archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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Hartwig Fischer ist Mitglied des deutschen Bundestages. Er ist u.a. ordentliches Mitglied im Ausschuss für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, Berichterstatter für Ost- und Zentralafrika der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mitglied in den Parlamentariergruppen für Afrika, Mitglied der Arbeitsgruppe Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Er hat zuletzt im April 2004 als Leiter einer fraktionsübergreifenden Parlamentarierdelegation des deutschen Bundestages die DRKongo besucht. Die Fotos in diesem Beitrag stammen von dieser Reise.
Kongo-Kinshasa (KK): Wie wird ein Bundestagsabgeordneter Afrika-Experte?
H. Fischer: Indem er Afrika persönlich kennen lernt, indem er mit den Menschen in Afrika in Kontakt tritt, sich für Afrika interessiert, sein Herz für Afrika gewinnt und dann versucht, sich in die Probleme einzuarbeiten, damit er die Menschen dort versteht und ihnen nicht Dinge überstülpt, von denen wir meinen, daß sie richtig sind.
KK: In Bezug auf die Politik der wirtschaftlichen Zusammenarbeit werden in Afrika einige Stimmen laut, die verlangen, daß vor allem den lokalen Expertisen und Kompetenzen Rechnung getragen wird, anstatt wie bisher alles von außerafrikanischen Experten und Beobachtern projektieren und realisieren zu lassen. Denn: die seit über 40 Jahren Afrika aufoktroyierten Modelle haben zu keiner greifbaren Entwicklung, d.h. zu keiner selbst-tragenden wirtschaftlichen Dynamik geführt. Wie sehen Sie, als ordentliches Mitglied des Ausschusses für Zusammenarbeit und Entwicklung des Bundestages, das?
H. Fischer: Ich bin der festen Überzeugung, daß wir nur einen gemeinsamen Erfolg in Afrika haben werden, wenn wir Projekte machen, die dort auch gewollt sind und die man partnerschaftlich ausarbeitet. Das heißt, wenn wir mit unseren Vorstellungen in Afrikas Länder einfallen, wie das früher die Kolonialherren getan haben, dann werden wir keinen gemeinsamen Erfolg haben. Wir müssen uns vor Ort informieren, müssen feststellen, welches sind die Bedürfnisse und müssen dann absprechen, wie man diese Bedürfnisse im gemeinsamen Handeln, in besonderer Verantwortung auch der Afrikaner, lösen kann.
KK: Wir fragen uns, wie auch viele Afrikaner, ob es sinnvoll ist, hochbezahlte europäische Experten nach Afrika zu schicken, beispielsweise durch die GTZ oder andere Organisationen. Mittlerweile gibt es sehr viele, sehr gut ausgebildete Afrikaner. Mit dem Geld, mit dem man einen europäischen Experten bezahlt, kann man 5 oder 6 einheimische bezahlen. Wie sehen Sie das?
H. Fischer: Ich sehe das genauso und sehe es trotzdem auch wieder differenziert. Ich glaube, wir können nicht auf einige Hochqualifizierte verzichten, damit man prüft, welche Qualifikation vor Ort vorhanden ist. Wir erwarten, daß unsere Mitarbeiter die Menschen in der Entwicklungszusammenarbeit einbinden. Am Beispiel Äthiopiens, aber auch Kongos, kann ich sagen, daß wir versuchen, Qualifizierte an die deutschen Hochschulen zu holen, die hier ausgebildet werden und die dann dort Projekte umsetzen können. Ich bin in Kinshasa gewesen, in Bunia, Bukavu, Goma und Kisangani. Ich habe überall Entwicklungsprojekte gesehen, bei denen es Führungspersönlichkeiten aus dem Kongo gibt, die in den Projekten der GTZ eine verantwortliche Rolle übernehmen. Ich hatte gerade vor 2 Tagen den nationalen Präsidenten der ICG-Kongo (Initiative congolaise pour le sauvetage des populations de Goma/Kinshasa province programme) aus dem Kongo zu Besuch, der in Kisangani bestimmte Projekte leitet, die er mir dort vorgestellt hat. Wir überlegen jetzt eine Verstärkung dieser Zusammenarbeit. Dort sind die Führungskräfte und die Mitarbeiter, bis auf zwei oder drei, Kongolesen. Das ist der richtige Weg, und ich glaube, das ist auch der Weg, den Afrika will und auch mit NEPAD beschreitet.
