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30.7.2008 taz Ausland 176 Zeilen, ILONA EVELEENS S. 11
Kongos Südprovinz Katanga steckt im Bergbauboom. Vor allem China profitiert, aber die Bevölkerung kommt unter die Räder. Lokale Gruppen warnen vor miserablen Umwelt- und Sozialstandards sowie Krieg um Zugang zu Rohstoffen wie im Ostkongo
AUS LUBUMBASHI ILONA EVELEENS
"Früher kam ich manchmal zu spät, weil ich trödelte. Heute gehe ich rechtzeitig los, aber ich stehe im Stau", entschuldigt sich der Eigentümer des Internetcafés. Wieder einmal müssen vor seinem Betrieb im Zentrum von Lubumbashi die Kunden warten. Noch vor drei Jahren war Stau unbekannt in der Hauptstadt von Kongos rohstoffreichster Provinz Katanga - heute drängeln sich hier asiatische, amerikanische und europäische Konzerne. "Katanga Fried Chicken" (KFC), das populärste Restaurant der Stadt, hat jetzt schwere Konkurrenz von drei vielbesuchten chinesischen Speiselokalen.
Katanga hat einige der lukrativsten Mineralienvorkommen der Welt: Kobalt, Kupfer, Zink und Uran. "Katanga war einmal der Motor des Kongo", sagt der belgische Professor Jan Gorus. "Und jetzt ist der Kongo wieder auf Katanga angewiesen."
Vor allem China greift zu. Chinesen haben in und um Lubumbashi etwa fünfzig kleine Fabriken eröffnet, wo Erze für den Export verarbeitet werden. Sie bringen ihre eigenen Elektriker, Fahrer und Sekretärinnen mit.
Letztes Jahr vereinbarte Kongos Regierung mit chinesischen Staatsfirmen, dass die Chinesen Straßen und Eisenbahnlinien im ganzen Land bauen und Minen im Wert von zehn Milliarden Euro instandsetzen, fünfmal so viel wie Kongos Staatshaushalt. Als Gegenleistung dürfen sie Mineralien in Katanga fördern. In Lubumbashi geht das Gerücht um, Kongos Präsident Joseph Kabila habe als Geschenk dafür eine Milliarde Euro bekommen.
Am Rande von Lubumbashi ragt ein riesengroßer schwarzer Hügel in den Himmel - Abfall des früheren industriellen Bergbaus. Daneben steht die Schmelze von Gécamines, der marode kongolesische Staatsbetrieb, der große Teile Katangas als Konzession besitzt. Es ist mehr ein rostiges Skelett als eine Fabrik. Die meisten Arbeiter tragen keine Schutzkleidung. Der Ofen ist oben offen, Arbeiter schippen Erde in die wirbelnde, feurige Masse. Nach sechs Stunden wird der Ofen unten geöffnet, um das heiße Kupfer abzulassen, und es wird mit Wasser gekühlt, das durch schmale Röhren fließt. Das Kupfer wird hart und bleibt auf dem Boden liegen, während das Wasser in ein Bassin abfließt. "Nach einiger Zeit holen wir das Wasser dort weg und benutzen es wieder", versichert ein Ingenieur. Er erzählt nicht, dass das meiste Wasser in der Erde versickert und das Grundwasser verseucht.
Paul Fortin, der kanadische Direktor von Gécamines, will den Konzern sanieren. Jahrelang wurde das Personal nicht bezahlt - jetzt gibt es wieder Gehälter. Was ist mit Arbeitsbedingungen und Umwelt? Er schweigt lange. Dann sagt er: "Ich mache wohl jeden Tag etwas, wofür ich im Gefängnis landen sollte. Aber ich kann nicht alles gleichzeitig in Ordnung bringen."
Auch die Menschenrechtsorganisation ACIDH ist besorgt. "Wir versuchen, die Lage zu verbessern, indem wir Konzerne aus dem Westen auf ihre Verantwortlichkeit hinweisen. Sie sind an die OECD-Regeln gebunden", erklärt Serge Lekung von ACIDH. "Schwieriger ist es mit den Chinesen. Die haben im eigenen Land zwar Gesetze, aber im Ausland wenden sie die nicht an."
In den Jahren des Zerfall wurden Katangas Minen immer weniger industriell genutzt. Männer, Frauen und Kinder fingen an, mit Schaufeln, Hämmern und bloßen Händen Rohstoffe auszugraben. Wahrscheinlich eine Million Menschen leben heute davon in Katanga. Jetzt kommen große Betriebe und die Freiberuflichen werden verjagt. Der belgische Professor Jan Gorus findet, dass dieser informelle Sektor in den Aufschwung einbezogen werden muss. "Es muss Platz geben für diese Bergleute. Sie könnten auf zehn Prozent des Gebiets arbeiten. Statt dass sie an Mafioso-Zwischenhändler verkaufen müssen, sollte eine Einkaufsbörse entstehen, wo sie ihr Produkt loswerden können."
Celestin Mapulanga ist so ein freiberuflicher Schürfer. Der dünne Mann sitzt vor einer Imbissbude in Chindaika. Staub klebt an seinem verschwitzten Körper. Er kommt gerade aus einem tiefen Loch, wo Männer nach Kobalt graben. "Es ist schwer. Ich bin alt, ich würde lieber etwas Leichteres tun", erzählt der 58-Jährige. "Aber es gibt nichts anderes, ich brauche Geld für meine zwölf Kinder."
Chindaika ist ein winziges Dorf vierzig Kilometer von Lubumbashi entfernt. Kein Weißer darf in die Nähe der Mine. "Jedes Mal wenn Weiße kommen, werden wir verjagt. Es sind alles Spione der Multinationalen", erklärt ein Schürfer. Sie sind gut organisiert wie eine Armee, und sie sind zu allem entschlossen, um ihre Arbeit nicht zu verlieren.
"Es muss schnell eine Lösung gefunden werden, sonst bekommen wir hier eine Situation wie in Ituri im Osten des Kongo, wo Milizen sich mit der Waffe um den Zugang zu den Bodenschätzen streiten", lautet die drohende Voraussage des kongolesischen Entwicklungsarbeiters Pierre Kahenga. "Die erste Signale sind schon da. Bei Konfrontationen zwischen Schürfern und Polizei gab es Tote und Verwundete." Die Lage wird täglich explosiver.
Kongo mag seit den Wahlen 2006 eine Demokratie sein, aber Korruption bestimmt das Leben. Alles ist zu kaufen - Regierung, Polizei, Beamte. Es gilt das Recht des Stärkeren. Und die Stärksten haben Geld und Waffen.
30.7.2008 taz Ausland 21 Zeilen, D.J. S. 11
Am 30. Juli 2006 fanden in der Demokratischen Republik Kongo die ersten freien und fairen Wahlen statt, unter anderem abgesichert von der Bundeswehr. Zwei Jahre später mehren sich Warnungen, die Demokratisierung stocke. Die Regierung von Präsident Joseph Kabila hat in mehreren Landesteilen Krieg geführt, und Korruption blüht: Letzte Woche befand eine Parlamentskommission, es seien seit den Wahlen 1,3 Milliarden Dollar Staatsgelder spurlos verschwunden - mehr als die offiziellen Staatseinnahmen im Jahr 2007. Eine Reform der besonders korrupten Bergbauindustrie steht noch aus. D.J.