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31.10.2008 taz Nr. 8723 Meinung und Diskussion 48 Zeilen, DOMINIC JOHNSON S. 12
Die Vorgänge um Kongos Frontstadt Goma nehmen allmählich absurde Züge an. Unter den Augen einer untätigen UN-Blauhelmmission, deren Mandat als Kern den Schutz der Zivilbevölkerung enthält, plündern fliehende Regierungssoldaten über Nacht die Stadt und töten zahlreiche Menschen.
Am nächsten Tag posaunt die internationale Diplomatie, man müsse unbedingt verhindern, dass die Rebellen von Laurent Nkunda die Stadt einnehmen. Ansonsten drohe ein Blutbad. Gleichzeitig kursieren Überlegungen, eine europäische Eingreiftruppe zu entsenden, die Flüchtlinge schützt.
Wäre Nkundas Rebellenarmee gleich am Mittwochnachmittag in Goma einmarschiert, statt dem starken internationalen Druck zur Zurückhaltung nachzugeben, hätte es die nächtelange Plünderorgie der Regierungstruppen nicht gegeben. Es hätte sie auch nicht gegeben, wenn die UN-Soldaten in der Stadt ihr Mandat ernstgenommen hätten und nicht aus Sicherheitsgründen in ihrer Kaserne geblieben wären. Zahlreiche Menschen haben so mit ihrem Leben für die Überzeugung internationaler Diplomaten gezahlt, eine Eroberung Gomas durch Nkunda sei das größte anzunehmende Übel und daher um jeden Preis zu verhindern.
Wie geht es jetzt weiter? Nach wie vor erscheint als einzige tragbare Lösung, dass die UN-Mission in Goma den reibungslosen Einmarsch der Rebellen ermöglicht, um gemeinsam mit ihnen und den noch verbliebenen Sicherheitskräften wie der Polizei für Sicherheit zu sorgen. Doch Nkundas Kämpfer haben in den letzten zwei Jahren bewiesen, dass sie in ihren Herrschaftsgebieten der Bevölkerung bessere Bedingungen bieten können. 2004, zu Beginn ihres Kampfes, fielen sie noch in die Stadt Bukavu ein und begingen zahlreiche Vergewaltigungen und Morde. Inzwischen aber setzen sie auf eine straff organisierte Verwaltung und eine rigide interne Disziplin. Wenn das UN-Mandat zum Schutz der Bevölkerung ernst gemeint ist, muss das Verhalten der Kriegsparteien daran gemessen werden. Dies bedeutet möglicherweise für einige Diplomaten und Politiker, die Nkunda verteufeln, einen unangenehmen Gesichtsverlust. Aber das Leben der Kongolesen sollte wichtiger sein.
DOMINIC JOHNSON