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Vor ca. einem Monat (18.-20.11.04) fand in Daressalam (Tansania) die Konferenz über die Region der Großen Seen Afrikas statt. Eine Konferenz, an der mehrere afrikanische Staatschefs, Vertreter nichtafrikanischer Regierungen (darunter auch der der Bundsregierung) und internationaler Organisationen (EU, AU, UNO) teilgenommen hatten und an deren Ende eine Erklärung zu Frieden, Sicherheit und Entwicklung in der Region der Großen Seen Afrikas abgegeben wurde.
Eines ist indes erstaunlich. Kurz nach dem Treffen von Daressalam hatte Präs. Paul Kagame (Ruanda), der sich auf dem Weg nach Wagadugu (Burkina Faso) zur "Francophonie-Konferenz" befand, in Dakar (Senegal) eine erneute Intervention seines Landes in der DRKongo zwecks der Neutralisierung der Interahamwe und der ex-FAR angekündigt. Gleichzeitig hatte ein hochrangiger ruandischer Diplomat den Monuc-Chef in Kinshasa und die amerikanische und britische Botschaften in Kigali telephonisch über die bevorstehende Entsendung ruandischer Truppen in die DRKongo informiert.
Unter Verletzung verschiedener Friedens- und Sicherheitsabkommen zwischen Ruanda und der DRKongo befinden sich ruandische Truppen, seit über zwei Wochen, auf dem Territorium der DRKongo. Es ist an dieser Stelle daran zu erinnern, dass es sich hierbei um die dritte Aggression Ruandas gegen die DRKongo seit 1996 handelt.
Die Reaktionen aus dem Ausland und in der DRKongo haben nicht auf sich warten lassen. Paris, London, Washington, Brüssel, New York (UNO), Addis Abeba (AU) und EU - um nur diese zu nennen - haben das Vorgehen Ruandas verurteilt und die Zurückberufung ruandischer Truppen aus der DRKongo gefordert, falls sich diese dort befinden. Darüber hinaus haben sie an Ruanda und an die DRKongo appelliert, die neue auf Initiative Kigalis, unter Verletzung der UNO- und AU-Charten und der o.g. Abkommen zwischen den beiden Ländern, ausgelöste Krise mit friedlichen Mitteln zu beenden. Für das kongolesische Volk stellt dieser Appell der internationalen Gemeinschaft eine diplomatische Floskel dar, die angesichts des Ernstes der Lage fehl am Platze ist und einer Parteinahme zugunsten Ruandas gleichkommt. Energisch hingegen war die NGO "Human Rights Watch", die die Einstellung der Hilfe an Ruanda und einen ökonomischen Boykott gegen das Land verlangt hat. Schweden hat ein Drittel seiner Hilfe für Ruanda (40 von 120 Millionen US-$) wegen der Präsenz von dessen Truppen in der DRKongo eingefroren. Wie das Interview des "Spiegel" (Nr. 52 vom 20.12.04) mit Frau Wieczorek-Zeul (Bundesministerin für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung, SPD) erneut zeigt, ist vorläufig seitens der Bundesrepublik Deutschland kein Druck auf Ruanda zu erwarten.
Der kongolesische Präsident Joseph Kabila hatte einige Tage nach dem Übergriff der ruandischen Truppen auf das Territorium der DRKongo die Entsendung von 10.000 Soldaten zur Verstärkung der kongolesischen Armee im Osten des Landes beschlossen. Diese Entscheidung des kongolesischen Staatschefs wurde letzte Woche durch den hohen Verteidigungsrat bestätigt, der auch den Rahmen der Mission dieser Truppen präzisiert hat: Sicherung der territorialen Integrität und der nationalen Souveränität, Schutz der zivilen Bevölkerung und Sicherung der Grenze zwischen Ruanda und der DRKongo. Einige Tage später wurden die Truppen auf den Weg gebracht. Daraufhin veranstalteten die sogenannten kongolesischen "Ruandophonen" (Euphemismus für Banyamulenge) eine Demonstration gegen die Präsenz der zur Verstärkung des 8. Militärbezirkes abkommandierten kongolesischen Soldaten. Man kann bereits von einer neuen Rebellion sprechen, da es uns nicht verständlich ist, dass sich ein Teil der kongolesischen Armee gegen eine Entscheidung der Regierung stellt, die die Sicherung der nationalen Souveränität und der territorialen Integrität zum Ziel hat. Unterstützt wurden die kongolesischen Ruandophonen dabei durch die ruandische Regierung. Der ruandische Außenminister C. Murigande hat letzte Woche vor der Presse erklärt, dass sein Land den Einsatz neuer kongolesischer Soldaten in Goma nicht zulassen werde.
