt werden, die 10 Monate nach der Einleitung der Transition immer noch gespalten und für die Versöhnung unempfänglich bleiben. Mit anderen Worten: sie stellen ihre egoistischen Interessen und die ihrer Komponenten vor die Interessen des kongolesischen Volkes. Stellvertretend für vieles mögen hier die Verzögerung bei der Bereitstellung der Territorialverwaltung, die vom kongolesischen Staatspräsidenten während seiner letzten Europareise im Februar dieses Jahres mit Getöse angekündigt wurde, die Wiedervereinigung der Finanzbehörden und die Neubildung der Nationalarmee, der Polizei und der Sicherheitskräfte genannt werden.
Als Antwort auf die angriffslustigen Erklärungen P. Kagames und J. Kabarehes fordert der kongolesische Informationsminister, V. Kamerhe, die internationale Gemeinschaft auf, die ruandischen Absichten zu verurteilen. Das Schweigen des kongolesischen Parlaments erweist sich mehr als erstaunlich. Die Position der RCD entblößt die besondere Neigung der Führer dieser Bewegung, die von vielen als "Bauchredner" von Kigali bezeichnet werden, zur Wahrung der ruandischen Interessen in der DRKongo. Der kongolesische Außenminister spricht von "einer Untergrabungstätigkeit gegen die DRKongo bei der UNO". Ferner vertritt er die Meinung, daß das vom Vize-Präsident Ruberwa, ohne ihn namentlich zu zitieren, im Rahmen seiner Pressekonferenz vom 03.05.04 gezeigte Verständnis für die Haltung Ruandas - sprich die Legitimierung der ruandischen expansionistischen Absichten - zur Vertagung der Resolution geführt hat, die durch die kongolesische Regierung zur Verurteilung Kigalis gefordert war. Die Position von A. Ruberwa und einigen Führern seiner Partei könnte man als Akte des Hochverrates bezeichnen. Diesen Schritt haben inzwischen viele Beobachter der kongolesischen politischen Szene getan.
Die sich wiederholenden und dem Jammern gleichkommenden Appelle derjenigen, die uns ohne unsere Machtdelegation regieren, an die internationale Gemeinschaft, jedesmal, wenn die Interessen der kongolesischen Nation in Gefahr sind, haben bis jetzt nicht zu einem Erfolg geführt. Diversen vom Sicherheitsrat der UNO seit der Invasion unseres Landes durch die Nachbarstaaten aus dem Osten angenommenen Resolutionen stehen keine konkreten Maßnahmen gegenüber. Daher müssen die kongolesischen Politiker ihre Herangehensweise ändern, indem sie ihre momentane politische Spaltung überwinden. Das Heil der kongolesischen Nation hängt unbedingt von diesen Akten der Selbstüberwindung ab. Wenn das nicht jetzt geschieht, haben wir Zweifel am Gelingen der Transition, die uns zu demokratischen freien und transparenten Wahlen führen soll.
Vielleicht werden die Gespräche zwischen den Außenministern aus der DRKongo, Uganda und Ruanda, die unter der Schirmherrschaft des amerikanischen Außenministers, C. Powell, und der Sicherheitsberaterin Präs. Bushs, C. Rice, in Washington geführt werden, die Sicherheitsprobleme an den ruandisch-ugandisch-kongolesischen Grenzen lösen. Dies nennt man: "mit dem Prinzip Hoffnung leben".
Berlin, den 16. Mai 2004