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Zwei Tage vor dem ersten Jahrestag der Bildung der Übergangsregierung und dem 44. Unabhängigkeitstag der DRKongo hatte die Nationalversammlung das Grundgesetz über die neue integrierte Armee angenommen. Ausgeklammert wurde auf Grund der Meinungsverschiedenheiten dessen Artikel 126 betreffend das Kontingent der Kräfte, die für die Protektion des Staatschefs zuständig sein sollen.
Dieser zweifache Jahrestag, der vor dem Hintergrund der zwei gescheiterten Staatsstreiche (28.3. und 11.6.2004) und der Rebellion im Osten des Landes (Ende Mai/Anfang Juni) stattfand, ereignete sich ohne offiziellen Staatsakt und ohne nennenswertes Volksfest. Die offizielle Verlautbarung sprach von einem "Tag des Nachdenkens". Die Beobachter der kongolesischen politischen Szene aber sehen in diesem Verzicht die Angst der Regierenden davor, daß die Bevölkerung diese Gelegenheit wahrnimmt, um ihre Unzufriedenheit mit der Politik der Übergangsregierung freien Lauf zu lassen - wie sie es Anfang Juni in einigen Städten anläßlich der Demos in Folge der Besetzung der Stadt Bukavu durch die meuternden Soldaten getan hatte.
Es ist eine "Premiere" in der Geschichte des "unabhängigen Kongo", daß der "30. Juni" (Unabhängigkeitstag) offiziell nicht gefeiert wurde.
In seiner am 29.06.04 in Radio und Fernsehen übertragenen Ansprache an die Nation hatte der kongolesische Staatschef, J. Kabila, eine gemischte Bilanz der Transition aufgestellt. Er buchte "die Fortschritte auf dem Weg des politischen Pluralismus und der Konsolidierung des Rechtsstaates" als Erfolg des abgeschlossenen Jahres. Hingegen zählen "die Reform der öffentlichen Unternehmen, die Verbesserung der Lage des benachteiligten Teils der Bevölkerung und die harmonische Integration der Armee" zu dem, was im ersten Jahr der Übergangsregierung nicht vollendet wurde. Überdies hatte er die Trägheit der Nationalversammlung im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Wahlgesetzes und des Gesetzes über die Errichtung der "Institutionen zum Schutz der Demokratie", auch "Bürgerliche Institutionen" genannt, angeprangert. Für den kongolesischen Präsidenten bleibt die Lage kritisch sowohl auf der sozio-ökonomischen Ebene als auch im Bereich der Instandsetzung und des Wiederaufbaus der Infrastrukturen. Ungeachtet dieser gemischten Bilanz bleibt er der Überzeugung, daß "das Land sich nunmehr unumkehrbar auf dem Weg des Friedens und des nationalen Aufschwungs befindet". Zum Schluß hatte er eine abermalige Umbildung der Regierung angekündigt. Regierungsumbildung, die zum Teil stattgefunden hat, da der Minister für Information und Presse, V. Kamerhe, Generalsekretär der dem Präsidenten nahestehenden Partei, PPRD (Volkspartei für den Wiederaufbau und die Entwicklung), ernannt wurde.
Eine neue Regierungsumbildung, wozu? Dies ist die Frage, die wir uns stellen. Zumal die in der Vergangenheit immer wieder durchgeführten Regierungsumbildungen nicht zu einer Dynamisierung der Regierungsaktionen geführt hatten. Wohlgemerkt: die Aktionen der Regierung waren bis jetzt auf Grund des politischen Amateurismus, der Unfähigkeit und, vor allem, der Verschwendungssucht der Regierenden mittelmäßig.
