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Wäre es nicht ratsam, dass die Kongolesen die Entwicklung der Situation in Russland beobachten, wo noch vor einigen Monaten die Opposition sich abmühte, mehr als 500 Personen bei ihren Demos zu sammeln, und daraus Folgerungen zu ziehen? Ich möchte hier nicht sagen, dass die Situation in Russland, das sich in einer langfristigen Bewegung befindet, und die herrschende Situation in der DR Kongo nach den Wahlen am 28.11.2011 identisch sind.
Ganz im Gegenteil...
Meine Absicht ist es, einen jeden aufzufordern, die Frage nach dem zu stellen, was das russische Volk motiviert und dazu ermuntert hat, trotz der massiven militärischen und polizeilichen Präsenz in großer Zahl, und der Kälte trotzend, auf die Straßen der großen Städte zu gehen, um mit Kraft und Nachdruck nicht nur die Annullierung der legislativen Wahlen, aus denen die Partei Putins und seines Klons Medwedew, Einiges Russland, trotz des massiven Betrugs als Sieger hervorging, sondern auch den sofortigen Rücktritt Putins aus dem Amt, zu fordern.
Wütend, weil man ihm seine Wahl gestohlen hat, hat das russische Volk die Straßen gewählt, um sie wieder herauszubekommen und seinen Sieg zu schützen.
Was ist in der DR Kongo in Bezug auf die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen am 28.11.2011 geschehen? Die Berichte verschiedener Wahlbeobachtungsmissionen sprechen von "folgenschweren Unregelmäßigkeiten" und "massiven Defraudationen". Der Erzbischof von Kinshasa, Laurent Kardinal Monsengwo, hat in diesem Zusammenhang erklärt, dass die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl, die Joseph Kabila als Gewinner angeben, "weder der Wahrheit noch der Gerechtigkeit entsprechen". Daher ist das Adjektiv "unglaubwürdig" entstanden, das zur Charakterisierung dieser Wahlen dient.
Am Vorabend der Jahreshauptversammlung der kongolesischen nationalen Bischofskonferenz, die am Montag, den 09.01.2012, beginnt, hat sich der kongolesische Klerus mit dem Erzbischof von Kinshasa solidarisiert und erklärt, dass er für den Respekt der Legalität und der Legitimität kämpfen wird. Friedliche Aktionen stehen auf der Tagesordnung.
Das Tüpfelchen auf dem i: Der als Verfassungsgericht funktionierende Höchste Gerichtshof, der einberufen war, um über die Sache "Wahlstreitigkeiten" zu befinden, hat durch seinen Beschluss, den Einspruch des Präsidentschaftswahlkandidaten Vital Kamerhe zur Annullierung der präsidialen Wahl zurückzuweisen und die von der Unabhängigen Nationalwahlkommission publizierten provisorischen Ergebnisse zu bestätigen auf die nationale und Weltöffentlichkeit das Bild einer gerichtlichen Institution gemacht, die fälschlich "unabhängig" genannt wird und nicht nur unfähig ist, ihre vorgesehene Rolle zu spielen, sondern als Echo und Übertragungsriemen einer Entscheidung zu dienen, die anderswo getroffen worden war.
Der Oppositionsführer und Kandidat für die präsidiale Wahl, Etienne Tshisekedi, der von Anfang an die Ergebnisse der Präsidentschaftswahl, die Joseph Kabila den Sieg attribuiert, hat sich als "Staatspräsident" proklamiert und folglich am Freitag, den 23.12.2011, den Amtseid geleistet, genau drei Tage, nachdem Joseph Kabila es auch getan hatte.
Erwartungsgemäß war es Etienne Tshisekedi nicht gelungen, das umzusetzen, was er verkündet hatte, nämlich den Amtseid vor dem Volk im Martyrerstadion abzulegen. Diejenigen, die die Macht in unseren Land kontrollieren, hatten das ihnen zur Verfügung stehende Repressionsarsenal disloziert, um die Bevölkerung von Kinshasa zu ängstigen und die indirekt daran zu hindern, mit einem massiven "Ja" dem Appell des Vorsitzenden der UDPS Folge zu leisten.
Mit anderen Worten: Die Nichtvereidigung Etienne Tshisekedi vor dem kongolesischen Volk geht auf das Aufgebot der "kongolesischen" Streitkräfte zurück - viele sprechen in diesem Zusammenhang von der Präsenz von ausländischen Soldaten, die die Uniform der FARDC, der Republikanischen Gardisten und der kongolesischen Nationalpolizei getragen haben und nicht nur die Straßen eingeschlossen hatten, die zum Martyrerstadion führen, sondern auch die Residenz von Etienne Tshisekedi, der deswegen zu Hause bleiben musste.
