archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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Das sicherheitspolitisches Komitee der EU hat am Mittwoch, d. 22.03.2006, in Brüssel entschieden, dass die EU zur Absicherung der eigentlich für den Juni 2006 vorgesehenen Wahlen in der DR Kongo, die aber aufgrund der nicht ausreichenden Anzahl an Parlamentswahlkandidaten wahrscheinlich verschoben werden muss, ihre Truppen entsenden wird.
Diese Entscheidung, die noch durch die Außenminister der EU-Mitgliedsstaaten bestätigt werden muss, wurde getroffen, nachdem der kongolesische Staatspräsident, Joseph Kabila, am letzten Sonntag (d. 19.03.2006) in Kinshasa dem Sondervertreter der EU für Sicherheitspolitik, J. Solana, sein Einverständnis für die Stationierung der EU-Truppen während und nach der Wahl in der Hauptstadt Kongos gegeben hat.
Die nach mehreren Verhandlungen auf verschiedenen Ebenen erzielte Einigung sieht vor, dass die Bundesrepublik Deutschland und Frankreich je 500 Soldaten zur Verfügung stellen werden. Deutschland wird das Hauptkommando der Operation mit Sitz in Potsdam übernehmen, und Frankreich wird die Leitung der in Kinshasa stationierten Truppen innehaben. Die restlichen Kontingente kommen aus Spanien, Italien, Griechenland, Polen, Belgien, Schweden und Portugal. Was die Dauer der Operation betrifft, ist die Rede von 4 Monaten.
Gut informierte Kreise in der Bundesrepublik Deutschland gehen davon aus, dass die EU-Truppen erst Ende Mai bzw. Anfang Juni 2006 einsatzbereit sein werden.
Die Frage, ob die Bundesrepublik tatsächlich an dem EU-Einsatz in Kongo (Kinshasa) teilnehmen wird, hängt noch vom Beschluss einerseits der Bundesregierung und andererseits des Bundestages ab. Beide werden darüber erst Anfang Mai befinden. Dennoch laufen die Diskussionen auf Parteien- und Parlamentsebene sowie in der Presse über die Notwendigkeit der Beteiligung der Bundeswehr auf Hochtouren.
Während der deutsche Bundespräsident, H. Köhler den EU-Einsatz unter Beteiligung der Bundeswehr begrüßt, bezeichnet ein höher Bundeswehrgeneral ihn als eine "Schau" (Tagesschau, 25.03.06). Der CSU erscheint das Abkommen zum Einsatz der deutschen Truppe in der DR Kongo schwer nachvollziehbar, da das Konzept der "internationalen Verantwortung" nicht ausreicht, um die Beteiligung der Bundeswehr zu begründen. Während die FDP und die PDS/Linke Partei die Beteiligung der Bundeswehr an dem EU-Einsatz kategorisch ablehnen, fordern die Grünen, dass die Bundeskanzlerin persönlich über die "Grundlage dieses Einsatzes" Auskunft gibt.
Für Pax Christi tragen die aktuellen Diskussionen über den EU-Militäreinsatz dazu bei, die internationale Verantwortung für den Kongo-Konflikt zu thematisieren. Andererseits lenken sie davon ab, die Aufmerksamkeit auf einen der schlimmsten Konflikte seit dem 2. Weltkrieg mit bis jetzt über 4 Millionen Opfern zu richten.
Ferner wird hierzulande die sprach- und kulturbedingte Unerfahrenheit der Bundeswehr über die Verhältnisse im Kongo hervorgehoben, um ihre Beteiligung an der EU-Operation zur Absicherung der Wahlen in der DR Kongo abzulehnen. Zu fragen ist, ob die deutschen Soldaten, die am Hindukusch (Afghanistan) stationiert sind, der Sprache Paschtu mächtig sind. Die gleiche Frage gilt auch für Kosovo. Es sei denn, dass die Bundeswehr es dort leichter hat, weil sie sich auf die Erfahrungen der Wehrmacht in dieser Region in den 40er Jahren des letzten Jahrhunderts beziehen kann.
"Unwegsames Dschungelland, heimtückische Krankheiten ... marodierende Milizen", um hier mit K. Müller (TAZ v. 17.3.2006) zu sprechen, und Kindersoldaten stellen die unüberwindbare Gefahr dar, mit der die deutschen Soldaten in der DR Kongo konfrontiert werden könnten. Es handelt sich hier um eine billige Ausrede, die einer objektiven Betrachtung des Sachverhalts nicht stand hält. Kinshasa ist kein "Dschungelland", und dort sind weder Milizen noch Kindersoldaten am Werk. Das, was eine Gefahr für die EU-Truppen darstellen könnte, sind die auch in der Hauptstadt weilenden Leibgardisten J. Kabilas, die "Spezielle Gruppe zur Präsidialen Sicherheit" (GSSP), die bekanntlich überall im Land Unheil bringt.
Die Bevölkerung im Kongo fragt sich, und wir auch mit ihr, weshalb die Präsenz der EU-Truppen nur 4 Monate betragen und sich auf Kinshasa beschränken soll und nicht auf den Osten des Landes erweitert wird, wo verschiedene Milizen die Einwohner schikanieren, foltern, vergewaltigen und töten. Die herrschende Meinung darüber in der DR Kongo ist, dass die internationale Gemeinschaft dazu beitragen will, dass der jetzige Staatspräsident, Joseph Kabila, an der Macht bleibt.
Die Stadt Kinshasa zählt mehr als 6.000.000 Einwohner. Den uns zur Verfügung stehenden Informationen zufolge sollen von den vorgesehenen 1.500 EU-Soldaten nur ca. 450 in Kinshasa unter dem französischen Kommando positioniert werden. Der Rest wird außerhalb der DR Kongo auf seinen eventuellen Einsatz warten.
Die wahre Intention der internationalen Gemeinschaft besteht offensichtlich darin, durch Kabilas Machterhalt ihre Interessen im Kongo abzusichern. Mag das Fiasko der Registrierung der Kandidaten - die Zahl der Kandidaten zur Parlamentswahl war am letzten Tag der Anmeldefrist niedriger als die der zu besetzenden Sitze -, als Lektion für diejenigen dienen, die das kongolesische Volk in einem permanenten, infantilen Zustand halten wollen. Dabei vergessen sie, dass das kongolesische Volk seit Anfang der 90er Jahre des vorigen Jahrhunderts nicht mehr der gefällige Konsument einer gewissen politischen Praxis sein will, in deren Mitte es nicht das Zentrum der Perspektive darstellt.
Es ist gut und rechtens, dass die Bundesrepublik Deutschland den Anspruch auf einen permanenten Sitz beim Sicherheitsrat der UNO meldet. Aber ist es dann nicht auch ihre Pflicht, als Mitglied der Weltorganisation, an einer friedenserhaltenen Operation teilzunehmen? Der EU-Einsatz zur Absicherung der Wahlen in der DR Kongo ist - trotz unseres Vorbehalts zu seiner raumzeitlichen Beschränktheit -, ein Beitrag zur Friedens- und Sicherheitspolitik nicht nur in der DR Kongo, sondern auch im Afrika. Das versteht sich von selbst...
Berlin, den 25. März 2006