KK: Die ruandische militärische und politische Führung hat vor einigen Tagen gedroht, ruandische Truppen erneut in die Demokratische Republik Kongo zu entsenden, wenn die Regierung in Kinshasa und die UNO-Mission im Kongo nicht aktiv gegen die ruandischen Milizen vorgehen. Uganda hat ebenfalls ähnliche Drohungen zum Ausdruck gebracht. Glauben Sie, daß die Konferenz über den Frieden, die Sicherheit und die Entwicklung in der Region der Großen Seen, die noch in diesem Jahr in Tansania stattfinden wird, unter diesen Umständen zu einer Frieden schaffenden Lösung kommen wird?
H. Fischer: Ich bin der Überzeugung, daß diese Konferenz der Großen Seen für die Region sehr, sehr wichtig ist, und ich hoffe, daß sie zu einem Erfolg wird. Ich habe bei meinem Besuch, als Delegationsleiter, in Ruanda und auch später bei einem Gespräch mit dem neuen Botschafter aus Ruanda hier deutlich gemacht, daß wir die Grenzen akzeptieren müssen. Dies wird auch von Seiten Ruandas bestätigt. Wir müssen auch akzeptieren, daß es nicht das Recht geben kann, in ein anderes Land hineinzugehen. Wenn es Milizen gibt, die von Kongo aus auf den ruandischen Boden gehen, dann muß Ruanda in eigener Verantwortung handeln. Ruanda verlangt, daß Kongo sicherstellt, daß keine Milizen über die Grenzen von Kongo (Kivu) nach Ruanda hineingehen. Wir haben betont, daß auch wenn das passiert, Ruanda trotzdem nicht in den Kongo gehen darf. Wir erwarten, daß dann die Monuc eingreift, da es sonst zu einem Konflikt kommt, der sich wieder zu einem Krieg in der gesamten Region ausweiten kann. Dies war die klare Aussage unserer Delegation. Wir erwarten, daß beide Seiten das respektieren. Wir sehen im Augenblick, daß die kongolesische Regierung damit noch überfordert ist, wie sich in Bukavu jetzt auch zeigt, tatsächlich die Sicherheit der Grenze zu gewährleisten. Dazu muss MONUC im Kivu deutlich personell verstärkt werden. Die Monuc spielt eine entscheidende Rolle in der Überwachung der Grenze, und dort sind wir im ständigen Kontakt. Es kann keine Akzeptanz geben zu sagen, wir gehen ins andere Land, um unsere eigene Grenze zu sichern. Das wäre eine Situation, bei der der Frieden erneut gefährdet ist.
KK: Ganz bestimmt hat die Instabilität in der Demokratischen Republik Kongo Auswirkungen auf das gesamte zentralafrikanische Gebiet. Folglich wird vielerorts der Vorschlag gemacht, die Zahl der Teilnehmerstaaten an dieser internationalen Konferenz zu vergrößern. Das heißt, teilnehmen sollen nicht nur die Staaten der Region der Großen Seen (Ruanda, Uganda, Burundi, Tansania, Demokratische Republik Kongo), sondern auch andere Nachbarstaaten der Demokratischen Republik Kongo (z.B. Kongo-Brazzaville, die Zentralafrikanische Republik und Angola) und einige Staaten der zentralafrikanischen Region (Gabun, Kamerun). Wie ist Ihre Meinung darüber?
H. Fischer: Sie haben vorhin gesagt, daß die Afrikaner auch Führungspositionen einnehmen und mehr Verantwortung selbst tragen sollen. Deshalb müssen das die afrikanischen Staaten selbst entscheiden. Aber ich habe natürlich eine persönliche Meinung. Ich halte es für falsch, eine Konferenz immer größer werden zu lassen und dadurch die Probleme, die die Großen Seen betreffen, auszuweiten, indem man in sie auch die nächsten Nachbarn, wo es wieder andere Nachbarschaftsprobleme gibt, mit einbezieht. Ich habe dies z.B. auch dem Vertreter und dem Botschafter von Kongo-Brazzaville gesagt, der mich darauf angesprochen hat, da sie auch gern beteiligt würden. Man sieht das dort anders. Aber ich habe um Verständnis gebeten. Die Afrikaner müssen selbst entscheiden. Meine Meinung aber ist, je größer eine solches Gremium wird, desto schwieriger wird es, einen tragfähigen gemeinsamen Nenner zu bekommen.