Die "Angst" ist das Wort, das der Kandidat Etienne Tshisekedi bei seinem Wahlkampf ohne Unterlass verwandt hatte, um das kongolesische Volk zur Überwindung der Angst aufzufordern. Ist es ihm gelungen? Er wäre zu früh, um diese Frage zu beantworten. Das, was ich, ohne Angst widersprochen zu werden, bestätigen kann, ist, dass Etienne Tshisekedi das getan hat, was er als Meinungsführer zu tun hat, der zuerst an das Volk, an die bedeutenden Interessen und profunden Wünsche des Volkes denkt und für den der Mensch im Zentrum der Perspektive sein und stehen sollte.
Viele Anhänger des aus dem Amt scheidenden Joseph Kabila haben nicht gezögert, Schlussfolgerungen im Sinne der Unfähigkeit Tshisekedis zu ziehen, Unfähigkeit zur Mobilisierung der Einwohner Kinshasa insbesondere und des kongolesischen Volkes im Allgemeinen. Die große Zahl der Bevölkerung, die Etienne Tshisekedi bei seiner Wahlkampftournee in vielen Städten des Landes sehr positiv aufgenommen hatte, spricht für sich.
Das, was an den Ergebnissen dieses Wahlmaskenspiels am meisten verwundert, ist, dass in den Regionen, die angeblich für Kabila sind, 100 % der Wähler an der Wahl teilgenommen hatten, während in den Provinzen, in denen Tshisekedi mehr Wähler hatte, die Wahlbeteiligung plötzlich schwach war. Dies ist wohl der Grund, weshalb sich die Unabhängige Nationalwalkommission vor den Wahlen kategorisch gegen die Prüfung der Wählerlisten gewehrt hatte.
Der Zuwachs der Wählerschaft beträgt durchschnittlich 26 % im Land, in der Provinz Katanga, der "Hochburg" von Joseph Kabila, variiert er gemäß den Regionen zwischen 38 und 52 %. Man stellt auch einen erstaunlichen Unterschied fest zwischen den vor den Wahlbüros angeschlagenen Ergebnissen und denen, die durch die Unabhängige Nationalwahlkommission offiziell publiziert wurden. Für die belgische Tageszeitung La Libre Belgique (vom 21.12.2011) ist dieser Unterschied systematisch günstig für Kabila und ungünstig für seinen Hauptgegner Etienne Tshisekedi.
Man muss in diesem Zusammenhang daran erinnern, dass das Stimmenzählen unmittelbar nach dem Abschluss der Wahl im Wahlbüro stattgefunden hatte. Die Ergebnisprotokolle wurden durch die Zeugen der politischen Parteien unterschrieben, vor den Wahlbüros angeschlagen und eine Kopie an die Unabhängige Nationalwahlkommission in Kinshasa geschickt.
Dem Bericht der EU-Beobachtermission ist zu entnehmen, dass viele Verstöße gegen diese Vorgehensweise beobachtet wurden, sodass die Glaubwürdigkeit der Ergebnisse vieler lokalen Zentren für das Stimmenzählen (Centres locaux de Compilation des Résultats, CLCR), in Frage gestellt wurde. Folglich wurde das Verfahren durch die EU-Beobachtermission als wenig transparent in Katanga, Süd Kivu, Kinshasa und der Orientalprovinz beurteilt. In diesen genannten Provinzen waren die Zeugen von Kandidaten und politischen Parteien von gesamten Etappen des Stimmenzählens ferngehalten worden. Überdies hatte der Vorstand der Unabhängigen Nationalwahlkommission vielen lokalen Zentren für das Stimmenzählen abverlangt, die Ergebnisse des Stimmenzählens nicht sofort anzuschlagen, sondern zuerst an den Sitz der Unabhängigen Nationalwahlkommission zwecks einer "Kohärenzkontrolle" zu schicken. Dass diese Prozedur dem Wahlgesetz widerspricht, braucht nicht besonders erwähnt zu werden. Die Beobachter waren auch Zeugen von diesem Verstoß gegen das Wahlgesetz in Goma (Nord Kivu), Mbandaka (Equateurprovinz), Mbanza-Ngungu (Bas Congo), Kisangani (Orientalprovinz und Lubumbashi (Katanga).
