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Vor zwei Tagen ist - nach mehr als einmonatiger Wartezeit - die Liste mit den Namen der kongolesischen Regierung bekannt gegeben worden. Nach 41 Jahren ist dies die erste Regierung in der DR Kongo, die durch "demokratische, freie und transparente" Wahlen gewählt wurde. Diese Regierung unter der Führung des "Patriarchen" Antoine Gizenga (81) besteht aus sechs Staatsministern (protokollarisch vergleichbar mit dem Vize-Kanzler), 34 Ministern und 20 Vize-Ministern. Neun der Minister (15%) sind Frauen.
Insgesamt gibt es also 60 Ministerien. Dabei stellt sich die Frage, wo das Geld herkommen soll, um die Gehälter aller dieser Minister und ihrer Mitarbeiter zu finanzieren. Es ist bekannt, dass die Staatskasse leer ist, das Land mehr als 4 Jahrzehnten der Krise und der Korruption hinter sich hat und Opfer eines fünfjährigen mörderischen und destruktiven Krieges war. Wäre es angesichts dieser Situation nicht angemessen gewesen, eine kleinere aber effiziente (aus Technokraten bestehende) Regierung zu bilden? Es wird voraussichtlich zu Konflikten zwischen den Interessen der verschiedenen Ressorts kommen. Zu nennen wären das Ministerium für Menschenrechte und das für humanitäre Angelegenheiten sowie die vier Ministerien für Industrie, Minen, Energie und Erdöl, um nur diese Beispiele zu erwähnen.
Neu ist für die kongolesische Bevölkerung und Beobachter der politischen Szene im Kongo, dass zwei Drittel der Regierungsmitglieder unbekannt bzw. politische Neulinge sind. Man kann also sagen, dass die kongolesische politische Klasse erneuert wurde. Dies entspricht den Erwartungen und Hoffnungen der Bevölkerung, was als positiv zu bezeichnen ist.
Negativ dagegen ist, dass die neuen Regierungsmitglieder bislang keine Erfahrung in der Verwaltung der Staatsgeschäfte haben. Anderswo wäre das kein Problem, da die Ministerien und die Verwaltung diesen Mangel ausgleichen. Aber in der DR Kongo existiert der Staat seit Jahren nicht mehr, geschweige denn die Verwaltung. Die meisten der neuen Regierungsmitglieder sind nicht nur Neulinge als Minister, sondern auch völlig unerfahren als Politiker. Soweit sie einer der existierenden politischen Parteien angehören, muss erwähnt werden, dass diese Parteien nur auf dem Papier bestehen. Sie wurden erst vor kurzem gegründet und/oder haben kein politisches Programm.
Alle Minister gehören der politischen Plattform (der AMP) an, die Präs. Kabila entweder beim ersten oder beim zweiten Wahlgang der Präsidentschaftswahlen unterstützt haben. Die Präs. Kabila nahestehende Partei, PPRD, stellt 18 Minister und Vize-Minister. Diese haben die Kontrolle über die Sicherheit und den Wiederaufbau des Landes. Die Partei des Premierministers A. Gizenga (PALU) besetzt 6, die von O. Kamitatu (FR) 5, die von Nzanga Mobutu (UDEMO) 3 und die CODECO 2 Ministerien.
Von einer Regierung der nationalen Einhat kann man nicht sprechen, da keine der wichtigen Oppositionskräfte beteiligt sind. Sogar die RCD von A. Ruberwa, die den Willen gezeigt hatte, sich an der Regierung zu beteiligen, wurde nicht berücksichtigt. Trotzdem gibt sie der Regierung eine Chance. Andere politische Parteien haben noch keine Meinung diesbezüglich abgegeben.
Die Bekanntgabe der Regierung Gizengas wurde von der kongolesischen Bevölkerung unterschiedlich kommentiert. Während in Katanga und in den beiden Kivu Provinzen der Regierung Vertrauen und Hoffnung entgegengebracht werden, beklagen die Luba-Einwohner in Kasai-Oriental, dass es keine Vertreter aus ihrer Provinz in der Regierung gibt.
Erfreulich ist, dass keine Politiker (bis auf Kalume/Innenminister und Nyamwisi/Außenminister) der Regierung angehören, deren Namen in den verschiedenen Berichten über die illegale Ausbeutung der Rohstoffe der DR Kongo genannt wurden bzw. die in verschiedene Korruptionsskandale verwickelt waren.
Abgesehen von den von Präs. Kabila in seiner Antrittsrede genannten fünf Prioritäten (Infrastruktur, Beschäftigung, Erziehung, Wasser und Elektrizität, Gesundheit) muss, wie der EU-Beauftragte in der Region der Großen Seen, Aldo Ajello, in einem Interview (La Libre vom 7.2.2005) erwähnt hat, die Reform der Sicherheitskräfte (Armee, Polizei) und der Justiz die höchste Priorität genießen. Denn ohne diese sind Frieden und Entwicklung nicht möglich. Javier Solana, Chef der EU-Diplomatie, begrüßte die Bildung einer kongolesischen Regierung. Belgien hingegen sieht die Regierungsbildung als einen Meilenstein auf dem Weg zur Demokratie in der DR Kongo an, behält sich aber das Recht vor, die Regierung nach ihren Taten zu beurteilen.
Wie man überall auf der Welt sagt, geben wir der neuen Regierung die traditionelle "Frist von 100 Tagen", um zu sehen, ob sie Wege aufzeigt, die zu einer Verbesserung der Lage des Landes führen.
Berlin, den 8. Februar 2007