Seit letztem Sonntag gibt es bewaffnete Auseinandersetzungen zwischen der kongolesischen Armee und einem Teil der ehemaligen Truppen der RCD-Goma. Während die Regierung in Kinshasa von einem offenen Krieg zwischen der DRKongo und Ruanda - zwei der sechs gefangengenommenen Meuterer sind ruandische Staatsbürger und werden der Presse vorgestellt werden -, spricht, dementiert Ruanda jegliche Präsenz seiner Truppen in der DRKongo. An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass Ruanda bis zum Ausbruch des ersten Krieges zwischen seinen Truppen und denen Ugandas auf dem Territorium der DRKongo (Kisangani, 2001) seine militärische Präsenz immer wieder geleugnet hatte. Die Kigali nahestehende RCD spricht von einem Krieg zwischen der kongolesischen Armee und Meuterern aus ihren Reihen.
Die Monuc-Position ist zweideutig. Während die Menschenrechtsorganisationen, die Kirchen und die Bevölkerung vor Ort die Präsenz ruandischer Soldaten auf dem Territorium der DRKongo bestätigen, schweigen die Monuc-Beobachter pikanterweise. Sie berichten über die Nachweise von aktuellen Truppenbewegungen aus Ruanda, aber wenn es um die bewaffneten Auseinandersetzungen geht, sind sie unfähig, die Protagonisten klar zu benennen, und beschränken sich darauf, von der kongolesischen Armee oder den Interahamwe zu sprechen.
Die Präsenz von Interahamwe und ex-FAR im Osten der DRKongo ist eine Tatsache, die man nicht verleugnen kann und die nicht auf das Agieren Kinshasas zurückgeht. Es ist auch eine Tatsache, dass Ruanda zwischen 1996 und 2002 den Ostkongo exklusiv kontrolliert hatte. Einige Quellen sprechen sogar davon, dass Ruanda, dank der Kollaboration der RCD-Goma und mit Hilfe sog. ruandischer Schläferzellen bis zum Ausbruch der jetzigen Krise, den Osten der DRKongo immer noch kontrolliert hat. Es ist weiterhin eine Tatsache, dass die Interahamwe seit 1996 im Ostkongo, wo sie das kongolesische Volk bedrohen, plündern, vergewaltigen und töten, ihr Unwesen treiben. Die Frage ist, von wem sie unterstützt werden, da in der Region der Waffenhandel mit Embargo belegt ist.
Aus Erfahrung wissen wir, dass es den Soldaten des "Genie des Landes der tausend Hügel" weder zwischen 1996 und 2002 noch vor kurzem gelungen war, die "negativen Kräfte" unwirksam zu machen. Davon ausgehend fragen sich verschiedene Beobachter, ob Ruanda es jetzt ernst damit meint. Es gab in der Vergangenheit Berichte über die Zusammenarbeit zwischen der ruandischen Armee und den Interahamwe und Konsorten beim Handel der illegal ausgebeuteten Naturressourcen der DRKongo. Einem aktuellen Brief der CARITAS (15.12.2004) aus dem Osten Kongos ist zu entnehmen, dass, statt die Interahamwe bzw. die ex-FAR zu attackieren, die ruandische Armee Gespräche mit den letzteren führt, um ihre gemeinsame Aktion gegen das kongolesische Volk vorzubereiten. Es wird dort auch über die Präsenz von ehemaligen Mitgliedern der Interahamwe und der ex-FAR innerhalb der ruandischen Truppen berichtet, die jetzt in der DRKongo sind, und die im Rahmen des DDDRR-Mechanismus (Prozesses) durch die Monuc nach Ruanda repatriiert worden waren.
