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Die praktische Ausübung der Demokratie und die Achtung der Gesetzestexte scheinen in der DR Kongo immer noch problematisch zu sein. Wir haben uns bereits letzte Woche die Frage gestellt, und tun es noch heute, ob der Vorsitzende der Nationalversammlung nach seiner Wahl in den Vorstand des Parlaments berechtigt ist, weiterhin eine Funktion innerhalb seiner politischen Partei wahrzunehmen.
Sie haben es bestimmt erraten: Es geht hier um die Präsenz des Vorsitzenden der kongolesischen Nationalversammlung, Vital Kamerhe, der als führendes Delegationsmitglied der Volkspartei für den Wiederaufbau und die Demokratie, in der letzten Woche, an den Verhandlungen mit dem Premier Minister zur Bildung der Regierung teilgenommen hat.
Zur Erinnerung: Herr Vital Kamerhe ist der Generalsekretär der dem kongolesischen Staatspräsidenten nahe stehenden politischen Partei, der Volkspartei für den Wiederaufbau und die Demokratie.
Gem. Verfassung (Art. 108, 9) der Dritten Kongolesischen Republik gilt, dass "das Mandat eines Deputierten unvereinbar mit der Ausübung eines auf Wahl beruhenden Mandats ist". Da der Vorsitzende der kongolesischen Nationalversammlung, Vital Kamerhe, vor allem ein Deputierter ist, müsste er deshalb nicht nach seiner Wahl als Nationalversammlungspräsident aus seiner Funktion innerhalb der Volkspartei für den Wiederaufbau und die Demokratie zurücktreten?
Eine zweite Frage, die wir uns seit letzter Woche stellen, bezieht sich auf die Zahl der Mitglieder der noch zu bildenden Regierung. Man spricht von 60 Regierungsmitgliedern - bestehend aus Vize-Premier-Ministern, Staatsministern, Ministern und Vize-Ministern. Man kann in diesem Zusammenhang sogar von einem "elefantenartigen" Kabinett sprechen - insbesondere wenn man die zahlreichen Ministerienmitarbeiter (Kanzleileiter, die Schar von Beratern und Referenten...) hinzufügt.
Es braucht nicht besonders betont zu werden, dass hiermit versucht wird, die Ambitionen derjenigen zu befriedigen, die die Wahl des Staatschefs durch ihre Unterstützung ermöglicht hatten. Und diese Art des Handels verbietet sich in einem Land, das über 30 Jahre lang Opfer einer allgemeinen Sozialkrise war, jetzt endlich aus einem langen und mörderischen Besatzungskrieg und einer katastrophalen Übergangszeit herauskommt und dessen Staatskasse durch die kandidierenden Amtsträger für Wahlkampagnen geleert wurde.
Wo soll das Geld herkommen, das, neben den enormen Gehältern für die Minister und deren Berater, die Finanzierung der fünf Reformbaustellen ermöglicht, die der kongolesische Staatschef bei seiner Vereidigung als Prioritäten bezeichnet hat?
Der kongolesischen Presse zufolge besteht die Koalitionsfraktion in der Nationalversammlung, neben einer Zahl von unabhängig politischen Persönlichkeiten, aus 18 politischen Parteien. Wird man überhaupt diesen diversen politischen Interessen bei der Verteilung der Regierungsposten entgegenkommen können?
Die Beispiele " Weimarer Republik " (1919-1933) und "Italien nach dem Zweiten Weltkrieg" sprechen für sich. Diese aus übermäßig vielen Komponenten bestehenden Regierungen gingen aufgrund der divergierenden Interessen der Gelegenheitskoalitionäre vorzeitig in die Brüche, mit der Folge einer politischen Instabilität, die eine gute und effektive Regierungsarbeit verhinderte oder zunichte machte.
Kann sich die Dritte Kongolesische Republik angesichts der aktuellen politischen Lage eine instabile Regierung erlauben? Dem Beispiel der ersten kongolesischen Regierung Lumumbas nach der Unabhängigkeit (1960), deren verschiedenartige und disparate Zusammensetzung zu der in die Geschichte eingegangenen "Kongokrise" führte, sollte nicht gefolgt werden.
Die kongolesische politische Klasse sollte sich davon überzeugen lassen, dass man seinem Land auch dann optimal dienen kann, wenn man außerhalb der Regierung oder des Parlaments steht.
Berlin, den 9. Januar 2007