Bemerkung KK: Wir wollten nur Ihre Meinung dazu wissen...
KK: Ist eine nachhaltige Lösung des kongolesischen Konflikts ohne die Lösung der innergesellschaftlichen Krisen in Ruanda, Uganda und Burundi möglich? Sollen nicht auch in den letztgenannten Ländern politische Verhandlungen "à la Dialogue Intercongolais" organisiert werden, bevor man nach Tansania geht?
H. Fischer: Das ist eine Entscheidung, die die einzelnen Länder innerhalb ihrer Länder treffen müssen. Ich habe den Eindruck, daß Ruanda sich stabilisiert. Burundi kann ich persönlich nicht ausreichend beurteilen. Dazu habe ich noch nicht genügend Gespräche geführt, und ich bin auch nicht da gewesen. Uganda ist, wenn man überhaupt von einem Frieden sprechen kann, sehr fragil. In Nord-Uganda, wo die "Lord Resistance Armee" und die Regierungstruppen Musevenis kämpfen, herrscht eine ganz schwierige Situation. Ich glaube zwar, daß wir diese Konferenz der Großen Seen zur Friedensfindung brauchen, aber ich glaube vor allem, daß wir die Demokratische Republik Kongo in sich stabilisieren müssen - durch den Aufbau des Rechtsstaatssystems und durch die demokratischen Wahlen.
KK: Sie haben vor kurzem, als Leiter einer Delegation des deutschen Bundestages, die Demokratische Republik Kongo und einige Nachbarstaaten Kongos besucht. Wie beurteilen Sie die Lage in der Demokratischen Republik Kongo ca. 1 Jahr nach der Einleitung der Transition?
H. Fischer: Sie ist vollkommen unterschiedlich. Ich habe den Eindruck, daß sich in Kinshasa das Leben zur Normalität entwickelt, wenn dort auch noch Wirtschaftskraft fehlt. Ich habe den Eindruck, daß in Bunia und in der Region, wo wir vor einem Jahr noch furchtbare Massaker gehabt haben, sich das Leben sehr positiv entwickelt. Ich muß in diesen Tagen nach meinem Besuch erleben, daß ich darin bestätigt werde, daß der Frieden in Kivu nicht annähernd gewährleistet ist, weil es dort viele marodierende Milizen gibt, und nach meiner Überzeugung, die Monuc personell nicht ausreichend ausgestattet ist. Der Prozeß DDRRR (Disarment [Entwaffunung] Demobilisation [Demobilisierung] Reintegration [Wiedereingliederung] Repatriation [Repatriierung] Resettlement [Wiederansiedlung]) geht viel zu langsam voran. Ich mache diesbezüglich der Weltbank Vorwürfe, weil zwischen meinem Besuch im Oktober (2003, die Redaktion) und dem Besuch jetzt mit der Delegation (April 2004, die Redaktion) sich kaum etwas verändert hat. Das geht viel zu langsam voran und das führt dazu, daß die Menschen verunsichert sind. Bunia zeigt, daß die Zivilverwaltung unter der Führung von Petronille Vaweka, die Monuc und die Nichtregierungsorganisationen koordiniert zusammenarbeiten. Die Monuc sorgt für Sicherheit, die Zivilverwaltung sorgt dafür, daß der Rechtsstaat langsam durchgesetzt wird und die NGOs sorgen z.B. dafür, daß die Menschen wieder ihr Land bearbeiten können, indem sie Saatgut bekommen. Die Welthungerhilfe hat eine Straße von Bunia nach Kasenyi gebaut. Dadurch haben die Menschen wieder Fisch aus dem Albertsee. Das verbessert die Versorgungssituation, und die Preise sind in kurzer Frist um 20% gesunken. Das stabilisiert eine Region und muß in anderen Teilen der Demokratischen Republik Kongo, im Ost-Kongo, ähnlich vollzogen werden - auch in Goma. Lubumbashi kann ich nicht beurteilen.
KK: Und Kisangani?