Es ist ersichtlich, dass die kongolesische Armee, die sich im Wiederaufbau befindet, materiell und finanziell nicht in der Lage ist, die von Ruanda nicht zu Ende geführte Neutralisierung der Interahamwe und der ex-FAR zu erreichen. Dies setzt die Bildung einer neuen, restrukturierten und integrierten nationalen Armee voraus.
Zu fragen ist auch, weshalb Ruanda den 3. Kongokrieg zu einem Zeitpunkt ausgelöst hat, zu dem die kongolesische Armee in Zusammenarbeit mit der Monuc angefangen hat, die Hutu-Milizen und die ex-FAR für die freiwillige Entwaffnung zu sensibilisieren. Wir wissen, und Ruanda auch, dass die Rückkehr der Interahamwe und der ex-FAR in ihre Heimat gemäß den internationalen Konventionen nur auf freiwilliger Basis stattfinden kann. Hat Ruanda überhaupt Interesse an ihrer Rückkehr? Denn: diese setzt die Demokratisierung des Tutsi-Regimes in Ruanda voraus.
Wohlgemerkt: Im Gegensatz zu einer in Berlin erscheinenden Zeitung sind wir der festen Überzeugung, dass das Problem für Ruanda nicht die Neutralisierung der "negativen Kräfte", sondern die vorgesehenen freien Wahlen in der DRKongo sind. Freie Wahlen, die nicht ohne Wirkung auf das politische Geschehen in Ruanda bleiben werden. Daher versucht Kigali die Transition im Kongo partout zu torpedieren. Folglich sehen wir eine Kontinuation zwischen der Meuterei von Mutebusi und Nkundabatware in Bukavu (Mai, Juni 2004), den Gestikulationen A. Ruberwas infolge der Ermordung von kongolesischen Bürgern in Gatumba (Burundi, August 2004) und der aktuellen Krise im Osten der DRKongo. Kurz vor der Drohung P. Kagames war der Coltanpreis von 7 auf 30 $ US gestiegen. Ist dies die Erklärung für die erneute ruandische Aggression in der DR Kongo?
Von der kongolesischen Regierung, vor allem der ex-Komponente Regierung in Kinshasa, wird auch erwartet, dass sie eine klare Position im Zusammenhang mit der Präsenz und der Entwaffnung der bewaffneten Milizen im Osten des Landes bezieht. Das gilt auch für die RCD, die, als Teil der Übergangsregierung, zwischen den Interessen des kongolesischen Volkes und denen der Tutsi außerhalb Kongos entscheiden muss.
Manchmal kommt einem die kongolesische politische Klasse schon närrisch vor. Zum Beispiel ihre Haltung zur aktuellen Krise im Osten des Landes. Während dort gekämpft wird, konzentrieren sich die kongolesischen "möchte-gern-Politiker", deren Mediokrität (Mittelmäßigkeit) wir immer wieder anprangern, auf die Verteilung der Ministerposten, die infolge der Misswirtschaft der staatseigenen Betriebe frei geworden sind und somit neu besetzt werden sollen.
Man kann es nicht oft genug sagen: Es gibt keine andere Lösung in der Region der Großen Seen Afrikas als die Aussöhnung aller innerhalb dieser regionalen Gesamtheit lebenden Menschen. Eine Gesamtheit, in der die einen und die anderen einen gemeinsamen Lebensraum finden müssen. Dies aber setzt, wie in der DRKongo und Burundi, die Einberufung eines innerruandischen Dialogs und eines innerugandischen Dialogs voraus, mit dem Ziel, dass in den Ländern der Region der Großen Seen Afrikas Regierungen des "Volkes durch das Volk und für das Volk", wie Abraham Lincoln forderte, das staatliche Leben bestimmen. Leider ist das Ergebnis des Treffens von Daressalam ohne Wirkung auf die Befriedung der Region geblieben, und zwar auf alleinige Entscheidung Paul Kagames, dessen Ziel ist und bleibt: die Besetzung und Annektierung eines Teiles der DRKongo.
Berlin, den 19.12.2004