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Die Strömung, in der das kongolesische Volk zur Zeit schwimmt, plädiert für das Gemeinwohl, das das eigentliche Ziel der Politik ist und bleibt. Der folgende Text, vorgetragen im Rahmen des Kongo Studientages (Düsseldorf/04.06.2005), versucht, unter Berücksichtigung der Notwendigkeit der Errichtung einer neuen politischen Ordnung in der DR Kongo und in Form eines Essays, das Konzept "Gemeinwohl" zu eruieren.
Da die Menschen, um ihre Freiheit und ihre Gleichheit zu bewahren, sich in einem Staat organisieren, geht die Staatsmacht vom Volk aus. Das heißt, zu einem die Regierenden, die Machthaber sind die Bediensten, die Funktionären des Volkes und zum anderem setzen die Gesetze die Zustimmung aller voraus. Im klaren Text heißt das: die Volkssouveränität ist absolut, unteilbar, unveräußerlich und legt den "allgemeinen Willen", den "allgemeinen Willen" der Nation also, an den Tag - wobei hinzuzufügen ist, dass der "allgemeine Wille" auf das Wohlergehen aller zielt. Der "allgemeine Wille" ist folglich immer gerecht und dem "partikularen, individuellen Willen" identisch.
Die Freiheit drückt sich nur durch die Gleichheit aus, d.h. durch die Anerkennung des "allgemeinen Willens". Der "allgemeine Wille" ist dem "Willen aller" nicht identisch, und zwar deshalb nicht, weil sich der "Wille aller" als die Summe der "egoistischen, partikularen Willen" definiert. Der "allgemeine Wille" kann, im allgemeinen Interesse, auch durch die Minderheit getragen werden.
Die Volkszustimmung, die durch demokratische Wahlen oder implizit durch freiwillige Fügsamkeit (oder Unterordnung) zustande gekommen ist, ist eine unabkömmliche Bedingung und folglich ein Kriterium für die Bearbeitung einer stabilen Verfassung. Eine Verfassung, eine Ordnung lässt sich nicht einzig durch Gewaltanwendung einführen. Derjenige, der politisch agiert, muss versuchen, die Volkszustimmung zu erwirken. Diese Zustimmung aber liefert nicht den Beweis dafür, dass die Verfassung, die Ordnung in der Tat dem kollektiven Willen angemessen ist. Wenn die Mehrheitszustimmung die Rechte der Minderheit verletzt, gibt es kein Wohlbefinden, kein Wohlergehen der Kollektivität. Dies gilt auch, wenn die Gruppen, die heute leben, durch Kurzsichtigkeit oder Egoismus, nur ihre eigenen Interessen berücksichtigen und die der zukünftigen Generationen ignorieren.
Um eine gerechte und stabile Ordnung einzuführen, muss die Politik das Gemeinwohl zum Ziel haben. Im gleichen Atemzug drängt sich die folgende Frage auf: das Gemeinwohl, was ist das? Es könnte das sein, wofür die Menschen entschieden hätten, wenn, sie dazu fähig wären, klar zu sehen, vernünftig zu denken und ohne eigene Interessen und aus freiem Ermessen zu agieren. Aber die Menschen sehen nicht immer klar, denken nicht immer vernünftig oder agieren nicht immer ohne eigene Interessen. Wie kann sich nun eine Politik nach dem Gemeinwohl orientieren? Gibt es eine Möglichkeit, eine soziale und ökonomische Politik im voraus festzulegen, die dem Gemeinwohl angemessen ist?
Diese Fragen wurden im Laufe der Geschichte auf zwei Arten beantwortet.
Die einen gehen davon aus, dass das Gemeinwohl immer existiert hat. Sie denken, dass es eine absolut gerechte Lösung der politischen Probleme gibt, eine Lösung, die, wie in den Naturwissenschaften, die von Naturgesetzen sprechen, mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden gefunden werden können. So dachten beispielsweise die Marxisten, eine geeignete, entsprechende wissenschaftliche Methode, also den historischen Materialismus, zu haben, mit deren Hilfe eine absolut gerechte Politik zur einer gegebenen Situation gefunden werden kann.
