archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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Berlin, den 01.05. 2006
Kontaktadresse:
Dr. Mbayi Kabasela
Parkstr. 12
12103 Berlin
Bundeskanzleramt
Bundeskanzlerin Angela Merkel
Willy-Brandt-Straße 1
10557 Berlin
Nachrichtlich:
Einsatz der EU-Truppen in der Demokratischen Republik Kongo
Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
Wir, die Unterzeichner, begrüßen die zyklopischen und vielfältigen Konsolidierungsfortschritte, die die Bundesrepublik Deutschland in der Vergangenheit im Sinne der Lösung der Krisensituation und des harmonischen und friedlichen Erfolgs der Übergangszeit in der Demokratischen Republik Kongo geleistet hat und weiter leistet.
Obwohl wir davon überzeugt sind, dass die Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo - ein Land, in dem ein langer Krieg, auch "der erste Weltkrieg Afrikas" genannt, stattgefunden hatte -, abgesichert werden müssen und Bezug nehmend auf die Komplexität dieser Wahlen, die den Zyklus der Gewalt beenden sollen, die seit 1998 direkt oder indirekt 4 Millionen Menschenleben gefordert hat, stellen wir (uns) die Frage, ob die schlecht vorbereiteten und schlecht organisierten Wahlen nicht dazu beitragen, einen neuen Konflikt zu schüren. Und dies, trotz der immensen Hoffnung, die das kongolesische Volk mit diesen ersten Wahlen seit mehr als 40 Jahren in seinem Land verbindet. Was wird geschehen, wenn diese Hoffnung unerfüllt bleibt?
An dieser Stelle erinnern wir an den letzten Bericht der ONG's "International Crisis Group" (Africa Report 108 - 27 April 2006), einen Bericht, dessen Titel mehr als prämonitorisch (warnend) ist: "Congo's Elections: Making or Breaking the Peace".
Mit "schlecht vorbereiteten Wahlen" meinen wir den Ausschluss einflussreicher politischer und ziviler Kräfte vom vorgesehenen Wahlprozess in der Demokratischen Republik Kongo, während das globale und inklusive Abkommen von Sun City (2003) und die Verfassung der Transition in der Demokratischen Republik Kongo - zwei Grunddokumente, die dem Wahlprozess als juristische Basis dienen -, von der Unausschließlichkeit spricht.
Mit "schlecht vorbereiteten Wahlen" meinen wir auch die Amateurhaftigkeit und das Kommunikationsdefizit, die dem Referendum zur Verfassung vom letzten Dezember vorhergingen. Diejenigen, die uns widersprechen, werden sich gewiss auf das Resultat dieses Referendums berufen, um uns zu sagen, dass das kongolesische Volk den Verfassungsentwurf einstimmig angenommen hat. Um dieses Argument zu entkräften, beziehen wir uns auf zwei Bundestagsabgeordnete, die nach ihrer Rückkehr von einer Informationsreise in der Demokratischen Republik Kongo (Februar 2006) - kurz nach dem Referendum - in einer Pressekonferenz in Berlin bekräftigt hatten, dass das kongolesische Volk über den Entwurf der Verfassung, dessen Inhalt es nicht kannte, abgestimmt hatte, ohne sich vorher über die Bedeutung zu informieren, die ein Verfassungsreferendum darstellt.
Indem wir von "schlecht vorbereiten Wahlen" sprechen, kritisieren wir hierbei die Tatsache, dass diese Wahlen stattfinden werden, ohne dass die Hauptziele der Übergangszeit vollständig erreicht wurden:
Können die "schlecht vorbereiteten" und "schlecht organisierten Wahlen" die Frage der Legitimitätskrise der Macht in der Demokratischen Republik Kongo überhaupt lösen? Eine Frage der Legitimitätskrise, die sich seit der politischen und physischen Ermordung des ersten demokratisch gewählten kongolesischen Premier Minister, Patrice Lumumba, stellt.
Kann man freie, demokratische und transparente Wahlen in einem Land organisieren, in dem ein großer Teil des nationalen Territoriums der Kontrolle der Zentralregierung entglitten ist und dessen Bevölkerung vielfachen Gewalttätigkeiten sowohl seitens der Milizen als auch der Regierungsarmee ausgesetzt ist?
