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Ist es ein Zufall, dass die "Kivu-Invasion" durch die ruandische Armee genau zu dem Zeitpunkt erfolgte, als Washington wegen der Inaugurationsfeiern politisch nicht handlungsfähig war?
Obwohl ich die Beantwortung dieser Frage den Historikern überlasse, ist daran zu erinnern, dass der kongolesische Premier-Minister, Patrice-Eméry Lumumba, am 17.01.1961, und der kongolesische Staatschef, Laurent-Désiré Kabila, am 16.01.2001, ermordet wurden - also kurz vor dem Machtwechsel in den USA...
Die Beobachter der politischen Szene in der DR Kongo sprechen vom Missklang innerhalb der kongolesischen staatlichen Organe in Bezug auf die Intervention runandischer Soldaten im Osten des Landes.
Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang die eklatante Antinomie, ich meine die Widersprüchlichkeit, zwischen den Erklärungen der kongolesischen und der ruandischen Regierung. Während Kinshasa von einer Beobachtungsmission spricht, handelt es sich für Kigali um die erste Etappe der ruandischer Aktion gegen die FDLR.
Die erste zu stellende Frage ist, ob für eine Beobachtungsmission mehrere Tausend Soldaten - die MONUC spricht von ca. 3.000 bis 4.000, während andere Quellen diese Zahl auf 6.000 bis 7.000 beziffern -, benötigt werden. Diese Zahlen werden vehement durch Kigali dementiert und folglich als "Desinformation" und "Manipulation" bezeichnet.
Politisch interessant ist, dass der "einflussreiche" Präsident der kongolesischen Nationalversammlung, Vital Kamerhe, der als Anhänger Präsident Joseph Kabilas tituliert wird, noch am 20. Januar 2009 erklärte, ihm und seinem Haus sei von einer Vereinbarung über einen Truppeneinmarsch nichts bekannt. Er bezeichnete die Lage als "sehr ernst". Dies gilt auch für die MONUC und die provinziale Regierung Süd-Kivus, die im Voraus nicht über den "Einfall" der ruandischen Truppen informiert waren.
Zu bedauern dagegen ist, dass sich die kongolesische Opposition (sowohl institutionell als auch außerparlamentarisch) bezüglich der neuen Entwicklungen im Osten des Landes bis jetzt nicht manifestiert hat...
Die zweite Frage bezieht sich auf den Vertrag, der der ruandischen Intervention zugrunde liegt. Ein Vertrag, dessen Inhalt bis jetzt unbekannt ist. Dem Oberkommandanten der kongolesischen Armee, General D. Etumba, zufolge wurde die Entscheidung, die ruandischen Truppen in Kongo einzulassen, ohne Vorgespräche mit der Führung der kongolesischen Armee getroffen. Folgerichtig wurde dieser Vertrag nicht von ihm, sondern von dem Chef der kongolesischen nationalen Polizei. General J. Numbi, und dem Oberkommandanten der ruandischen Armee, J. Kabahere, unterzeichnet.
Die durch die Berliner Zeitung TAZ (20.01.09) beschriebene "Feierstimmung" bedarf einer Relativierung. Denn: Dieser Artikel berichtet über die Reaktion der Bevölkerung nach der Erklärung der "CNDP-Ntaganda" über die Beendigung der Kampfhandlungen gegen die kongolesische Armee und die Schrankenentfernung - bis auf die Straßen, die nach Rutshuru führen und durch die FARDC für den Verkehr gesperrt wurden. Es geht dabei nicht um die "Feierstimmung" der Bevölkerung nach dem "Einfall ruandischer Soldaten...".
Die Bevölkerung in der DR Kongo, und vor allem im Osten des Landes, steht der neuen Präsenz der ruandischen Soldaten im Süd-Kivu skeptisch und ablehnend gegenüber. Und dies, aufgrund der Geschichte der letzten Jahre. Zwischen 1996 und 2002 war Ruanda präsent im Osten der DR Kongo, um, wie die Regierung in Kigali behauptete, die FDLR zu neutralisieren. Ergebnis: null.
