archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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Wir bedanken uns bei unserem Freund, Muepu Muamba*, dafür, daß er uns diesen Text für die Publikation auf unserer Homepage zur Verfügung gestellt hat.
Ruanda: zehn Jahre danach. Bücher, Kommentare, Kolloquien. Jeder Spezialist gibt eine mehr oder weniger fragmentarische Erklärung dazu ab. Man vermischt alles. Wen kümmert es schon! Es handelt sich ja nur um Afrika! So entsteht dieser surrealistische Eindruck, dass man denkt, dieser fremde Erdteil sei gar nicht Teil dieses Planeten.
Gewisse große, begnadete Spezialisten, wie Stephen Smith, gehen sogar soweit, dass sie allen ernstes feststellen: Afrika wäre entwickelt, wenn es nicht von Schwarzen bewohnt wäre. Da ist wieder dieses unbestreitbare, offensichtlich verblendende Argument von unserer Minderwertigkeit; dieser Keulenschlag als Motto von solchen hervorragenden Geister vorangestellt, die uns um jeden Preis zu den untersten Schichten der Welt abschieben wollen.
Unsere Massenmorde, unsere Völkermorde. Als wäre Kambodscha mit seinen ungefähr zwei Millionen Toten aus dem Nichts der afrikanischen Unkultur entsprungen. Als wäre diese Brutalität, die Kolumbien oder Brasilien, sogar ganze Lateinamerika in ihrem Würgegriff hält, nicht eine Nachkömmling des eleganten "euro-christlichen" Humanismus.
Die Gewalt, die Straflosigkeit sind ohne Zweifel der Grundstein, worauf unsere Staaten der heutigen Zeit aufgebaut worden sind. Wenn man die Massengräber, worauf das Fundament der europäischen Staaten gebaut wurde, öffnen würde, es gäbe einen solchen Gestank, dass das Leben, mit allem ihm verbleibenden Vorräten versuchen würde auf einen anderen Planet zu fliehen.
Dennoch scheinen einige skrupellose Journalisten und Wissenschaftler, die oft mit Arroganz über uns schreiben, ihr Gewissen mit stärkstem Putzmittel von diesem Ekel ihrer Kultur rein waschen zu wollen. Doch schneiden noch die Massengräber der Zivilisation des 20. Jahrhunderts ihre skelettartigen Grimassen. Die Geschichte ist diese schmutzige Kloake, wo Autismus und Schizophrenie miteinander streiten.
Nein, Ruanda tauchte nicht urplötzlich aus unseren kranken afrikanischen Gehirnen auf. Ruanda ist, ob man es will oder nicht, die logische Konsequenz dieser Kultur der Straflosigkeit, die manche als Geschichte nennen. Konsultieren Sie, bitte, meine Damen und Herren, Ihre Könige und Prinzen! Konsultieren Sie Ihre noble Ritter und Kaiser! Man sollte mir mindestens einen einzigen großen Eroberer nennen, den man wegen seinen Verbrechen gegen andere Völker vor ein Tribunal gestellt und verurteilt hat. In Tasmanien bleiben nur Spuren der Völker, die für immer aus dem Menschheitsgedächtnis getilgt wurden. Nur die Erinnerung der Erde scheint nach Gerechtigkeit zu schreien.
Sie haben von Kultur gesprochen... Die Erfindung des Verbrechens im Namen der Staatsraison datiert sich nicht zu der Zeit der afrikanischen Unabhängigkeit.
Der überwiegende Teil Ihrer Könige und Prinzen würden ganz leicht vor irgendein internationales Tribunal gestellt werden, wie Herr Milosewitsh, wenn man sie nach der Konzeption und den Maßstäben dieses zweideutigen 20. Jahrhundert beurteilen würde... Das Stammesdenken gilt vor allen Dingen. Wir befinden uns immer noch da. Auch wenn der letzter Jahrhundert versucht hat mit dem Nürnberger Tribunal eine Neuerung einzuführen. Ist es sicher, dass jemand aus der ruandesischen Tragödie, wenn sie sich am Anfang des vorigen Jahrhunderts ereignet hätte, einen großen Fall gemacht hätte? Wurde aus den Morden, die die westlichen Demokratien an denen verübt haben, die den afrikanischen Unabhängigkeiten einen positiven Inhalt verleihen wollten, ein großer Fall gemacht?