Diese Interpretation ging von einer nicht beweisbaren, unbeweisbaren Annnahme aus, der zufolge die soziale und politische Entwicklung nicht von der Freiheit der menschlichen Aktion abhängt, sondern von Regelmäßigkeiten, die vom menschlichen Willen unabhängig sind. Folge: wenn mit Hilfe einer Denk- und Forschungsmethode absolut gerechte politische Lösungen gefunden werden können, wäre die politische führende Schicht dazu geneigt zu behaupten, dass sie diese Methode beherrscht und folglich im Besitz der absoluten Wahrheit wäre. Derjenige, der sich nicht nach dieser Methode richtet, ist entweder schlecht informiert oder böswillig und muss infolgedessen dazu gezwungen werden, die als gerechte deklarierte Position zu übernehmen. Die führende kommunistische Gruppe, die davon überzeugt war, allein befähigt zu sein, den historischen Materialismus zu interpretieren, benahm sich, agierte so. Die Folge ist bekannt: die Implosion des sowjetischen Blocks, dem Fall der Berliner-Mauer usw.
Die anderen hingegen glauben nicht an die Existenz von Naturgesetzen im sozialen Bereich. Daher wagen sie es nicht, die oben gestellte Frage - "das Gemeinwohl, was ist das?" -, absolut zu beantworten. Sie denken, dass der beste Weg, das Gemeinwohl zu erreichen, der ist, der jedem die Freiheit zugesteht, seine Meinung über das Gemeinwohl zum Ausdruck zu bringen und zu verteidigen. Aus dieser Konkurrenz der Meinungen entsteht ein Kompromiss, das von der Mehrheit der Bevölkerung als gute und gerechte Lösung akzeptiert werden kann. Ein Kompromiss aber ist nun möglich, wenn alle Bürger konsensuell zu einer Vereinbarung über die Ziele des Zusammenlebens, der Kohabitation kommen.
Die Kräfte, die in diesem Prozess der Entwicklung des politischen Willens einen Einfluss auf die Errichtung der politischen Ordnung ausüben, drücken nicht die momentanen, d.h. an die jetzige Epoche liierten Interessen der verschiedenen Gruppen aus. Ein Staat ist mehr als die Summe der zur Zeit lebenden Menschen und die in einer Epoche verfolgten Interessen. Er verbindet diejenigen, die leben, die gelebt haben und die in Zukunft leben werden. Daher ist ein vorsichtiger Politiker derjenige, der nicht nur die Interessen der lebenden Gruppen berücksichtigt, sondern der seiner Verantwortung gegenüber den kommenden Generationen bewusst ist.
Die Ordnung einer Gesellschaft, die das Gemeinwohl zum Ziel hat, ist nicht vorgegeben, sondern bildet sich zuerst durch die politischen Diskussionen, durch die Harmonisierung der Interessen und in der Verantwortung gegenüber der Zukunft. Sie ist keine perfekte Lösung, aber verbesserungsfähig, weil die Menschen, die sie errichten, nicht perfekt sind und sich überdies im Laufe der Geschichte entwickeln können.
Diese Auffassung vom Gemeinwohl ist tolerant. Sie erwartet von denjenigen, die momentan ihre Sicht der Dinge im Rahmen der politischen Auseinandersetzung nicht geltend machen können, sich an die Ordnung anzupassen, der von der Mehrheit zugestimmt wird. Aber sie missbilligt die Abweichler auch nicht, denen sie erlaubt, ihre Meinungen weiter zu vertreten bzw. zu verteidigen. Weder der Wille der Mehrheit noch, schließlich, irgendein menschlicher Wille ist absolut sicher. Die Tatsache, dass diese Toleranz nicht immer in der politischen Praxis der Demokratie praktiziert wird, nimmt diesem Prinzip nicht seinen gerechten Charakter.