archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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In diesem Hexenkessel des Verbrechens und des Betrugs, zu dem die Region der Großen Afrikanischen Seen verkommen ist, fühlt sich die "Elitadeska", die der mordenden Soldateska immer vorangeht, nicht mehr sicher.
Seit dem Blutbad von Gatumba, wo mehr als Hundert Kongolesen auf grausame Weise starben, ist die Unschuld weit und breit flüchtig. Das Gift der Verdächtigungen zieht sich bis in die Ritzen der Macht. Das Ergebnis: es regnet von Dementi von allen Seiten, zuletzt von der Forces Democratiques de Libération de Ruanda (FDLR).
Bisher lebten die "Krieger" dort unbehelligt: man glaubte ihnen aufs Wort. Einige, wie Ruanda, profitierten automatisch vom Unschuldsbonus. Eine privilegierte Position, die Ruanda vor allen Verdächtigungen schützte. Die Mörder waren immer die Anderen.
Dieser Mikrokosmos der Macht hat sogar andere Teile der Welt übertrumpft. Er hat sich allen mit der prunkvollen Freiheit eines Piraten bemächtigt: des Landes, der Bevölkerung, der Wälder, der Flüsse, der Tiere, ja selbst der Götter. Er monopolisierte die Gewalt. Niemand verlangte von ihm Rechenschaft. Er besaß das Recht über Leben und Tod, über alles, was lebt. Der Fetisch "Privatisierung" diente ihm als beschützendes Gri-Gri.
Auch die Frage, wer hinter dem Blutbad von Gatumba stecken könnte, klang in den Ohren einiger Machthaber der Region einer Majestätsbeleidigung gleich, bevor sie Besorgnis erregte. Vor allem als ein UNO-Bericht eindeutig auf den Unschuldigen Nr.1 - Ruanda - verwies. Obwohl dieses Land - wie alle anderen Länder, die sich in der Achse des Guten befinden und mit gutem Gewissen ausgestattet sind - die Kompetenz des Internationalen Strafgerichtshofes (ISH) ablehnt, könnte der Kreis um Kagame, wenn nicht sogar er selbst, bald ins Visier dieses Hofes geraten. Das ist der Skandal! Die Tugend ist auch nicht das, was sie einmal war. Konfusion: Dementi, Anschuldigungen, Gegendarstellungen. So prescht zum Beispiel Museveni, der "internationalen Gemeinschaft der Region", mit einer Lösung "in die richtige Richtung" vor: eine provisorische Amnestie in diesem Teil Afrikas. Provisorisch? Wir werden ja sehen.
Nach der Französischen Revolution die Unantastbarkeit der königlichen Macht durch die Immunität der Funktion ersetzt worden. Diese Immunität bekam schon zum ersten Mal bei der Verhaftung Pinochets in London einen Kratzer. Das hat Viele in den "Machtkreisen" weltweit aufgeschreckt. Das Abkommen von Rom, das den ISH gründete, hat dieses Privileg nun definitiv in Frage gestellt. Seit dem ist die internationale "Elitadeska" in heller Aufregung. Sie versteht nichts mehr. Heißt das etwa, dass die Völker ihre so genannte Souveränität wirklich ernst nehmen und einfordern? Was für ein Wahnsinn! Tiefe Beunruhigung und Diskussionen. Bereits Danton hatte die Regel des guten Benehmens fürs Volk benannt, als er sagte: "Die Prinzipien sind nur gut, solange sie auf der Ebene der Prinzipien bleiben".
Heute schwört in Kongo-Kinshasa jeder nur noch auf die Wahlen. Ein anderer Fallstrick für Einfältige. Die Experten der Transition wissen jedoch genau, dass Wahlen die aktuelle verworrene Lage nicht lösen werden. Eine funktionierende Demokratie gibt es heute überhaupt nur dann, wenn die Eliten sich auf die schwierige Frage der Macht- und Privilegienaufteilung bereits im Voraus klar verständigen. Demokratie bedeutet aber vor allem: wirklicher Respekt gegenüber den Anderen, die Respektierung der Würde des konkreten Menschen.
Haiti ist dafür in jeder Hinsicht ein "erbauliches" Beispiel. Ein lebender Beweis des Scheiterns der Französischen Revolution und gleichzeitig eine historische Aufforderung um den Mythos Demokratie permanent zu überprüfen. Ebenso gibt es aktuelle dramatische Beispiele in Hülle und Fülle: man denke nur an die Elfenbeinküste oder an den Kosovo. Die Wahlen scheinen dort nicht viel zur Lösung dieser Konflikte beigetragen zu haben. Ebenso, wie sie seinerzeit in Angola nicht geholfen haben, dem Krieg ein Ende zu setzen. Wir erlebten damals, wie die Unita wieder zu den Waffen griff, nachdem sie die Wahlen verloren hatte. Und das Gemetzel setzte sich noch heftiger fort, als vorher, bis Jonas Savimbi unter "mysteriösen" Umständen verschwand.
Das Gelingen solcher Wahlprozesse hängt entscheidend von den menschlichen Qualitäten der Machtanwärter ab: von deren Visionen, die sie von der Zukunft ihres Landes und ihres Volkes haben. Die politische Erfahrung der momentanen Lage in Kinshasa bringt eher Polemik als positive Ergebnisse hervor. Dies liegt sicherlich an der mangelnden Reife der politischen Akteure der kongolesischen Transition. Um einen Übergang erfolgreich zu navigieren, ist es ein Minimum an Vertrauen der beteiligten Parteien erforderlich. Das ist in Kongo-Kinshasa nicht der Fall. Alle diese "ehrbaren Herren" benehmen sich wie Kampfhähne. Jeder versucht dabei, vor allem seine erworbenen Privilegien zu sichern. Hinzu kommen noch die "Paten" der Region, die im Hintergrund die Fäden ziehen, wie im Marionettentheater.
Und zuletzt die Frage: Was ist von der berühmten Internationalen Gemeinschaft zu erwarten, die hektisch in alle Richtungen agiert? Eine ihre Verpflichtungen wäre, eine strikte Kontrolle der Waffenlieferungen im Gebiet der Großen Afrikanischen Seen durchzusetzen. Ebenfalls heilsam wäre es, die Verquickungen aller Bürgerkriege - von Angola, Kongo-Brazzaville bis Tschad und Sudan -, die seit Jahrzehnten diesen Teil Afrikas verwüsten und in tiefe Trauer stürzen, ans Licht zu bringen. Dies würde jedoch eine bedingungslose Ehrlichkeit und vor allem Respekt gegenüber dem Leben in allen seinen Formen verlangen. Ich erlaube es mir zu zweifeln.
Ich befürchte vor allem, dass im Falle einer Wahl in Kongo-Kinshasa, die Politiker nicht die Art von "Fair-Play" an den Tag legen würden wie die Eliten der Yale-Universität. Wir befinden uns in Zentral-Afrika noch im brutalen Stadium der Akkumulation des Kapitals.
Muepu Muamba
Vorsitzender von Dialog International e.V.
Übersetzung: Maria Kohlert-Németh