archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
Das Land
Aktuelle Infos
Service
Über 40 Jahre nach der letzten demokratischen Wahl (1965) in der DR Kongo, einer Wahl, bei der die Partei (Convention Nationale Congolaise, CONACO) des damaligen Premier Ministre, Moise Tshombe, die parlamentarische Mehrheit (122 der 167 Sitze) errungen hatte, haben die Bürger Kongos (Kinshasa), am 18. und 19. Dezember 2005, die neue Verfassung gebilligt. Und dies, obwohl sie aufgrund fehlender Dokumentationen nicht über den Inhalt der Verfassung informiert waren. Dieser Sachverhalt hat einige Beobachter der kongolesischen politischen Szene zu der Aussage veranlasst, dass es bei der letzten Wahl primär nicht um die Verfassung, sondern um die Beendigung der seit 1990 andauernden Übergangszeit in der DR Kongo ging.
Während 15,5 Millionen, oder 61,97 %, der registrierten 25.021.703 Wähler ihre Stimmen abgegeben haben, waren 38,03 % der Wahlberechtigten zu Hause geblieben. Der prozentuale Anteil derjenigen, die mit "Ja" die Verfassung gebilligt haben, beziffert sich auf 84,31 % der Wahlbeteiligten, oder 61,97 %. Die Zahl der "Nein-Sager" beläuft sich (immer auf der Basis der 61,97 % der Wahlberechtigten) auf 15,69 %. Zu diesen Zahlen ist die Anzahl der Abstinenzler und "Boykotteure" zu addieren. Bemängelt wird weiter das Fehlen des Wahlmaterials und der Wählerlisten in einigen Wahlbüros.
Unmittelbar nach der Schließung der Wahlbüros hat die "Sammlung für Nein" ("le Rassemblement pour le Non"), eine Pattform politischer und sozialer Kräfte, sich auf den Artikel 54 des Urabstimmungsgesetzes beziehend, eine Klage beim Generalstaatsanwalt der Republik eingereicht, in der einigen Politikern - unter ihnen Joseph Kabila und Azarias Ruberwa... -, vorgeworfen wird, "außerhalb der legalen Periode die Wahlkampagne" weiter geführt zu haben. Darüber hinaus hat die o.g. politische Struktur ein Gesuch beim Obersten Gerichtshof vorgelegt, in dem sie die Urabstimmungsergebnisse anfechtet und deren Annullierung fordert.
Wie inzwischen bekannt wurde, hat der Oberste Gerichtshof der DR Kongo am Mittwoch, d. 11.01.2006, den durch die "Sammlung für Nein" gestellten Antrag auf Annullierung der Ergebnisse des Verfassungsreferendums mit der Begründung zurückgewiesen, dass dieser erst nach Bekanntgabe der Urabstimmungsergebnisse hätte gestellt werden dürfen. Darauf hin hat die "Sammlung für Nein" versprochen hat, einen neuen Antrag zu stellen.
Die "Oberbehörde der Medien" ("Haute Autorité des Medias") hat in einem kurz nach dem Referendum publizierten Kommunique kritisiert, dass den politischen Parteien und den anderen politischen und sozialen Kräften, insbesondere denen, die für "Nein" plädiert haben, keine Möglichkeiten zum Zugang zu öffentlichen Medien gegeben wurde. Namentlich wurde darin die "RTNC" ("der staatliche kongolesische Radio- und Fernsehsender") zitiert.
Wäre es unsererseits nicht unvollständig und, vor allem, partiell und voreingenommen, wenn wir uns auf diese Schilderung des Referendums beschränkten, eine Schilderung, die unabsichtlich und gegen unseren Willen negativ ist, wenn wir unserer Leserschaft folgende Bemerkungen, die beachtlich sind, verweigern? Die erste Bemerkung ist, dass der Wahlprozess, der den Weg für die Mehrparteienwahl nach über 40 Jahren in der DR Kongo frei macht und eine Reihe von Wahlen einleitet, ohne jegliche Gewalt stattgefunden hat. Das, was wir aber nicht aus den Augen verlieren sollten, ist, dass der Weg zum effektiven und dauerhaften Frieden lang bleibt und die hier und da im Rahmen des Wahlprozesses zu stellenden Fallen zunehmen werden. Die zweite Bemerkung ist das manifeste Auftreten eines "neuen wichtigen Akteurs" auf der politischen Bühne der DR Kongo, um hier einen emeritierten Professoren der Universität von Kinshasa ("Radio Okapi", 18.12.2005) zu zitieren. Wir meinen: das kongolesische Wahlvolk.
