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(Kolonisation und Mission im Kongo, 1876 - 1908, Kolonialer Staat und nationale Mission zwischen Kooperation und Konfrontation) von Ruth Kinet
Wie dem Titel zu entnehmen ist, handelt es sich bei dem Buch von Ruth Kinet (veröffentlicht in der Reihe Europa - Übersee / Historische Studien als Band 15 beim Lit Verlag, Münster 2005, ISBN: 3-8258-7574-1) nicht um die Darlegung der aktuellen Situation in der DR Kongo, sondern, wie der Untertitel belegt, um die Beziehungen zwischen dem belgischen König, Leopold II., dem der Kongo unter der Bezeichnung "Kongo-Freistaat" als Privateigentum durch die teilnehmenden Mächte an der Kongo-Konferenz (1884-1885) zugeteilt wurde, und den kirchlichen Missionen. Beziehungen, die, der Autorin zufolge, durch "Kooperation und Konfrontation" gekennzeichnet waren.
Die erste Frage, die ich mir gestellt habe, ist die nach dem Ursprung des Interesses der Autorin an dieser Zeit bzw. an den Beziehungen zwischen Léopold II. und der Mission im Rahmen der Kolonisierung Kongos. Die Antwort darauf ist im Vorwort des Buches zu finden. Zum einen spricht die Autorin von einem Überseekoffer, der dem Bruder ihres Großvaters mütterlicherseits gehörte, der als Missionar im Kongo gedient hatte. Ein Koffer, den sich Ruth Kinet als Kind des öfteren als Ort ausgesucht hatte, um sich beim Spiel zu verstecken. Zum anderen erwähnt sie ihren "erste(n) Besuch im Museum für Zentralafrika in Tervuren" (bei Brüssel), wo sie den Namen des o.g. Verwandten, Mathieu Kinet, "in goldenen Lettern auf Marmorgrund" auf einer Liste der Soldaten der Force Publique entdeckt hatte, die ihr Leben für die Kolonisierung geopfert hatten. In diesem Zusammenhang spricht die Autorin vom "... Einsatz zugunsten von Fortschritt und Entwicklung im dunklen Erdteil..."
So wurde aus einer Familiengeschichte eine "Magisterarbeit", dann eine "Doktorarbeit" und später ein "Buch", das ich hier bespreche.
Obwohl es dem belgischen Monarchen, Léopold II., der unter dem Vorwand der "Erforschung und Zivilisierung" des afrikanischen Kontinents und der "Bekämpfung der Sklaverei und des Sklavenhandels" verschiedene Organisationen (Internationale Afrika Gesellschaft, Studienkomitee für den Oberkongo, Internationale Kongo Gesellschaft) gegründet hatte, vor allem um das wirtschaftliche Interesse, sprich die Schaffung einer Kolonie und des Absatzmarkts für sein Land ging, wurde er nicht müde zu betonen, das sein Vorhaben ein philanthropisches Ziel verfolgt.
Dabei ist hinzuzufügen, dass von Anfang an das Zivilisierungskonzept Léopolds II nicht laizistisch war. Vielmehr sollten belgische Missionare als kostengünstige Handlanger der Kolonialverwaltung die "Zivilisierung" übernehmen. Nachdem es Leopold II. in den zehn Jahren vor 1885 nicht gelungen war, belgische Missionare für sein Projekt zu gewinnen, beschloss er nach mühevollen und zähen Verhandlungen ein Kooperationsabkommen mit dem französischen Orden der Weißen Väter. Er tolerierte anfangs auch die Präsenz der britischen, schwedischen und amerikanischen Protestanten - wohlwissend, dass sowohl die einen wie die anderen sich im Zweifelsfall patriotisch verhalten würden. Das hatte sich später auch bestätigt.
Nachdem der Kongo 1884/85 in bilateralen Verträgen zwischen den europäischen Mächten und dem belgischen König zum "Privateigentum" Léopolds II. wurde, änderten sich trotz der in der Kongo-Akte verankerten Freiheit der Religionsausübung die Grundlage für Verhandlungen mit den belgischen Missionskongregationen. Als Souverän des Kongo-Freistaats konnte er sie mit diversen Privilegien und attraktiven Bedingungen für eine Zusammenarbeit locken. Dank der Unterstützung des Heiligen Stuhls gelang es ihm 1888 die belgische Kongregation von Scheut, die so genannten Scheutisten, als führende Missionskongregation zu verpflichten. Zugleich wurden die Weißen Väter mit dem Einverständnis der vatikanischen Missionsbehörde gezwungen, ihre bestehenden Station aufzugeben und sich im äußersten Osten des Landes niederzulassen.
Ruth Kinet versucht die Frage zu beantworten, "ob die nationale Mission im Kongo-Freistaat tatsächlich integraler Bestandteil eines geschlossenen kolonialen Herrschaftssystems (Staat, Kirche und Wirtschaft) war". Dabei bezieht sie sich auf den französischen Soziologen Georges Balandier, um die ihrer Forschung zugrunde liegende Vorgehensweise zu erklären: neue Erforschung der Kolonisatoren. Hinzuzufügen ist, dass es ihr darum geht, "die rivalisierenden und widersprüchlichen Motivationen, Methoden und Ziele der europäischen Akteure zu beleuchten".
Sie bedient sich dabei der "Mittel der narrativen Geschichtsschreibung", um, wie sie meint, "von der Vielstimmigkeit, Subjektivität und Widersprüchlichkeit (der) Quellenbestände ausgehend, ein differenzierteres Bild der Beziehung zwischen kolonialem Staat und nationaler Mission" zu "erarbeiten". Dadurch ist das Buch auch für Nicht-Historiker geeignet.
Mittels zweier Fallstudien (Kampf gegen Sklaverei und Sklavenhandel, staatliche Schulkolonien) und der "Kritik im Spannungsfeld des Kongo-Skandals (Kritik protestantischer Missionare und Kritik katholischer Missionen)" kommt Ruth Kinet "anhand umfangreicher Quellenbestände" zu dem Schluss, dass es "jenseits von Apologie und einseitigen Schuldzuweisungen, ein differenziertes Bild des Verhältnisses von Staatsagenten und Missionaren im Kongo" gab.
Während die protestantischen Missionare gegenüber der kolonialen Verwaltung kritisch blieben, versuchten die katholischen Orden, vor allen die "Scheutisten", ihre Kritik der Kolonialbeamten im Kongo-Freistaat zu relativieren. Zu fragen ist, ob das Verschließen der Augen vor der "Misshandlung, Unterdrückung und übermäßigen Besteuerung der kongolesischen Bevölkerung" nicht unterlassener Hilfeleistung gleichkommt?
Das sehr ausführlich recherchierte Buch wird dazu beitragen, die Probleme im Kongo-Freistaat, die durch mangelnde Koordinierung und Abstimmung in den Beziehungen zwischen der lokalen Kolonialverwaltung und der Mission entstanden, besser zu verstehen.
Ich habe das Buch mit Gewinn gelesen...
Berlin, den 26. November 2006
Ruth Kinet
"Licht in die Finsternis"
Kolonisation und Mission im Kongo, 1876-1908. Kolonialer Staat und nationale Mission zwischen Kooperation und Konfrontation
Bd. 15, 2005, 272 S., 25.90 EUR, br., ISBN 3-8258-7574-1
Reihe: Europa-Übersee