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Nach dem Ablauf des den Aufständischen bis zum 15.10.2007 gestellten Ultimatums hat der kongolesische Staatspräsident, Joseph Kabila, der sich zum dritten Mal seit seiner Wahl als Staatschef in Goma (Hauptstadt der Provinz Nord Kivu) aufhielt, bei einer Pressekonferenz, am letzten Mittwoch, erklärt, dass er den kongolesischen Streitkräften den Befehl ("Grünes Licht") zur Neutralisierung des aufständischen Laurent Nkunda und seiner Anhänger erteilt hat. Wobei er in Bezug auf den Beginn der militärischen Handlungen hinzufügte, dass "alles zu seiner Zeit" geschehen müsse. Und dies, angesichts der anhaltenden Zwistigkeit, die man innerhalb der rebellischen Truppen beobachtet. In diesem Zusammenhang ist die Rede von über 1.200 Anhängern Laurent Nkundas, die sich in den letzten Tagen entschieden haben sollen, in die reguläre Armee einzutreten. Hinzu kommt, dem kongolesischen Staatschef zufolge, die Rückgewinnung vieler durch die Aufständischen besetzter Gebiete durch die loyalistischen Truppen.
Mit anderen Worten: Den Aufständischen wurde eingeräumt, sich bis zum Ende dieses Monats bei den "Sammellagern für die zu integrierenden Milizionäre" ("centres de brassage") zu melden. Dieser Kompromiss ist, wenn man den Presseberichten Glauben schenken darf, Folge der verschiedenen Verhandlungen, die der Staatspräsident mit zahlreichen regionalen, nationalen und internationalen Persönlichkeiten in Goma geführt hat. Zu Letzteren zählt man den Repräsentanten des UN-Generalsekretärs, William Lacy Swing, und den Chef der MONUC-Truppen, den General Babacar Gaye, sowie die Botschafter Großbritanniens, Frankreichs, Belgiens, Südafrikas und den Geschäftsträger der US-Botschaft in der DR Kongo, die sich Anfang der letzten Woche nach Goma begeben hatten, um mit dem kongolesischen Staatschef "über die Situation in Nord-Kivu, aber auch über den Runden-Tisch zur Reform des Sicherheitssektors, über den DDR-Prozess und die Problematik der FDLR" zu sprechen.
Der Chef der MONUC, W. L. Swing, hat, am letzten Dienstag, seine Besorgnis angesichts der humanitären Lage in Nord Kivu zum Ausdruck gebracht. Er hat an alle kriegsführenden Parteien appelliert, den Zugang der humanitären Organisationen zur betroffenen Zivilbevölkerung ohne Einschränkungen sicherzustellen und den Abtransport Verwundeter zu gewährleisten. Während er die Truppen Laurent Nkunda aufforderte, sich dem "Integrationsprozess" anzuschließen, rief Swing die FDLR auf, freiwillig in ihre Heimat zurückzugehen. Dieser Appell erfolgte auch im Namen der oben genannten diplomatischen Vertreter.
Im gleichen Atemzug hat die diplomatische Delegation am Ende ihres Aufenthalts in Goma in einem publizierten Kommuniqué erklärt, dass sie "das demokratisch gewählte kongolesische Staatsoberhaupt im Rahmen seiner Bemühungen um den Frieden im Osten des Landes, die Sicherung der territorialen Integrität und die Sicherung der Unversehrtheit aller kongolesischen Bürger voll unterstützt".
Erwähnenswert ist auch, dass es in der letzten Woche den loyalistischen Truppen gelungen war, die Soldaten Laurent Nkundas aus ihren Positionen zurück zu schlagen. Dabei bekamen sie die Unterstützung der MONUC in Form von Truppen- und Munitionstransporten an die Frontlinien. In Anlehnung an ein im Osten des Landes tätiges Forschungsinstitut ist zu fragen, ob die Verstärkung des Gewaltpotentials den einzigen Weg zur Unterstützung der DR Kongo bei der Lösung des sich in Nord Kivu stellenden Sicherheitsproblems darstellt.