Die noch zu beantwortende Frage ist, ob diejenigen, die für den Boykott plädierten, sich umsonst bemüht haben. Auf die Gefahr hin uns zu wiederholen, es ist wahr, dass der Wähler in jedem Wahlprozess drei Möglichkeiten hat, um seine Präferenz zu zeigen. Dafür kann er mit "Ja" oder "Nein" stimmen oder auch zu Hause bleiben. Es handelt sich hier um die Entscheidungsfreiheit, die sich aus seinem legitimen Recht ableitet und ihm zusteht.
Indem die UDPS (die "Union für die Demokratie und Sozialen Fortschritt") zum "Boykott" aufrief, hatte sie sich ausgeschlossen und auf Umwegen darauf verzichtet, entsprechend ihrem politischen Gewicht und ihrem erwiesenen Glorienschein einen Einfluss auf die Ergebnisse des Referendums auszuüben. Denn: Der "Boykott" wird bei der Stimmzählung nicht berücksichtigt. Es braucht nicht betont zu werden, dass die Position der UDPS, abgesehen von dem ihr zugrunde liegenden Grund, die Befürworter bevorzugt, und die "Nein-Sager" benachteiligt.
Kurz vor dem "Ende" der Deutschen Demokratischen Republik hatte der damalige Generalsekretär der KPdSU, M. Gorbatschow, im Rahmen der Zeremonien zur Gründung dieses Staates, sich an die Führung der SED adressierend, erklärt: "Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben".
Um nicht auch Opfer dieses warnenden Sprichwortes zu werden, hat die UDPS einige Tage nach dem Referendum ihre Bereitschaft zur Beteiligung am Wahlprozess angekündigt und gleichzeitig die Wiederöffnung der Registrierungsbüros verlangt. In zwei Briefen an die "Unabhängige Wahlkommission" und das "Internationale Komitee zur Begleitung der Transision" hat der Generalsekretär der Partei Etienne Tshisekedis das Implizieren dieser in die "Unabhängige Wahlkommission" und die "Höhe Behörde der Medias" gefordert.
Es stellt sich an dieser Stelle die Frage nach der Begründung dieses Revirements. Denn: Die UDPS hatte sich, bis dahin immer wieder durch die so genannte "Politik des leeren Stuhls" gegenüber der durch das globale und inklusive Abkommen von Sun City (Süd Afrika) eingeleiteten Transition ausgezeichnet und vor kurzem noch, zum Boykott des Referendums aufgerufen. Zur Erinnerung: Die UDPS hatte dieses Abkommen unterzeichnet.
In Bezug auf diese gravierende Änderung der Position bleiben die Meinungen geteilt. Während die einen aufgrund dieses Revirements die Führer der UDPS als "Wendehälse" bezeichnen, begrüßen die anderen die Entscheidung der UDPS, sich dem Wahlprozess anzuschließen. So kann das kongolesische Wahlvolk ohne Ausschluss diejenigen frei wählen, an die es die Macht delegieren möchte.
Wir sollten auch nicht vergessen, dass das kongolesische Volk durch seine Beteiligung an dem Referendum und sein massives "Ja" (über 83 % der abgegebenen Stimmen) für die Verfassung gezeigt hat, dass es sich auf dem Weg zu freien, demokratischen und transparenten Wahlen befindet. Diese Wahlen sollen die Übergangszeit, die die "Prinzen", die ohne Legitimation durch das Volk regieren, nicht zu Ende führen wollen, beenden.
Gegenüber dieser Evidenz blieb der UDPS nicht anderes übrig, als sich, gemäß dem Sprichwort "besser spät als nie", an dem Wahlprozess zu beteiligen. Sagt man nicht mit Recht, dass der Wandel die einzige Konstante der Geschichte darstellt und die Ereignisse in ihrem Überfluss und ihrer Turbulenz die Szenen verkörpern, die immer in Bewegung sind? Derjenige, der dies zu ignorieren versucht, steuert gegen den Strom der Geschichte, d.h. befindet sich in Phasenverschiebung zu dem "JA", mit dem das kongolesische Volk die Verfassung im letzten Dezember gebilligt hat.