Sagt man nicht dass "der Betrug alles korrumpiert und jegliche Handlung, die auf ihm basiert, nichtig macht"?
Einige Tage vor der Publikation der provisorischen Ergebnisse der Parlamentswahl hat die Unabhängige Nationalwahlkommission - deren Darbietung im Rahmen der Bekanntgabe der Ergebnisse der Präsidentschaftswahl in die Geschichte als die mittelmäßigste eingehen wird, die Afrika erlebt hat, sich in einer Notsituation befindend ,- an die internationale technische Gruppe appelliert, "um die schon ausgezählten Ergebnisse zu bestätigen, die verschiedenen Anfechtungen zu analysieren und die vor Ort funktionierenden Mannschaften zu unterstützen".
Da die Präsidentschaftswahl und die Parlamentswahl gekoppelt waren, ist zu fragen, ob die durch die Unabhängige Nationalwahlkommission dargestellte Unfähigkeit, die Ergebnisse der legislativen Wahl in der Transparenz, mit Kompetenz und standardmäßig auszuzählen, nicht auch für die Präsidentschaftswahl gegolten hat. Im bejahenden Fall stellt sich die Frage, weshalb die Unabhängige Nationalwahlkommission nicht um die internationalen Expertise und Zusammenarbeit angesucht hatte, um die Ergebnisse der präsidialen Wahl auszuzählen und weshalb sie Joseph Kabila überstürzt als Sieger proklamiert hat. Ein in der Bundesrepublik Deutschland lebender Landsmann sagt mir vor Kurzem am Telefon: "es ist mehr als traurig, wenn der Präsidentschaftswahl das abgesprochen wird, das der Parlamentswahl zugewiesen wird".
In einem in der belgischen Tageszeitung "La libre Belgique" mit der Überschrift "Fiasko im Kongo" publizierten Artikel spricht Marie-France Cros davon, dass die Wahlen in der DR Kongo als eines der größten Fiaskos dieses beginnenden Jahrhunderts in die Geschichte eingehen werden. Ein unverkennbares Fiasko für die Demokratie. Ein Fiasko für die Wahlkommission, deren betrügerische Manöver vor den Augen der ganzen Welt sichtbar sind, die Glaubwürdigkeit dessen untergrabend, den sie fördern wollte. Ein Fiasko für Joseph Kabila, der sich an die Macht klammert, die ihm, wie er weiß, die Mehrheit der Kongolesen absprechen. Und schließlich ein Fiasko für die "Freunde Kongos" die - außer Washington - so tun, als ob sie die Präsidentschaftswahlen für glaubwürdig hielten, während die am gleichen Tag durchgeführten Parlamentswahlen Experten benötigen, um ihre Auszählung glaubwürdig zu machen.
Es ist sinnvoll, daran zu erinnern, dass die Unregelmäßigkeiten und andere Betrügereien, von denen oben die Rede ist, in dem dilettantenhaftenden Manöver verwurzelt sind, das die Partei Joseph Kabilas und Alliierte am Anfang des letzten Jahres in Gang gebracht haben. Der präsidialen Mehrheit ist ein Coup beim Poker gelungen, indem sie das Wahlgesetz geändert und die Präsidentschaftswahl mit einem Wahlgang eingeführt hat. Dies könnte zu der Annahme führen, dass es sich hier um ein "maßgeschneidertes Gesetzt" handelt, um den aus dem Amt scheidenden Joseph Kabila zu favorisieren. Beim Versuch, zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen, den Verfassungsartikel zu ändern, der die präsidiale Amtsperioden auf zwei limitiert und diese auf 7 Jahre zu verlängern, sind die Partei Kabilas und Alliierte gescheitert.
In Anbetracht des Vorstehenden wäre es in Bezug auf das Kräfteverhältnis angebracht, die Wahlen vom 28.11.2011 zu annullieren, einen Dialog zu organisieren, an dem politische Parteien und Bewegungen und die Zivilgesellschaft teilnehmen sollten und am Ende dessen eine Regierung gebildet wird, deren Mitglieder ausschließlich aus Technokraten bestehen. Die wesentliche Mission dieser Regierung, eine echte unabhängige neue Wahlkommission ins Leben zu rufen und neue Wahlen zu organisieren, sollte auf zwei Jahre begrenzt sein. Die Mitglieder der Übergangsregierung sollten nicht an den Wahlen teilnehmen.
Berlin, den 9.1.2012