archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
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Die Entscheidung ist auf der Ebene der Bundesregierung gefallen: Die Bundeswehrsoldaten werden an dem EU-Einsatz, EUFOR RDC, zur Absicherung der am 30. Juli 2006 vorgesehenen Präsidial- und Parlamentswahlen in der Demokratischen Republik Kongo partizipieren. Den Marschbefehl wird dann der Bundestag erteilen, der sich letzte Woche in der ersten Lesung mit dem EU-Einsatz beschäftigt hat. Die Abstimmung darüber soll am 1. Juni stattfinden.
Der viermonatige EU-Einsatz wird sich auf die Hauptstadt Kinshasa beschränken. Die Bundeswehr wird 780 Soldaten, also 280 mehr als ursprünglich vorgesehen, in die DR Kongo entsenden, wobei hinzuzufügen ist, dass letztere Aufgaben im Bereich Sanitätsdienst und Logistik wahrnehmen werden. Die Einsatzkosten werden sich auf ca. 56 Millionen Euro beziffern, während ursprünglich die Rede von 20 Millionen Euro war.
In diesem Zusammenhang spricht eine deutsche Wochenzeitung davon, dass ein zweites Kontingent vorgesehen sei - da der Einsatz der deutschen Soldaten im Ausland 4 Monate nicht überschreiten darf -, und die geplante Kongo-Mission länger als angekündigt mehr Zeit in Anspruch nehmen werde. Dies ist erforderlich, so der Bundesminister der Verteidigung, weil "zu dem viermonatigen Einsatz (...) jeweils 50 Tage für die Vorbereitungen und den Abzug hinzurechnen sind - insgesamt drei Monate". In Bezug auf die Zahl der einzusetzenden Soldaten spricht der Außenamtsstaatsminister, Gernot Erler, von "logistische(n) Probleme(n)" bei einem zweiten Präsidialwahlgang. "Logistische Probleme", die eine weitere Verlängerung der Aktion erfordern könnten. Nicht gerechnet sind hierbei die gut 60 Deutschen, die im EU-Stab nahe Potsdam dienen, und jene Truppen, die für Notfälle als "strategische Reserve" in Europa und Afrika (Gabun) abrufbereit stehen sollen.
"Im Rahmen der durch die Resolution 1671 (2006) des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen autorisierten Befugnisse der EU-geführten Operation EUFOR RD CONGO ergeben sich für die Bundeswehr insbesondere folgende Aufgaben:
Fast alle Bundestagsfraktionen stehen dem Bundeswehreinsatz skeptisch gegenüber, zumal der Einsatz des deutschen Kontingents ungenau definiert und das Verhältnis der EU-Mission zu den 17.000 im Kongo stationierten UNO-Soldaten ebenso unklar sei, so die sicherheitspolitische Sprecherin der FDP, Birgit Homburger. Der SPD-Verteidigungsexperte, J. Kahrs, geht davon aus, dass dieser Einsatz mehr als 4 Monate dauern werde. Die Linkspartei ist gegen die Entsendung der deutschen Soldaten in die DR Kongo: "Das Hissen und Bewachen der EU-Flagge in Kinshasa trägt nicht dazu bei, Wahlen zu sichern", so Verteidigungsexperte Paul Schäfer. Die Grünen begrüßen den Einsatz, verlangen aber eine zivile Strategie für die Zeit nach den Wahlen.
Man spricht auch von der Ablehnungsfront innerhalb der Bundeswehr. Als Begründungen werden die fehlenden Erfahrungen mit dem Kontinent Afrika, das Klima, die besondere Mentalität, das Phänomen "Kindersoldaten" usw. angeführt. Zu fragen ist, ob das Klima Afghanistans, wo die Bundeswehrsoldaten auch stationiert sind, dem in der Bundesrepublik gleich ist, geschweige denn die Mentalitäten der Afghanen und der Deutschen. Es handelt sich hier in der Tat um Erwägungen, die einer objektiven Analyse nicht standhalten.
Der politische Direktor der MONUC, A. Conze, aber zeigt sich höchst zufrieden mit dem Beschluss der Bundesregierung und meint: "Wichtig sei, dass die Soldaten der europäischen Einsatztruppe in der Stadt sichtbar seien und Stärke demonstrieren".
Man geht davon aus, dass das Parlament trotz der hier und da zu hörenden Warnungen den Beschluss der Bundesregierung passieren lassen wird.
Die Frage, ob sich der EU-Einsatz wirklich auf Kinshasa limitieren lässt, bleibt offen. Denn: In dem vom Verteidigungsminister präsentierten Plan ist die Rede vom "Raum Kinshasa" - was, nach Ansicht einer deutschen Tageszeitung, eine relativ flexible Auslegung zulasse. Eine andere des öfteren gestellte Frage ist die nach der Reaktion der EU-Truppe auf die mögliche ausufernde Ablehnung der Wahlergebnisse durch das kongolesische Volk. Ein Großteil der Bevölkerung in der DR Kongo setzt den EU-Einsatz dem europäischen Beitrag zum Macherhalt derjenigen, die sie aus der Macht haben will, gleich.
Im Gegensatz zu der Euphorie, die man Anfang des Jahres in der DR Kongo bezüglich der lang ersehnten Wahlen beobachten konnte, ist eine immer evidenter werdende Entnervung festzustellen, so dass man nach einer Erklärung dieser paradoxen und schnellen Umwälzung sucht. Einen wesentlichen Grund dafür sehen wir darin, dass das kongolesische Volk überzeugt ist, dass die sogenannte Internationale Gemeinschaft bereits ihren Kandidaten gewählt hat. Hinzuzufügen ist, dass es bis jetzt keinen Grund gibt, zu glauben, dass diese Entnervung ipso facto zu Ausschreitungen gegen die Expatriierten führen wird. Wir aber befürchten, falls die Bevölkerung nur den geringsten Eindruck über eine strukturelle Wahlfälschung oder eine organisierte Fälschung bekommen sollte, werden die Ressentiments gegen die internationale Gemeinschaft zu Unruhen führen, mit der Folge, dass die EU-Truppen Gebrauch von ihren Waffen machen. Es gäbe dann ein Gemetzel oder Blutbad unter der kongolesischen Bevölkerung.
Es empfiehlt sich, dass die EU-Truppen das Ziel ihrer Mission in der DR Kongo klar definieren, um ein Missverständnis hinsichtlich ihres Einsatzes zu vermeiden. Wenn nach der Zielbestimmung dieses Missverständnis weiter besteht, muss man die Berechtigung der Präsenz der EU-Truppen besser erklären, EU-Truppen, deren Arbeit im Kongo dienlich sein kann - insbesondere wenn diese Arbeit das kongolesische Volk zum Mittelpunkt hat.
Berlin, den 24. Mai 2006