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28.5.2008 taz Nr. 8590 Themen des Tages 147 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 4
Jean-Pierre Bemba dachte, er könne schon bald nach Hause. Kongos exilierter Wahlverlierer von 2006 sondierte schon die Rückkehr als Führer der parlamentarischen Opposition. Mit Bembas überraschender Festnahme gefährdet der Internationale Strafgerichtshof die Stabilisierung des Kongo
DEN HAAG afp Der frühere Vizepräsident der Demokratischen Republik Kongo und Verlierer der Präsidentschaftswahl von 2006, Jean-Pierre Bemba, ist auf Antrag des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) in Brüssel festgenommen worden. Der 45-Jährige wurde am Samstagabend wegen des Vorwurfs von Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der Zentralafrikanischen Republik gefasst. Die Fahndung nach Bemba war nicht publik gemacht worden, um die Festnahme zu erleichtern.
Eigentlich sollte Jean-Pierre Bemba demnächst die Führung der parlamentarischen Opposition im Kongo übernehmen
VON DOMINIC JOHNSON
Viele Kongolesen dachten zunächst an einen Aprilscherz zur Unzeit. Die Festnahme des kongolesischen Oppositionsführers Jean-Pierre Bemba in Brüssel am Abend des 24. April, auf Grundlage eines frischen Haftbefehls des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag, erschien offensichtlich deplaziert angesichts der kriselnden Verhältnisse im Kongo, bei deren Stabilisierung Bemba eine Schlüsselrolle zukommt. Der Führer der einstigen Rebellenbewegung MLC (Kongolesische Befreiungsbewegung) bekam bei Kongos Präsidentschaftswahl 2006 42 Prozent der Stimmen, und seine MLC ist die größte parlamentarische Oppositionspartei. Bemba, seit 2007 Mitglied des gewählten Senats, gilt als Modell einer erfolgreichen Verwandlung vom Kriegsführer zum zivilen Politiker.
Für diese Woche, so hatten letzte Woche Zeitungen spekuliert, war Bembas Rückkehr in die Heimat vorgesehen, nach über einem Jahr im Exil. "JP Bemba in Kinshasa am 27. Mai", titelte am vergangenen Mittwoch das regierungstreue Blatt L'Avenir; eine andere Zeitung gab den 28. Mai an. Im April 2007 hatte Bemba sein Heimatland verlassen müssen, nach blutigen Kämpfen mit hunderten Toten zwischen seiner Garde und der Regierungsarmee mitten in Kongos Hauptstadt Kinshasa Ende März. Bemba ließ sich im portugiesischen Faro nieder, und alsbald begannen indirekte Verhandlungen mit Kongos Regierung über Sicherheitsgarantien für seine Rückkehr. Regelmäßig suchten ihn dafür internationale Diplomaten auf, auch Mitglieder der belgischen Regierung schauten bei ihm vorbei. Bembas Sicherheitsbedenken sind durchaus begründet: Zahlreiche MLC-Aktivisten, vor allem Militärs, sind seit den Wahlen im Kongo getötet worden oder in der Haft gestorben.
Die MLC, ohne ihren charismatischen Chef Bemba eher profillos, hatte sich letzte Woche darauf geeinigt, ihn zum parlamentarischen Oppositionsführer zu ernennen. Das hätte eine überfällige Stärkung der noch sehr schwachen parlamentarischen Demokratie in Kinshasa bedeutet. Seit Monaten macht sich Kongos Regierung nur noch negativ bemerkbar: Niederlagen gegen Rebellen im Osten des Landes, Repression im Westen, Korruptionsskandale, Reformblockaden, Willkür gegen politische Gegner. MLC-Aktivisten spekulierten bereits über einen neuen Triumphzug Bembas durch Kinshasa, so wie kurz vor den Wahlen, bei denen Bemba in Kinshasa haushoch gesiegt hatte.
Daraus wird nun nichts, und das lässt viele Kongolesen an der Ernsthaftigkeit der internationalen Demokratisierungsbemühungen im Kongo zweifeln. Mit großem Aufwand Bemba als Präsidentschaftskandidaten zu schützen und als zivilen Oppositionsführer aufzubauen, nur um ihn dann zu verhaften, wenn er kurz davor steht, dies auch tun zu können - das nützt niemandem im Kongo außer Präsident Joseph Kabila, dessen ärgster Widersacher nun ausgeschaltet ist.
"Die MLC ruft das gesamte kongolesische Volk auf, mobilzumachen, um unsere junge Demokratie zu retten", erklärte MLC-Generalsekretär François Mwamba am Montag. Am gestrigen Dienstag demonstrierten mehrere tausend Menschen vor dem Parlamentsgebäude in Kinshasa. Die nordwestkongolesische Provinz Équateur, Bembas Heimat, befindet sich auf Initiative der Provinzregierung im Generalstreik. In der Provinzhauptstadt Mbandaka wurden UN-Fahrzeuge mit Steinen beworfen, in der Großstadt Gemena schoss die Polizei gestern auf Demonstranten, die Jagd auf Weiße und Bürger der Zentralafrikanischen Republik machten.
Die Familie Bemba rief hingegen zur "Gelassenheit" auf. Senatspräsident Kengo wa Dondo, vom Rang her zweiter Mann im Staat und Oppositionsmitglied, erklärte, aus seiner Sicht sei Bemba weiterhin Senator; damit genießt er im Kongo Immunität.
Kommentatoren weisen darauf hin, dass unter dem Vorwurf Den Haags, Bemba sei für Verbrechen seiner Soldaten strafrechtlich verantwortlich, ziemlich viele Politiker des Kongo ins Gefängnis wandern müssten. Die Menschenrechtsorganisation "Congo Pax" der ehemaligen Präsidentschaftskandidatin Marie-Thérèse Nlandu erklärte: "Was auch immer man Bemba vorwirft: Im Kongo laufen Kriegsverbrecher frei herum, und manche regieren das Land."