Ich möchte hier die Aufmerksamkeit auf die vorsichtig rechtfertigende Sprache im Abschlussbericht der parlamentarischen Untersuchungskommission der belgischen Regierung lenken: Nach 40 Jahren wurde eine Kommission eingesetzt um die genauen Umständen der Ermordung Patrice Lumumbas und die mögliche Verwicklungen Belgiens in diesem Fall aufzuklären. "Man muss in Betracht ziehen, wenn man über die Informationen dieser Dokumente nachdenkt, sie diskutiert, dass man geneigt ist diese Fakten nach der heutigen Sicht der Welt zu analysieren und zu kommentieren; auf der Basis der Realitäten der aktuellen politischen Institutionen"..."Die untersuchte Zeitperiode ist 1960-1961"..."Es ist von Nöten an den historischen Kontext zu erinnern und sich bewusst zu machen, dass damals gewisse Kriterien, ethische Vorstellungen und Normen anders waren, als die heutigen; die bestimmten, was auf der internationalen Bühne politisch Korrekt galt. Auch die politische Situation in Belgien war anders zu jener Zeit. Die belgische Politik, die Institutionen, die Eliten und die Medias funktionierten anders als heute. Die internationale politische Lage war ebenfalls anders »...
Damit ist alles gesagt. Piratokratie
Es ist schon mehrere Jahre her, 1987 oder 1988, als in Burundi ein Massenmord stattfand. Man sprach damals etwa von 5000 bis 10 000 Toten, die vom Militär umgebracht wurden. Ich habe damals dem burundischen Präsidenten, Pierre Buyoya geschrieben und protestiert. Ich erinnere mich nicht mehr an den exakten Wortlaut dieses Briefes, aber ich hatte schon darin die Frage der Straflosigkeit aufgeworfen, woraus leicht andere Verbrechen erwachsen.
Man kann Ruanda und auch keine andere afrikanische Tragödie wirklich verstehen, ohne in die Geschichte der Massenmorde der Kolonialzeit oder in deren, die unsere Kämpfe für die Unabhängigkeit verursachten, einzutauchen.
Wenn die berühmte internationale Staatengemeinschaft nicht radikal ihre Kultur ändert, wenn sie ihre konkreten Fälle der Straflosigkeit nicht als ein aus unseren so genannten modernen Gesellschaften zu verbannendes Verbrechen verurteilt, solange wird der Stammesgesetz in der ganzen Welt noch ihre Blüten treiben.
Diejenigen, die die Zivilbevölkerung in Burundi, in Kongo oder in Uganda und Sudan massakrieren, müssen vor die internationalen Strafgerichte gestellt werden. Und um es zu erreichen, muss man das Gesetz der Macht verbannen, das einen Teil der Straflosigkeit bildet; und man muss es durch das Gesetz der Menschenwürde ersetzen, weil es das Gesetz der Gerechtigkeit, das Gesetz des Lebens ist.
« Das menschliche Blut wiegt schwer: es verhindert, dass derjenige, der tötet, schneller laufen kann » - sagt ein afrikanisches Sprichwort. Das Blut unserer unschuldig umgekommenen Toten lastet schwer auf unseren schwachen Schultern und hindert uns daran, dass wir die Richtung einer harmonischen und humanen Entwicklung einschlagen.
Muepu Muamba
Frankfurt am Main, 27. Juni 2004
Originaltext französisch, Übersetzung Maria Németh.
* Muepu Muamba ist Vorsitzender von Dialog International e.V.