Leider aber hat der Präsident der "Unabhängige Wahlkommission", sich auf eine finanzielle und zeitliche Zwangslage beziehend, am 08.01.06, abgelehnt, dem Antrag der UDPS stattzugeben. Dies ist zu bedauern, insbesondere, wenn man die Art betrachtet, die diese "Institution zur Unterstützung der Demokratie" gewählt hat, um den Antrag der Partei Etienne Tshisekedis zurückzuweisen. So wurde der UDPS die Entscheidung über die Zurückweisung ihres Gesuchs durch die Presse bekannt gegeben. Einige sprechen in diesem Zusammenhang von einer manifesten Brüskierung, da der Antrag der UDPS in einem offiziellen Schreiben an den Präsidenten der "Unabhängigen Wahlkommission" eingereicht wurde.
Es wurde aber noch ein Fenster offen gelassen für diejenigen, die sich nicht registrieren ließen und dennoch kandidieren wollen. Sie können sich bei der Hinterlegung ihrer Kandidatur in die Wählerliste eintragen lassen.
Für die UDPS hat diese Entscheidung, die sie als politisch motiviert und parteiisch abqualifiziert, zum Ziel, sie als die größte kongolesische Oppositionspartei zu marginalisieren und auszuschließen. Sie ruft das "Internationale Komitee zur Begleitung der Transition" ("CIAT") auf, ihre Vermittlung im Sinne der inklusiven Beteiligung aller politischen Kräfte an den Wahlen fortzusetzen. Und dies, gemäß dem Willen des Sicherheitsrates der UNO: "keine politische Partei darf sich weder ausschließen noch ausgeschlossen werden".
So ist es durch die Entscheidung der "Unabhängigen Wahlkommission" für die Kongolesen, die sich zwar nicht registrieren ließen, aber Kandidaten bei der nächsten Wahl sind, möglich ist, sich bei der Hinterlegung ihrer Kandidatur registrieren zu lassen, demgegenüber sind diejenigen ausgeschlossen und benachteiligt, die keine Kandidaten sind.
Daher drängt sich eine Frage nach der Konformität dieser Entscheidung mit der Verfassung der Übergangszeit auf - eine Frage, die die kongolesischen Verfassungsrechtler unverzüglich beantworten sollten. Denn das von der "Unabhängigen Wahlkommission" benutzte Argument, um den Antrag der UDPS zurückzuweisen, hält einer objektiven Analyse nicht stand. Das Beispiel von Burundi, dem Nachbarstaat der DR Kongo, in dem die Wahlen auch durch die internationale Gemeinschaft finanziert wurden, zeigt, dass es möglich ist, die Registrierung der Wähler bis kurz vor der Wahl vorzunehmen. Unsere Widersprechenden würden meinen, dass das Beispiel von Burundi nicht auf die DR Kongo übertragbar ist - und zwar, wegen der flächigen, gewaltigen Größe Kongos und der dort fehlenden Verkehrskommunikation. Wir sind und bleiben aber der festen Überzeugung, dass es äußerstenfalls - und um die Erwartung eines Großteils der Bevölkerung nicht zu enttäuschen -, möglich ist, die Wiedereröffnung der Registrierungsbüros auf die großen Zentren zu limitieren.
Wie wir bereits in einem in der Vergangenheit publizierten Papier erwähnten, sind wir der Meinung, dass die Wahl in der DR Kongo "inklusiv" nur auf dem Papier ist, zumal die Kongolesen, die das Wahlalter erst nach dem Abschluss der Registrierung erreichen , von der Beteiligung an der Wahl ausgeschlossen sind. Dies gilt auch für diejenigen, die sich im Ausland aufhielten und erst nach dem Abschluss der Registrierung nach Hause zurück kamen.
Im Gegensatz dazu erlaubt das Wahlgesetz der Bundesrepublik Deutschland allen deutschen Bürgen, die am Tag der Wahl das Wahlalter erreichen, eine Wahlteilnahme.
Erwähnenswert ist in diesem Zusammenhang auch der immer stärker werdende Einfluss des Auslands, sprich der internationalen Gemeinschaft, auf die politische Entwicklung und den Wahlprozess in der DR Kongo. Obwohl die Wahlen im Ost-Timor, um nur das Beispiel zu nennen, auch durch die internationale Gemeinschaft finanziell getragen wurde, blieb deren Einfluss dort sehr gering.
Es ist an der Zeit, dass die Kongolesen ihr Geschick in die eigene Hände nehmen. Schließlich geht es bei dem jetzigen Wahlprozess um die Stabilität des Landes und ein friedliches Miteinanderleben nach der Wahl.
Berlin, den 18. Januar 2006