H. Fischer: Kisangani ist sicherer als Kivu und man muß nach meiner Überzeugung jetzt abwarten. Dort ist, vor etwa 10 Tagen, der Gouverneur ausgewechselt worden. Präs. Kabila hat uns dies angekündigt, daß die Gouverneure ausgewechselt werden. Dort ist jetzt sein ehemaliger Minister Gouverneur geworden. Ich hoffe, daß der neue Gouverneur sehr auf eigene Kräfte setzt. Ich habe mit dem scheidenden Gouverneur ein Gespräch gehabt. Er hat nur Forderungen gestellt. Ganz anders als in Bunia, wo die Menschen alles mitmachen wollen und von der Übergangsregierung motiviert werden mitzumachen, ist es in Kisangani so, daß ich den Eindruck hatte, daß eine Führungsperson nur sagt, ihr müsst alle helfen, aber die eigene Bevölkerung nicht aktiviert. Von daher setzte ich etwas Hoffnung darauf, daß der neue Gouverneur die Bevölkerung auch bewegt und man dann mit den NGOs gemeinsame Wege schaffen kann. Denn, die Straße Bunia - Kasenyi ist ja nicht von der Welthungerhilfe gebaut worden, sondern sie hat sie nur projektiert. Gebaut wurde sie von Kongolesen, die von der Welthungerhilfe bezahlt wurden. Innerhalb von einem halben Jahr wurden 50 km gebaut. Das sind vorbildliche Projekte.
KK: Es wird in der letzten Zeit des öfteren behauptet, daß die Akteure der Institutionen der Übergangszeit alles tun, um die Transitionsperiode zu verlängern. Der Grund hierfür sei die Erhaltung der Privilegien, die ihnen ihre jetzigen Ämter bescheren. Welchen Eindruck haben Sie hierzu nach Ihren diversen Gesprächen in Kinshasa gewonnen?
H. Fischer: Ich habe nach den persönlichen Gesprächen mit Präs. Kabila den Eindruck, daß er diesen Transitionsprozeß vorantreiben will und auch darauf besteht, daß die Wahlen 2005, wie geplant, durchgeführt werden. Ich habe mit Herrn Kamitatu, dem Vorsitzenden der Nationalversammlung gesprochen. Herr Kamitatu hat gesagt, daß sie im Zeitplan sind. Das bedeutet, daß die Gesetze bis zum 30. Juni (2004, die Redaktion) verabschiedet werden müssen. Das müssen wir jetzt beobachten. Nach den Informationen, die ich aus Kinshasa bekomme, verschleppt sich das Verfahren derzeit noch. Aber die Verfassungsdiskussion ist auf vielen Ebenen geführt worden. Davon konnte ich mich überzeugen, sodaß wir sehr darauf setzen, daß es zu diesen Wahlen kommt. Das schwierige Problem ist, daß es wohl vorher eine Volkszählung geben muß, um das Wahlverfahren ordnungsgemäß durchzuführen. Ich bin aber der festen Überzeugung, daß die Demokratische Republik Kongo diese Wahlen im nächsten Jahr dringend braucht, damit ihre Regierung auch vom Volk legitimiert ist. Ihre Frage schloß aber ein, ob ich glaube, daß alle Minister das wollen? Nein, ich glaube nicht, daß alle es wollen. Aber ich würde dies jetzt nicht verifizieren. Sie lesen natürlich auch im Internet. Ich weiß von einigen Ministern, daß sie ein großes Interesse an den Wahlen haben, weil sie wissen, daß die Weltöffentlichkeit und die Gebergemeinschaft die Zusagen, die die Demokratische Republik Kongo bekommen hat, auch davon abhängig machen, ob sich dieser Staat demokratisch entwickelt.
KK: Präs. J. Kabila hat im Februar dieses Jahres u.a. Berlin besucht. Er hatte sich mit dem Bundeskanzler getroffen. Er hat auch mit Ihnen politische Gespräche geführt. Danach wurde in der kongolesischen Presse über die Hilfe der Bundesrepublik Deutschland geschrieben. Während des Aufenthalts der Delegation des Bundestages im April dieses Jahres in Kinshasa, Delegation, die Sie geleitet haben, sprachen die kongolesischen Medien erneut über die deutsche Hilfe an die Demokratische Republik Kongo. Wie sieht diese Hilfe konkret aus? Ab wann wird sie umgesetzt?
