archiv.kongo-kinshasa.de ist eine Informationssite über die Demokratische Republik Kongo: Neben Seiten über das Land im allgemeinen und ein paar Fotos gibt es auch aktuelle Nachrichten und eine umfangreiche Sammlung von Dokumenten aus unterschiedlichen Quellen.
Das Land
Aktuelle Infos
Service
30.10.2008 taz Nr. 8722 Themen des Tages 122 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 2
In Ostkongos wichtigster Stadt Goma haben die Rebellen des Tutsi-Generals Nkunda die Regierungsarmee dazu gebracht, ihre Waffen niederzulegen. Zehntausende Menschen sind auf der Flucht rings um die Stadt. Politiker fordern Friedensgespräche
VON DOMINIC JOHNSON
Die Menschen in Goma staunen. Am Mittwochnachmittag hat Kongos Regierungsarmee in der wichtigsten Stadt im Osten der Demokratischen Republik Kongo die Waffen gestreckt. "Sie sind dabei, die Stadt zu räumen, und das ziemlich diszipliniert", erzählt ein Augenzeuge. Er hat einen Militär gefragt, was das soll, und zur Antwort bekommen: "Das ist ein politischer Krieg, und die Politik besteht darin, dass wir kein Geld haben und nichts zu essen. Und da sollen wir kämpfen?"
Erst am Wochenende hatten die Kämpfer der von Tutsi-General Laurent Nkunda geführten Rebellenbewegung CNDP (Nationalkongress zur Verteidigung der Demokratie) mit ihrer neuen Offensive in der ostkongolesischen Provinz Nord-Kivu begonnen. Schon am Dienstag räumte die Regierungsarmee kampflos und plündernd die Distrikthauptstadt Rutshuru 80 Kilometer nördlich von Goma. Jetzt, unter der Rebellenherrschaft, sei in Rutshuru alles ruhig, erzählt der dort residierende traditionelle König der kongolesischen Hutu, Mwami Paul Ndeze, der aus Goma heraus Telefonkontakt mit seinem Hof hält. "Die ,Anderen' spazieren in der Stadt herum", berichtet er über die CNDP-Kämpfer. "Wir warten, dass sie uns sagen, was sie vorhaben." Die Hutu von Rutshuru trauen den Tutsi der CNDP nur wenig - aber einzelne geflohene Stadtbewohner wagen sich jetzt zurück.
Der König von Rutshuru hofft, dass Kongos Regierung jetzt Verhandlungen zustimmt: "Wenn es keine militärische Lösung gibt, lautet die Alternative Dialog." Die internationale Gemeinschaft müsse das durchsetzen: "Die Regierung akzeptiert alles, was die internationale Gemeinschaft fordert."
Die internationale Gemeinschaft fordert allerdings derzeit überhaupt nichts, sondern scheint wie gelähmt. Auf einer Dringlichkeitssitzung des UN-Sicherheitsrates in New York am Dienstagabend verhallte ein Appell der UN-Blauhelmabteilung, ihre Kongo-Mission Monuc - mit 17.000 Soldaten bereits die größte der Welt - weiter aufzustocken, ungehört. Monuc-Chef Alan Doss sagte, man werde den Sturz der Regierung des Kongo nicht zulassen. Von der Verteidigung der Städte Ostkongos war keine Rede mehr.
Die kampflose Räumung Gomas war bereits seit Dienstag im Gespräch. UNO und Hilfswerke evakuierten alle "nichtessentiellen" ausländischen Mitarbeiter über die nahe Grenze nach Ruanda. Zugleich flogen UN-Hubschrauber Luftangriffe auf die Rebellen um Kibumba, 20 Kilometer nördlich von Goma. Aber die Regierungstruppen, so ein Augenzeuge, stellten gestern am frühen Nachmittag das Kämpfen ein. Später gaben sie ganz auf. "Es ist vorbei", wurde ein General zitiert. Die Soldaten seien auf dem Weg in die Nachbarprovinz Süd-Kivu.
Die Rebellen scheinen vom Zusammenbruch des Gegners überrascht. Noch vormittags hatte CNDP-Sprecher René Abandi der taz erklärt: "Wir haben noch nicht entschieden, Goma einzunehmen, aber alles ist möglich. Wenn wir Goma einnehmen, ist das humanitäre Drama innerhalb einer Woche beendet." Am besten wären jetzt sofortige Verhandlungen. "Wir können die Revolution jederzeit unterbrechen, wenn die Regierung in Kinshasa Verhandlungen in einem neutralen Land zustimmt."
Erst müssen die Rebellen das Machtvakuum im 500.000 Einwohner zählenden Goma füllen. Das Überleben von einer Million Kriegsvertriebenen in Nord-Kivu hängt davon ab. Am Abend verkündete die CNDP einen Waffenstillstand, "um Goma nicht in Panik zu versetzen". Aber der Griff zu den Waffen schien nicht mehr nötig, um den Krieg zu gewinnen.