Aus dem Lager des aufständischen Laurent Nkunda wurde immer wieder erklärt, dass seine Truppen nicht vor Diskussionen mit den Verantwortlichen der DR Kongo die Waffen niederlegen und sich gegen jeden Angriff zur Wehr setzen werden. Einige Beobachter sprechen davon, dass Laurent Nkunda, gegen den ein internationaler Haftbefehl läuft, sich im Gespräch mit höheren Stellen über die Möglichkeit eines Exils im Ausland befindet...
Zur Erinnerung ist zu bemerken, dass seit über einem Jahr in der Provinz Nord Kivu (im Osten der Republik) Kämpfe zwischen den Streitkräften der Demokratischen Republik Kongo (FARDC) und den Truppen des ex Generals Laurent Nkunda stattfinden. L. Nkunda tritt für die Verteidigung der kongolesischen Tutsi, sprich gegen die angebliche Diskriminierung der letzteren durch andere kongolesische Volksgruppen in den Kivu-Provinzen, ein. Dabei wird er durch den ehemaligen Vize-Präsidenten Ruberwa unterstützt, der während eines Interviews in der letzten Woche mit RFI die kongolesischen Tutsi mit den schwarzen Südafrikanern während des Apartheidregimes und den Afrikanern Amerikanern zur Zeit der Segregation in den USA verglich. Dass dieser Vergleich nicht stimmt, sieht man, wenn man die personelle Zusammensetzung der militärischen, parlamentarischen, administrativen Nomenklatur sowie die Leitung der staatlichen Betriebe genau betrachtet. Die Tutsi sind dort besser als alle in den Kivu-Provinzen lebenden kongolesischen Volksgruppen vertreten, obwohl ihr Anteil an der gesamten Bevölkerung sehr niedrig ist.
Wie die Presse am letzten Sonnabend berichtete, ist es am Vormittag des gleichen Tages in Nord Kivu wieder zu Kampfhandlungen gekommen. Die Truppen des aufständischen Laurent Nkunda erklärten, sie hätten 18 Milizionäre der Hutu-Miliz FDLR getötet, nachdem diese, lokale Maï-Maï-Milizionäre und die kongolesische Armee ihre Positionen angegriffen hätten. Die ruandischen Hutu-Rebellen der FDLR und die kongolesische Armee haben ihre Verwicklung in die Kämpfe jedoch bestritten. Folge: Tausende Zivilisten wurden erneut in die Flucht getrieben.
Neben der humanitären Katastrophe spricht man auch von der eskalierenden gewaltsamen Rekrutierung von Kindern und der sexuellen Gewalt, die von den Truppen des aufständischen Laurent Nkunda, den Milizionären der FDLR und anderen Gruppen in Nord Kivu ausgeübt wird, so die Sondergesandte des UN-Generalsekretärs, zuständig für Kinder in bewaffneten Konflikten, Radhika Coomaraswamy. Man schätzt, dass sich in den Reihen der Truppen Nkundas mehrere hundert Kinder befinden und weitere Tausende dem Risiko einer Zwangsrekrutierung ausgesetzt sind, erklärte sie in einer am Sonnabend (20.10.2007) veröffentlichten Presseerklärung.
Verwunderlich ist die Grabesstille des kongolesischen Regierungschefs, Antoine Gizenga, über die Ereignisse der letzten Monate in der DR Kongo (mörderische Zwischenfälle in der Provinz Bas-Congo zwischen den Sicherheitskräften und der politisch-religiösen Bewegung "Bundu dia Kongo", Besetzung einiger Gebiete Kongos (Provinz Bandundu) durch angolanische Soldaten, Flugzeugabsturz in Kingasani/Kinshasa vom 4.10.07, Kämpfe im Osten des Landes...). Und dies, obwohl ihm die Verfassung der Dritten Republik die Befugnisse eines Regierungschefs zuerkennt. Einige Stimmen sprechen schon von der "Präsidialisierung" des Regierungssystems in der DR Kongo. Denn: Der Staatspräsident, Joseph Kabila, ist der einzige Akteur, der sich auf allen Frontlinien präsentiert...
Berlin, den 22.10.2007