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Vor zwei Wochen gab der Präsident der (kongolesischen) Unabhängigen Wahlkommission das provisorische Ergebnis der Präsidentschaftswahl bekannt. Während die Wahlpartizipation im Osten des Landes bei über 90 % lag, fiel die Teilnahme im Westen hingegen niedriger aus. Auf J. Kabila entfielen 7.590.485 Stimmen oder 44,88 %. J.P. Bemba bekam 3.392.592 Stimmen oder 20,03 %. A. Gizenga lag mit 2.211.280 Stimmen oder 13,06 % und Nzanga Mobutu mit 808.397 Stimmen oder 4,80 % auf den Plätzen 3 und 4. Alle anderen Kandidaten liegen unter 4 %. Damit steht fest, dass es eine Stichwahl am 31. Oktober 2006 zwischen Joseph Kabila (scheidenden Präsidenten) und Jean-Pierre Bemba (einem der jetzigen vier Vize-Präsidenten) geben wird. Für viele Kongolesen geht es dabei um eine Wahl zwischen Pest und Cholera.
Der Bekanntgabe des provisorischen Wahlergebnisses gingen militärische Kampfhandlungen voraus, bei denen die Präsidialgarde den Soldaten des Vize-Präsidenten Jean-Pierre Bemba gegenüber stand und die drei Tage (20., 21. und 22. August 2006) andauerten. Den Höhepunkt stellte der 21. August 2006 dar, als die Residenz J.P. Bembas, während er mit dem Komitee zur Begleitung der Transition (CIAT) konferierte, durch die Truppen Kabilas mit automatischen und schweren Waffen attackiert wurde. Durch die Intervention der MONUC- und Eufor-Truppe konnten die 13 Diplomaten, nach fast 6 Stunden Zwangsaufenthalt, ex-filtriert werden.
Über die Zahl der Opfer wird kontrovers diskutiert. Während der kongolesische Innenminister von 23 Personen - darunter 12 Polizisten -, die getötet wurden, und weitere 43 Personen, die verletzt wurden, sprach, liegen die Zahlen bei anderen Quellen höher.
Während der Gefechte wurde der private Helikopter J.P. Bembas pulverisiert und seine beiden TV-Stationen ausgeschaltet. Gebäude des kongolesischen Roten Kreuzes wurden geplündert. Es wurden dabei auch Computer, Drucker, Fotokopier-, Fernseh- und Funkgeräte gestohlen.
Um die politische und militärische Lage in Kinshasa nach den Kämpfen der letzten Tage zu untersuchen, wurden auf Initiative des Sondergesandten des UNO-Generals in der DR Kongo eine Kommission und eine Unter-Kommission, bestehend aus den beiden kriegsführenden Parteien, den Vertretern der MONUC- und den EUFOR-Truppen ins Leben gerufen. Letzte Woche haben sie zweimal getagt. Seitdem ist eine relative Ruhe in die Hauptstadt zurück gekehrt.
Stellt die Teilnahme von Vertretern der Lager Kabilas und Bembas an diesen Kommissionen nicht einen Anachronismus dar? Wie kann man gleichzeitig "Partei und Richter" sein?
Einige Beobachter der politischen Szene in der DR Kongo gehen davon aus, dass die Gefechte in der Hauptstadt kurz vor der Bekanntgabe des Ergebnisses der Präsidentschaftswahl auf das Ausbleiben einer Annäherung an der Staatsspitze während der 36-monatigen Übergangszeit zurückgehen. Diese Situation konnte nur zu unglücklichen Folgen im Rahmen der Umsetzung der Ziele der Transition führen. Und das wichtige Ziel ist das der Integrierung der Armee und der Sicherheitsdienste. Mit anderen Worten, die ehemaligen kriegsführenden Parteien haben sich nicht total in den Integrierungsprozess ihrer Truppen in die kongolesischen Armee impliziert. Dies bedeutet wiederum, dass sie ihre Feuerkraft quasi intakt behalten haben. Theoretisch gehören die Kräfte, die sich während der drei Tage (20., 21. und 22. August 2006) gegenüber standen, zu einer Streitkraft - der kongolesischen Armee.