Daher stellt sich für die Kongolesen die Frage nach dem Erfolg der jetzigen ruandischen Operation. Sie bezieht sich hierbei auf die ähnliche und ursprünglich auf 15 Tage limitierte Operation, die durch die Soldaten aus Uganda, dem Sudan und der DR Kongo gegen die LRA in der Provinz Orientale (Haut-Uélé/Ituri) geführt wird, mit bekannten Folgen: mehr als 600 Zivilkongolesen wurden durch die LRA ermordet. Hinzu kommen die Vertriebenen und die Vernichtung von Wohnraum, Feldern und Wäldern.
Die Vertreter der Bevölkerung Nord-Kivus in Kinshasa zeigen sich "überrascht" und "indigniert" ("empört"), "prangern die fehlenden Maßnahmen zum Schutz der Zivilbevölkerung während der Operation an" und "verlangen die Heimkehr der ruandischen Truppen".
Die Frauenorganisation in Süd-Kivu (Caucus des Femmes Congolaises du Sud-Kivu) "verlangt von der MONUC die Errichtung eines humanitären Korridors, um sie vor Vergewaltigung und sexueller Gewalt während der gemeinsamen militärischen Kampfhandlungen gegen die FDLR zu schützen".
Es wird in der DR Kongo auch die Frage gestellt, ob die am letzten Dienstag (20.01.09) begonnene ruandisch-kongolesische Operation nicht im Zusammenhang mit dem kürzlich vorgestellten "Sarkozy-Plan" und dem vom ehemaligen us-amerikanischen Unter-Staatssekretär Herman Cohen entwickelten Papier zur Lösung der Krise im Osten des Landes steht.
Zur Erinnerung: Beim Jahresempfang der in Frankreich akkreditierten Botschafter hat der französische Staatspräsident nicht nur die gemeinsame Ausbeutung der Naturressourcen Kongos durch Ruanda und die DR Kongo, sondern auch die Öffnung der Grenze Kongos für die ruandische Bevölkerung vorgeschlagen.
Nach Herman Cohens Auffassung sollte Ruanda die federführende Rolle in der noch zu konstituierenden wirtschaftlichen Union der Länder der Region der Großen Seen Afrikas übernehmen - wohlgemerkt: Dabei geht es vor allem um die gemeinsame Ausbeutung der Naturressourcen der DR Kongo.
Wie am letzten Freitag (d. 24.01.09) bekannt wurde, ist der abtrünnige General Laurent Nkundabatware in Ruanda verhaftet worden und befindet sich dort an einem geheimen Ort. Die Regierung Kinshasas hat seine Auslieferung verlangt. Kigali hat sich darüber noch nicht geäußert.
Eine Frage, die sich in diesem Zusammenhang stellt, ist: Warum wurde er nicht auf dem kongolesischen Territorium verhaftet? Die Antwort könnte sein, dass die Machthaber in Ruanda dadurch gern verhindern möchten, dass Laurent Nkundabatware vor der kongolesischen bzw. der Internationalen Strafgerichtsbarkeit steht.
Während der Sprecher der ruandischen Armee, General Rutaremara, vor der Presse in Kigali (23.01.09), in diesem Zusammenhang von einer politischen Lösung sprach, vertrat der kongolesische Informationsminister, Lambert Mende, bei einer Pressekonferenz in Kinshasa die Meinung, dass der verhaftete General vor den kongolesischen Militärobergerichtshof gestellt werden muss. Dies ist auch die Meinung vieler Kongolesen.
Einige Pressestimmen sprechen diesbezüglich davon, dass Kigali seinen "Schützling", Laurent Nkundabaware, wie eine heiße Kartoffel hat fallen lassen, und führen diesen plötzlichen Sinneswandel Ruandas auf den internationalen Druck auf die ruandische Regierung nach der Veröffentlichung der UNO-Berichte über die Präsenz ruandischer Soldaten innerhalb der Truppen Nkundabatwares zurück.
Festzuhalten ist, und ich beziehe mich hier auf die Presseberichte vor Ort, dass die Bevölkerung im Osten Kongos nach der Verhaftung Nkundabatwares auf die Rückkehr des Friedens in der Region der Großen Seen hofft.
Wahr ist und bleibt, dass Ruanda seine Schutzbefohlenen immer hat fallen lassen, wenn diese versuchten, sich zu emanzipieren. Die sich stellende Frage lautet: Wer wird demnächst verhaftet?
Berlin, den 26.01.2009