H. Fischer: Es gibt zwei Ebenen der Hilfe: die bilaterale zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Demokratischen Republik Kongo und die multilaterale Hilfe. Bei der bilateralen Hilfe ist es so, daß wir mit der GTZ, mit dem deutschen Entwicklungsdienst und gemeinsam mit der Welthungerhilfe eine ganze Reihe von Projekten machen. Diese Projekte wollen wir auch verstärkt ausbauen. Welthungerhilfe wird immer so verstanden, als wenn wir dort nur etwas zu essen hinbringen. Das ist vollkommen falsch, sondern wir setzen auch mit den Projekten der Welthungerhilfe die Menschen in die Lage, eingenverantwortlich, z.B. wieder Ackerbau zu betreiben oder Straßen zu bauen und ähnliches. Wir machen über die GTZ und die ICG, im Kongo, Mikro-Finanzprojekte, damit sich ein kleiner Mittelstand entwickeln kann. Diese sind bereits eingeleitet, mit sehr gutem Erfolg. Wir haben einige Produktionsprojekte, wie Seifenproduktion z.B. in Kisangani. Wir haben Handelsprojekte in Goma, wo sich Selbständigkeit entwickelt. Wir haben ein Projekt mit Pygmäen, die zu Töpfern ausgebildet werden, damit sie neben ihrer eigentlichen Tätigkeit, weil sie oft nicht mehr in ihrem angestammten Bereich leben, sich über diese Dinge ernähren können. Es gibt einen zweiten Bereich, der bereits stattfindet: die Kooperation mit deutschen Firmen. Das ist eine meiner Zielsetzungen, deutsche Firmen zu interessieren. Aber das wird langfristig und mit vielen Firmen nur funktionieren, wenn es Stabilität gibt. Es gibt einen weiteren Bereich, der ganz wichtig ist. Es gibt eine Zusage in Höhe von 3,9 Milliarden US-$ von der Gebergemeinschaft, von denen 650 Millionen im ersten Jahr zum Ausbau von Schienen-, Straßen- und Wasserwegen gegeben werden. Dazu haben wir Gespräche mit dem Planungsminister geführt. Denn, und das ist den meisten Deutschen wohl nicht bewusst, die Demokratische Republik Kongo ist so groß wie West-Europa und dann muß man sich West-Europa ohne Straßen vorstellen. Die Demokratische Republik Kongo ist nicht nur reich an Bodenschätzen, sondern sie könnte sich auch mit ihrer Agrarwirtschaft ernähren, wenn man die Transportwege hätte. Und deshalb ist das einer der ganz wichtigen Ansätze. Wir haben dem Planungsminister zugesagt, wenn er bei uns anfordert, Helfer für die Planung und Ausschreibung zur Verfügung zu stellen. Wenn er sie benötigt, kann er sich jederzeit an uns wenden, damit wir ihm erfahrene Leute an die Seite stellen, die ihn unterstützen, damit mit diesen Projekten begonnen werden kann. Der Frieden dort ist nur zu sichern, wenn die Menschen sehen, daß es vorangeht.
KK: Angenommen, Ruanda und/oder Uganda machen ihre Drohungen wahr, erneut Gebiete der Demokratischen Republik Kongo zu besetzen, müßten dann nicht Deutschland und die EU Sanktionsmaßnahmen gegen diese Länder, die zur Zeit als bevorzugte Partner behandelt werden, ergreifen bzw. die Zusammenarbeit mit ihnen einstellen?
H. Fischer: Das muß man aus der jeweiligen Situation heraus entscheiden. Mir ist es wichtig zu betonen, daß die Entwicklung im Kongo zur Hoffnung Anlaß gibt. Deshalb finde ich, daß die Demokratische Republik Kongo wie Ruanda und Uganda Schwerpunktpartnerland werden muß. Das habe ich auch in meiner Rede im Deutschen Bundestag gesagt und es ist auch im Antrag der CDU/CSU-Fraktion deutlich geworden. Da die Demokratische Republik Kongo bisher kein Schwerpunktpartnerland ist, kann sie von uns auch nicht so ausgestattet werden, wie zum Beispiel Ruanda. Deshalb ist unsere Zielsetzung, sie auf diese Stufe des Schwerpunktpartnerlandes zu stellen, da es für das Selbstwertgefühl im Kongo wichtig ist. Ich drohe nicht jetzt schon gern mit Sanktionen, weil ich mir die Gesprächskanäle offen halten will. Ich habe in Ruanda, auch bei Regierungsmitgliedern, sehr viel Verständnis für meine Ansicht bezüglich der Sicherheit an den Grenzen gefunden, nämlich nicht in das gegnerische Land einzumarschieren, auch nicht zur eigenen Verteidigung. Deshalb müssen wir da im Augenblick sehr vorsichtig sein. Ich bin noch nicht in Uganda gewesen, aber ich gehe davon aus, daß ich in nächster Zeit versuchen werde, dort Gespräche mit Präs. Museweni zu führen. Einen genauen Termin dafür kann ich noch nicht nennen.
