archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
Das Land
Aktuelle Infos
Service
Das am 30 Juli 2006 neu gewählte kongolesische Parlament hat sich termingerecht am 22 September 2006 konstituiert. 438 der 500 Mitglieder des Hauses haben an der feierlichen Eröffnungssitzung teilgenommen. Damit hat die erste der demokratisch zu wählenden Institutionen der III. kongolesischen Republik ihre Arbeit aufgenommen.
Die Eröffnungssitzung des Parlaments beschränkte sich auf die Designation des provisorischen Vorstandes. Dieser besteht gemäß der kongolesischen Verfassung (Art. 114) aus drei Mitgliedern und wird geleitet von dem ältesten Abgeordneten, der von den zwei jüngsten (einer Frau und einem Mann) Deputierten assistiert wird.
Am Sonnabend, den 23.09.06, traf sich das Parlament erneut. Dabei wurden ohne Berücksichtigung der politischen Zugehörigkeit ihrer Mitglieder 11 Kommissionen - eine pro Provinz - gegründet, deren Aufgabe darin besteht, die Mandate der neuen Mitglieder des Parlaments zu bestätigen. Diese Kommissionen werden unter der Leitung des ältesten Abgeordneten der jeweiligen Provinz arbeiten, der wiederum von den zwei jüngsten (einer Frau und einem Mann) Deputierten assistiert wird. Jede provinziale Kommission ist für die Bearbeitung der Akten der Parlamentarier einer anderen Provinz zuständig. Dafür sind 5 Tage vorgesehen. Das nächste Parlamentstreffen, das am 2. Oktober stattfindet, wird sich mit den Berichten der jeweiligen Kommissionen über die Bestätigung der Mandate der Parlamentarier und dem Entwurf zur Parlamentsgeschäftsordnung beschäftigen. Einer Geschäftsordnung, auf deren Basis der endgültige Vorstand des Parlaments gewählt wird.
Zu den stärksten Fraktionen im neuen Parlament zählen die Allianz für die Präsidialmehrheit (ca. über 200 Abgeordneten), die als dem jetzigen Präsidenten nahestehend gilt, und der Zusammenschluss der kongolesischen Nationalisten (ca. über 100 Abgeordneten) um den Vize-Präsidenten Jean-Pierre Bemba. An dieser Stelle ist daran zu erinnern, dass sich die beiden bei der zweiten Runde der Präsidentschaftswahl am 29. Oktober 2006 gegenüber stehen werden.
Da keine der beiden Fraktionen über die erforderliche absolute Mehrheit im Parlament (50 % + 1) verfügt, um den zukünftigen Regierungschef zu präsentieren und der Nationalversammlung vorzustehen, bewerben sie sich um die Unterstützung und die Allianz der Parlamentarier, die sich bis jetzt noch nicht (in Bezug auf die existierenden Fraktionen) festgelegt haben. Es geht auch um mehr, nämlich um den 2. Durchgang der Präsidentschaftswahl. Wenn man den Presseberichten Glauben schenken darf, soll die Allianz für die Präsidialmehrheit 267 Deputierten für sich gewonnen haben. Am letzten Samstag hat die Presse die Gründung einer neuen Plattform, die "Union für die Nation", bekannt gegeben, die den Kandidaten Jean-Pierre Bemba bei der 2. Runde der Präsidentschaftswahl unterstützt wird. Sie besteht aus 15 "gescheiterten" Kandidaten des ersten Wahlgangs der Präsidentschaftswahl, einigen bekannten Mitgliedern der politischen Opposition - darunter der historische Oppositionsführer Etienne Tshisekedi von der UDPS (der Union für die Demokratie und Sozialen Fortschritt). Zur Erinnerung: E. Tshisekedi und seine Partei, die UDPS, sind bis jetzt dem Prozess der Transition fern geblieben und hatte zum Boykott sowohl des Referendums zur Verfassung im letzten Dezember als auch der Wahlen aufgerufen.
Einige Beobachter stellen sich die Frage nach Dauer und Haltbarkeit der Allianzen, die die beiden Plattformen in den letzten Tage eingegangen sind bzw. eingehen werden, um für sich die Mehrheit im Parlament zu sichern. Dabei erinnern sie vor allem an den Wankelmut der kongolesischen Politiker und an das Fehlen eines politischen Programms, das fast alle kongolesischen politischen Parteien bis jetzt charakterisiert hat.
Ausgehend von der geltenden Definition der Ethik in der DR Kongo, wo die Krise der Gesellschaft die Bestechlichkeit zum ihren Höhepunkt gebracht hat, hängt die Haltbarkeit der geschlossenen oder der noch zu schließenden Allianzen von den Vergünstigungen ab, die die angeschlossenen Parteien bekommen werden. Insbesondere spielen die Posten ( in Ministerien, in öffentlichen Betrieben, in der Diplomatie...) eine Rolle, die an die Kräfte, die ihre Unterstützung zugesichert haben, vergeben werden. Da aber diese Posten limitiert sind und erwartungsgemäß nur den Führern der Parteien zufallen werden, liegt man nicht fehl in der Annahme, dass heftige Streitereien innerhalb der angeschlossenen Parteien zu erwarten sind. Dies bedeutet auch ihre Schwächung im Rahmen ihrer politischen und parlamentarischen Arbeit.
Man spricht von der III. kongolesischen Republik. Damit verbindet man einen neuen Geist. Aber kann man von bekannten Gesichtern wirklich einen neuen Geist erwarten? Unter den neu gewählten Parlamentariern zählt man neben zahlreichen alten Würdenträgern auch 23 Minister und Vize-Minister der Regierung der Transition...
Berlin, den 24.9.2006