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Anlässlich des bevorstehenden 45. Jahrestages der Unabhängigkeit der DR Kongo, am 30. Juni 2005, nimmt die Spannung in Kinshasa und im Hinterland zu. Ein Teil der nicht an den Institutionen der Übergangszeit teilnehmenden kongolesischen politischen Opposition setzt den Akzent auf dieses Datum, das eine große historische Bedeutung für die DR Kongo darstellt, um die Transition zu beenden.
Zur Erinnerung: Am 30. Juni 1960 wurde das Land in die Unabhängigkeit entlassen. Und nun sollen, dem globalen und inklusiven Abkommen von Sun City (2002) zufolge, spätesten an diesem 45. Jahrestag der nationalen Befreiung vom Kolonialismus die freien, transparenten und demokratischen Wahlen stattfinden. Wahlen, aus denen die republikanischen Institutionen hervorgehen sollten.
Zwei Monate vor diesem Termin hat die unabhängige Wahlkommission den Beginn der Operation zu Identifizierung und Registrierung der Wähler auf Anfang Juni 2005 terminiert - zuerst in Kinshasa und später im Landesinneren. Damit wollte die unabhängige Wahlkommission zum Ausdruck bringen, dass es nicht möglich ist, vor dem 30. Juni 2005, Wahlen zu organisieren. Man erinnert sich noch gut daran, dass die Erklärung des Präsidenten der unabhängigen Wahlkommission über die technische Evaluierung der Organisierung der Wahlen, sprich die Unmöglichkeit diese termingemäß zu halten, am 10. Januar 2005 zu Straßendemonstrationen in Kinshasa und in den Provinzen geführt hatte, Demonstrationen, zu denen die politische Opposition aufgerufen hatte. Es gab vier Tote, viele Verletzte und Sachschaden. Beinahe wäre es auch zur Schlacht in Kinshasa gekommen, als der Präsident der unabhängigen Wahlkommission aufgrund des fehlenden gesetzlichen Instrumentariums (des Urabstimmungs- und Wahlrechts) das Parlament (die Nationalversammlung und den Senat) vor einigen Tagen um die Verschiebung der Wahlen gebeten hatte.
Seitdem versucht die nicht an den Institutionen der Übergangszeit teilnehmende Opposition, unter der Federführung von der "Union für die Demokratie und den Sozialfortschritt" von Etienne Tshisekedi und der "Vereinigten Lumumbistischen Partei" von Antoine Gizenga, den Druck auf die Macht in Kinshasa zu verstärken. Sie präzisiert ihre Intentionen Tag für Tag und macht bei ihrer Forderung nach der Beendigung der Übergangszeit am 30. Juni 2005 Ernst. Die "Union für die Demokratie und den Sozialfortschritt" spricht in diesem Zusammenhang von der Beendigung der Herrschaft der "Allianz Demokratischer Kräfte für die Befreiung Kongos"¹ und der Wiedereinsetzung der Beschlüsse, des Schemas der "Souveränen Nationalkonferenz" von 1993. Radikaler vertritt dagegen die "Vereinigte Lumumbistische Partei" eine Position, die sich von der der "Union für die Demokratie und den Sozialfortschritt" demarkiert, insofern als die Partei von Etienne Tshisekedi für die Verhandlungen mit dem Ziel ihrer Integration in die Institutionen der Übergangszeit ist. Überdies spricht man seit einigen Wochen von den geheimen Gesprächen zwischen der "Union für die Demokratie und für den Sozialfortschritt" und der Präsidialpartei, der "Volkspartei für den Wiederaufbau und die Entwicklung". Dem Vernehmen nach soll sich die "Union für die Demokratie und für den Sozialfortschritt" den Institutionen der Transition anschließen - zum Schaden, das versteht sich von selbst, vom Vize-Präsidenten Z'Ahidi Arthur Ngoma, der zurzeit einen Teil der politischen Opposition in der Regierung vertritt und dessen Abgang von den Institutionen der Übergangszeit ein offenes Geheimnis ist.
Bei alledem gibt die in der kongolesischen Hauptstadt anhaltende Spannung Anlass zu Besorgnis. Der letzte Aufenthalt von Javier Solana und Louis Michel, beide hohe Verantwortliche der Europa Union, in Kinshasa hat die Gemüter nicht beruhigt. Man spricht wieder vom Generalstreik ("journées ville morte").
Über das scheinbare Scheitern dieses Generalstreikes sollten sich einige oppositionelle Kreise in Kinshasa nicht freuen. Die jetzige politische Opposition hat seit Jahren gezeigt, dass dies zu ihrer Strategie der Massenmanipulation zählt. Noch gefährlicher erweisen sich die durch die der präsidialen Bewegung nahestehende Presse im Laufe gesetzten Gerüchte über massive Käufe und Verteilungen von Macheten in Kinshasa und einigen Städten der Republik. Obwohl diese Gerüchte von Anfang an, wie einige in Kinshasa durchgeführte Untersuchungen belegen, falsch sind, bleibt es zu befürchten, dass ihre Fortdauer das Schreckgespenst von vorprogrammierten Unruhen nährt und entsprechendes Verhalten hervorruft. Und hierin liegt die Gefahr, in die wir uns mit verbundenen Augen bewegen. Die Lage kompliziert sich noch mehr durch die Drohungen der "Bewegung für die Befreiung Kongos". Sie wird sich denjenigen in den Weg stellen, die am nächsten 30. Juni Unruhen stiften wollen.
Eines ist jedenfalls sicher. Die Zukunft der DR Kongo ist, angesichts des Antagonismus und der Entschlossenheit der sich gegenüber stehenden Parteien, nicht rosig. Die Zunahme der Gewalt und der Unsicherheit in Kinshasa zeigt Wirkung und wird von den Beobachtern der politischen Entwicklung als Vorzeichen interpretiert. Es wird im gleichen Atemzug auch daran erinnert, dass der Ermordung Laurent-Désiré Kabilas eine Zunahme der Gewalt und der Unsicherheit in der kongolesischen Hauptstadt vorausging.
Während dieser Zeit - so ist der französischen Botschaft in Kinshasa nahestehenden Quellen zu entnehmen - wurden der Führer der "Tiger"² und ehemalige Mitglieder der Leibgardisten Mobutus (DSP) im französischen Außenministerium von dem für Afrika zuständigen Berater zu politischen Gesprächen empfangen. Das Thema der Gespräche blieb geheim. Wiederholt sich hiermit nicht eine alte Geschichte? Oder handelt es sich hier um den Willen Frankreichs, sich in den Prozess der Reintegration dieser auf mehr als 12.000 Mann geschätzten Truppen zu implizieren? Oder ist es ein neues Baby auf dem Rücken der Kongolesen?
Alles ist möglich. Alles ist erlaubt. Einstweilen aber bereitet man sich in den konsularischen Kreisen in Kinshasa vor, das entbehrliche Personal und die Familien der Diplomaten zu evakuieren.
Kinshasa, den 17.5.2005
1) Es handelt sich hier um eine militärisch-politische Organisation, die Mobutu 1997 aus der Macht gejagt hatte.
2) Es sind Milizen, die aus der Provinz Katanga stammen und nach dem Scheitern der Sezession von Tschombe (1960-1962) Asyl in Angola gefunden hatten. 1997 schlossen sie sich der "Allianz Demokratischer Kräfte zur Befreiung Kongos" an.