KK: Wie stellen Sie sich die Zukunft der Demokratischen Republik Kongo in den kommenden Jahren vor?
H. Fischer: Wenn es gelingt, den Prozeß der Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo, wie in Kenia, wo ein echt friedlicher Wechsel stattgefunden hat, zu wirklichen demokratischen Wahlen zu kommen, wenn es gelingt, die Milizen teilweise in die Armee und teilweise ins Zivilleben zu integrieren und wenn die Europäer und die Industrienationen insgesamt es ernst mit der Unterstützung meinen, dann bin ich der festen Überzeugung, daß die Demokratische Republik Kongo eine Chance hat, innerhalb kurzer Frist Wachstumsraten zu bekommen, wie sie lange Jahre in Botswana und Mosambik gewesen sind. Die Demokratische Republik Kongo hat die Bodenschätze, die in der Vergangenheit leider fast immer ein Fluch und nicht ein Vorteil für das Land gewesen sind. Wenn es uns gelingt, sicher zu stellen, daß aus dem Kongo nur zertifizierte Rohstoffe ausgeführt werden, eben kontrolliert abgebaut wird und die Kongolesen an der Mehrwertschaffung teilhaben, dann ist der Friedensprozeß im zentralen Bereich Afrikas ein ganzes Stück weiter.
KK: Wir haben noch eine aktuelle Frage: Seit einigen Tagen wird in der kongolesischen Presse sehr viel darüber geschrieben, daß sich Präs. Kabila entschlossen hat, gegen die Korruption im Land vorzugehen - vor allem zuerst auf der höheren Ebene: Minister, Leiter staatlicher Firmen usw. So wie Sie Präs. Kabila kennen gelernt haben, glauben Sie, daß er das wirklich ernst meint? Bisher ist noch nie ernsthaft gegen Korruption vorgegangen worden...
H. Fischer: Ich glaube, daß Präs. Kabila erkannt hat, daß bestimmte Grundprinzipien eingehalten werden müssen. Dazu gehören demokratische Wahlen. Dazu gehört Respekt vor dem politischen Gegner, der nicht der Feind ist. Dazu gehört, daß die Korruption zurückgedrängt wird. Und dazu gehört, wenn man Partner haben will, Verläßlichkeit in bestimmten Aussagen. Wenn er diese Grundprinzipien so umsetzt, dann dient er seinem Land. Ich habe persönlich den Eindruck, daß er dies wohl will. Ich bin sehr vorsichtig, weil ich in Afrika auch schon sehr große Enttäuschungen erlebt habe, aber so wie er es geschildert hat, glaube ich, er will es. Aber er hat ein großes Problem. Er hat 4 Vize-Präsidenten, die sich aus Bewegungen mit widerstreitenden Interessen zusammensetzen. Das, was für uns Europäer wahrscheinlich unbegreiflich ist und unbegreiflich bleiben wird, ist, warum Menschen nicht friedlich zusammen leben können, wenn sie wissen, welchen Reichtum ihr Land hat und daß sie alle gemeinsam von diesem Reichtum profitieren können. Sie haben Gold. Sie haben Coltan. Sie haben Diamanten. Sie haben eine Natur, die für den Tourismus traumhaft wäre. Sie haben eine Landschaft mit landwirtschaftlichen Möglichkeiten, die sie zu eigener Ernährung und zum Export nutzen könnten. Deshalb investiere ich auch so viel Engagement, weil ich davon überzeugt bin, wenn wir gemeinsam mit den Menschen dort, einen Friedensprozeß vorantreiben, dann gelingt es uns, für jetzt wohl 70 bis 80 Millionen Menschen eine Perspektive zu schaffen.
KK: Herr Fischer, wir danken Ihnen für das Gespräch.
Berlin, den 2. Juni 2004