Die Anhänger des Kandidaten J. Kabilas meinen, die Stichwahl sei eine simple Formalität. Sie beziehen sich dabei auf die 44,88 % der Stimmen, die er beim ersten Wahlgang bekommen hat. In der Tat konnte er 7.590.485 Stimmen für sich verbuchen, wobei zu bemerken ist, dass nur 17.931.237 der 25.420.199 registrierten Wähler zur Wahl gegangen waren. Das heißt, ca. 8 Millionen weitere Wähler haben ihre Stimmen nicht abgegeben. Das sind mehr Stimmen als die, die J. Kabila bekommen hat. In einem im Web publizierten Artikel ist Willy Ngoie der Meinung, dass es theoretisch für Kabila leicht sei, die ihm fehlenden, 1,3 Millionen Stimmen zu bekommen. Er fügt hinzu, dass der Kandidat Kabila in der Tat 4,9 Millionen Stimmen braucht, um bei der Stichwahl gewählt zu werden. "Kann man sagen, dass das Spiel schon gewonnen ist?", fragt er anschließend.
Seit der Bekanntgabe des provisorischen Ergebnisses der Präsidentschaftswahl ist ununterbrochen die Rede von einer faktischen Aufteilung der DR Kongo in "Ost" und "West" oder in "Swahiliphonen" (Swahilisprechende) und "Lingalaphonen" (Lingalasprechende). Diese Aufteilung basiert auf der Tatsache, dass J. Kabila mehr Stimmen im Osten bekommen hat und J.P. Bemba im "Westen" führt.
Mit Willy Ngoie ist zu bemerken, dass der Sieg Kabilas im Osten vielmehr eine Ablehnung Kagames ist, der bestrebt ist, so die Meinung dort, ein Tutsi-Reich in der Region der Großen Seen Afrikas zu etablieren. Dies ist auch der der Grund für die Niederlage der RCD-Goma, einer durch Ruanda ins Leben gerufenen Rebellionsgruppierung. Der Sieg J.P. Bembas im Westen ist auch als eine Ablehnung der Tutsi-Power zu betrachten, insofern dass, J. Kabila dort als nicht nur Ausländer, sondern als Ruander angesehen werde, also ein Agent Ruandas. Dabei hat man aber vergessen, daß auch Bemba während der Rebellion von Uganda, also vom Ausland, unterstützt wurde.
Während ein "Swahiliphoner" als eine Person, die "Swahili" spricht, und ein "Lingalaphoner" als die, die "Lingala" spricht, definiert ist, ist es nicht, unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es in der DR Kongo Menschen gibt, die sowohl "Swahili" als auch "Lingala" sprechen, völlig falsch, die Kongolesen in "Swahiliphone" und "Lingalaphone" zu entzweien. Hinzu kommt, dass weder "Swahili" noch "Lingala" die exklusive Sprache einer kongolesischen Volksgruppe ist.
Im gleichen Atemzug frage ich, ob diese simple Kategorisierung im Kontext der Wahlen und der embryonalen Demokratie in der DR Kongo das Fehlen einer politischen Programmatik symbolisiert, ein Fehlen, das fast alle Präsidentschaftskandidaten charakterisiert hat.
Während viele Afrikaner die Kongolesen um die Vorteile beneiden, die uns "Lingala" im Bereich der Kommunikation anbietet, betreiben wir eine sinnlose Diskussion, während unser Land alle schöpferischen und innovativen Kräfte braucht.
Folglich sollten wir uns zusammennehmen und unseren Austausch auf das Gesellschaftsprojekt und die politische Programmatik konzentrieren, die dazu fähig sind, unser Land aus seiner jetzigen miserablen Situation herauszuführen, und den Menschen ins Zentrum der Perspektive stellen.
Berlin, den 3.9.2006