In Anbetracht des Vorstehenden befürchten wir stark, dass die "Absicherung der Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo" durch die EU-Truppen durch das kongolesische Volk als einen europäischen Beitrag zum Machterhalt zugunsten derjenigen interpretiert wird, die sich bisher durch eine notorische Unfähigkeit zur Beseitigung der Krise der Gesellschaft in der Demokratischen Republik Kongo und durch kriminelle Handlungen charakterisiert haben: Abschluss leonischer Bergbauverträge zu eigenen Gunsten oder zu Gunsten ihrer politisch oder Familiennahestehenden, Korruption und sittenwidrige Bereicherung zum Nachteil des kongolesischen Volkes (s. Lutundula-Bericht, Bericht der niederländischen ONG's "Niederländisches Institut für das Südliche Afrika", 2006 und den Bericht der "International Crisis Group", 2006).
Wir befürchten auch stark, dass die "Absicherung der Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo" durch die EU-Truppen sich in ein Gemetzel oder Blutbad verwandelt. Dies ist leicht denkbar, wenn das kongolesische Volk, in seiner Mehrheit, durch ausufernde Straßendemonstrationen oder andere Widerstandsformen seine Ablehnung derjenigen zum Ausdruck bringt, die es aus der Macht haben will, und dementsprechend ein starkes Eingreifen der EU-Truppen benötigt wird.
Es drängt sich außerdem die Frage auf, ob sich die für den Einsatz vorgesehenen 1.250 EU-Soldaten, davon 500 in Kinshasa, erfolgreich gegen mögliche Unruhen wehren können, falls sich diese auf das ganzen Land ausbreiten würden. Es wird des öfteren vergessen, dass Kinshasa nicht die Demokratische Republik Kongo, deren Fläche der Westeuropas entspricht, ist.
Folglich appellieren wir dringend, dass die Internationale Gemeinschaft, deren aktiver Teil die Bundesrepublik Deutschland ist, an den Bemühungen partizipiert, die zum Ziel haben, die gespannte politische Situation in der Demokratischen Republik Kongo zu entspannen, und zur Versöhnung unter den Kongolesen vor den Wahlen beizutragen. Dies, indem sie einen Dialog zwischen den zivilen, sozialen und politischen Kräften ermöglicht und die für den Einsatz der EU-Truppen vorgesehenen Mitteln dafür zur Verfügung stellt.
Nachdem die "Unabhängige Wahlkommission" - in Anführungszeichen, weil wir nicht von ihrer Unabhängigkeit und ihrer Neutralität überzeugt sind -, den Wahltermin einseitig für den 30. Juli 2006 festgelegt hat, sprechen sich einige Stimmen, darunter auch der Präsident der Kongolesischen Bischofskonferenz, Monsignore Laurent Monsengwo, für Neuverhandlung bezüglich der Verlängerung der Transition aus, die bekanntlich am 30.Juni 2006 zu Ende geht. Dies nicht um das Erreichte im Rahmen des Wahlprozesses in Frage zu stellen, sondern um die notwendigen Veränderungen zu schaffen, mit der Ziel der Konsolidierung der Basis friedlicher Wahlen in der Demokratischen Republik Kongo. Wer hätte daran geglaubt, als die UDPS diese gefordert hat? Es war immer die Rede von der Unmöglichkeit von Neuverhandlungen, da dies einen Einfluss auf das Ablaufdatum haben würde. Heute ist die Evidenz da: es ist unmöglich, die Wahlentermine zu respektieren, Wahlentermine, die zweimal verschoben werden mussten.
Obwohl wir davon überzeugt sind, dass die entgültige Entscheidung zur Entsendung der EU-Truppen in die Demokratische Kongo gefallen ist, sind wir weiterhin der Meinung, dass eine andere Form des Beitrags zur Absicherung der Wahlen in Kongo möglich und sinnvoller ist.
Wir hoffen, dass dem Inhalt unserer Petition Rechnung getragen wird.
Hochachtungsvoll
Die Liste der Unterzeichner ist der Redaktion bekannt.