An dieser Stelle eignen wir uns die Aussage der in der Hauptstadt von Côte d'Ivoire erscheinenden Tageszeitung "Fraternité Matin" vom 1. Juli 04 an: "ein Präsident plus 4 Vize-Präsidenten gleich Null (1 + 4 = 0)". Realiter handelt es sich hier um eine Parole, die durch einen Teil der kongolesischen Bevölkerung während der Demos gegen die Besetzung der Stadt Bukavu skandiert wurde. Kurz und Gut: Dieses Schlagwort faßt das negative Urteil der KongolesInnen über die Bilanz des ersten Jahres der Regierung der Transition zusammen. Die Machtinhaber der Institutionen der Übergangszeit hatten eine egoistische Neigung zur Schau gestellt, die dazu diente, ihre eigenen Interessen und die ihrer politischen Parteien vor die Interessen des Volkes zu stellen. Es mag hier stellvertretend für viele das Blockieren der Arbeit der Nationalversammlung genannt werden, das durch die PPRD im Zusammenhang mit dem Gesetz über die Quote der Präsidialgarde verursacht wurde.
Nachdem das Unterhaus des kongolesischen Parlaments mit 169 Stimmen für und 130 dagegen für eine Präsidialgarde mit 3500 Mann abgestimmt hatte, hatte die "Präsidialbewegung" (PPRD und Alliierte), die für eine Division mit 15.000 Mann plädierte, eine merkwürdige Lektüre der parlamentarischen Demokratie gezeigt, indem sie abgelehnt hatten, an der Arbeit der Nationalversammlung bis zur Revidierung dieses Entscheids teilzunehmen. Folglich drängt sich die Frage auf, wie die dem Staatspräsidenten nahestehenden Parteien reagieren werden, falls ihnen die Wähler bei den für das nächste Jahr vorgesehenen Wahlen die Stimmen verweigern.
In einer Zeit, in der die DRKongo auf die Gefahr eines dritten Krieges gefaßt sein muß, wäre es nicht angebracht, daß sich die "Damen und Herren Deputierten" - die überdies nicht vom Volk gewählt sind -, auf die Bildung einer republikanischen Armee konzentrieren, die zur Verteidigung der territorialen Integrität und der nationalen Souveränität fähig ist? Im Gegensatz zu den Schmeichlern der PPRD vertreten wir die Meinung, daß nicht die Zahl der Mitglieder der Präsidialgarde - seien es auch 15.000 Mann -, die Protektion des Staatschefs optimal gewährleisten kann, sondern ihre Effizienz und Loyalität.
In diesem Zusammenhang ist einer in Kinshasa erscheinenden Tageszeitung zu entnehmen, daß z.B. der Schutz des Staatspräsidenten in Frankreich durch eine Sondereinheit der nationalen Gendarmerie gewährleistet wird, die aus 52 Personen besteht. Diese Gruppe arbeitet mit einer Abteilung der Kräfte zur Protektion der hohen Persönlichkeiten zusammen, deren Mitgliederzahl sich auf 500 Personen beziffert. Dies gilt, der o.g. Tageszeitung zufolge, auch für Belgien. Der König, seine Familie und die Regierungsmitglieder werden von Angehörigen der Bundespolizei und der nationalen Sicherheit geschützt, deren Zahl sehr gering ist. Im einen wie im anderen Fall stehen diese Kräfte unter der Kontrolle des Innenministeriums. Es ist dort auch die Rede vom ersten kongolesischen Staatspräsidenten, J. Kasavubu, dessen Schutz von 500 Mitgliedern der kongolesischen Nationalarmee wahrgenommen wurde.
Es ist nicht lange her, als die einen oder die anderen die Präsidialgarde zur Zeit Mobutus (DSP - Division Spéciale Présidentielle) immer wieder kritisiert hatten. Nach dem Einmarsch der AFDL in Kinshasa (1997) hat man sich zur Gründung der GSSP (Groupe Spécial de Sécurité Présidentielle) beeilt. Es braucht nicht besonders erwähnt zu werden, daß diese strukturell nach dem Modell der DSP aufgebaut wurde und wie sie eine "Armee in der Armee" darstellt. Während die Effizienz der DSP im Laufe der AFDL-Kampagne null war, hat sich die GSSP bis jetzt durch zweifachen Hochverrat ausgezeichnet: die Ermordung Präs. L.-D. Kabilas durch einen Angehörigen der GSSP und den gescheiterten Putsch vom 11. Juni 2004, dessen Anführer der Leiter der GSSP für die Hauptstadt, Major Eric Lenge, war.
Berlin, den 7. Juli 2004